Das Modell des themenspezifischen bilingualen Unterrichts in Serbien

  • Schüler im bilingualen Unterricht 1 © Zorica Milenković
  • Schüler im bilingualen Unterricht 2 © Zorica Milenković
  • Deutschlehrerin Katharina Niggemeier und Praktikantin Franziska Dittmer © Zorica Milenković
  • Schüler im bilingualen Unterricht 3 © Zorica Milenković

Am Gymnasium Stevan Sremac in Niš, Südserbien, wird seit dem Schuljahr 2014/2015 themenspezifischer bilingualer Unterricht erteilt. Der Deutschlehrer* unterrichtet in sechs Fächern ausgewählte Themen in deutscher Sprache. In diesem Beitrag werden zunächst die Organisationsform und das Modell dieses bilingualen Unterrichts vorgestellt. Am Beispiel einer Unterrichtsstunde aus dem Fach Musik soll sodann die Umsetzung des themenspezifischen bilingualen Unterrichts illustriert werden. 

Hintergrund

Das Gymnasium Stevan Sremac in Niš wollte zum Schuljahr 2014/2015 einen bilingualen Zweig einführen. Da die serbischen Fachlehrer meist nicht über das in Serbien erforderliche Sprachniveau C1 zur Erteilung des bilingualen Unterrichts verfügen, stellte das Gymnasium einen Antrag, den Fachunterricht von Deutschlehrern erteilen zu lassen. Durch einen entsprechenden Erlass des serbischen Erziehungsministeriums wird dem Deutschlehrer in Serbien das Recht zur Erteilung des Fachunterrichts in deutscher Sprache übertragen. Voraussetzung ist, dass eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Deutschlehrer und dem serbischen Fachlehrer gewährleistet ist.

Praktische Durchführung am Gymnasium Stevan Sremac

In Serbien beginnt das Gymnasium mit Klasse 9. Im Schuljahr 2015/2016 wird in den Jahrgangsstufen 9,10 und 11 themenspezifischer bilingualer Unterricht erteilt. Der Deutschlehrer unterrichtet aus sechs Fächern ausgewählte Themen, die in den Fachkonferenzen nach dem jeweiligen Lehrplan festgelegt wurden. In Klasse 9 und 10 werden die Fächer Musik, Kunst, Geschichte und Serbisch bilingual unterrichtet. In Klasse 10 und 11 findet zudem der Geografieunterricht und in Klasse 10 das Fach Informatik in deutscher und serbischer Sprache statt. Die Einführung in das Thema erfolgt dabei durch den serbischen Fachlehrer in serbischer Sprache, sodass die Inhalte in der Muttersprache vorentlastet werden. Im Durchschnitt haben die Schüler drei Wochenstunden Fachunterricht in deutscher Sprache. 

Stundenverteilung nach Faechern © Katharina Niggemeier

Themenauswahl

Bei der Themenauswahl wurden Themen ausgewählt, die einem kommunikationsorientierten Unterricht dienen. In den Fächern Musik und Kunst  wurden vornehmlich kunst-und musikgeschichtliche Themen ausgewählt. Eine Akzentuierung mit Blick auf die jeweiligen Epochen in Deutschland (zum Beispiel im Fach Kunst die Baugeschichte des Kölner Doms als Beispiel der Gotik) erweitert sowohl das thematische als auch das landeskundliche Wissen der Schüler. Praktische Themen, wie Zeichnen, werden lediglich vom serbischen Fachlehrer unterrichtet.

Tabelle 3 zeigt die Themen-und Stundenverteilung im Fach Kunst in Klasse 9. Die hervorgehobenen Themen werden bilingual unterrichtet. 

Stundenverteilung Kunst © Katharina Niggemeier

Zusammenarbeit mit dem serbischen Fachlehrer

Für das Gelingen des bilingualen Unterrichts ist eine enge Kommunikation zwischen dem Deutschlehrer und den Fachlehrern erforderlich. Die Absprachen beginnen bereits bei der Auswahl und Gestaltung der Unterrichtseinheiten. Im laufenden Schuljahr werden die Unterrichtsstunden wöchentlich vor- und nachbesprochen. Der serbische Lehrer hilft dem deutschen Lehrer bei der Materialauswahl, der deutsche Lehrer zeigt dem serbischen Fachlehrer vor den Unterrichtsstunden sein Material und informiert sich darüber, welche konkreten Inhalte im serbischen Fachunterricht in der vorausgehenden Stunde behandelt wurden. Darüber hinaus erteilen Deutsch- und Fachlehrer auch gemeinsame Stunden. In den Fächern Geschichte und Geografie erfolgt in einigen ausgewählten Stunden die thematische Einführung im ersten Stundenteil durch den serbischen Fachlehrer. Der zweite Stundenteil wird auf Deutsch unterrichtet, der serbische Kollege ist dabei anwesend. Am Gymnasium Stevan Sremac lernen seit dem letztem Schuljahr alle am bilingualen Projekt beteiligten Lehrer Deutsch, sodass eine noch engere Zusammenarbeit in Zukunft möglich ist.

Ziele

Ziel des themenspezifischen bilingualen Unterrichts ist die Integration von inhaltlichem und sprachlichem Lernen. Der funktionale Erwerb der Fremdsprache steht gleichrangig neben der Aneignung fachlicher Inhalte [vgl. Vollmer, S. 124]. Die Spracharbeit dient dabei vornehmlich dem Inhaltslernen [vgl. Vollmer, S. 129] und die erworbene Fachsprache wird als Teil der angestrebten Fachkompetenz betrachtet [vgl. Vollmer, S. 125]. 

Kompetenzorientierung

Durch den themenspezifischen bilingualen Unterricht erwerben die Schüler eine Vielzahl an Kompetenzen [vgl. Rahmenplan DaF für das Auslandsschulwesen]. Besonders die kommunikativen Teilkompetenzen werden gefördert. Durch die verschiedenen Themenfelder in den sechs bilingual unterrichteten Unterrichtsfächern sind die Schüler in der Lage, sach-und themenbezogene zu einer Vielfalt von Problemstellungen und Themen zu kommunizieren. Das Leseverstehen wird insofern gefördert, als die Schüler lernen, verschiedenen Textsorten, wie zum Beispiel historischen Quellen (Geschichte) oder diskontinuierlichen Texten (Geografie) sowie literarischen Texten (Serbisch) wichtige Aussagen zu entnehmen und Texte auszuwerten. Im Bereich der Verfügbarkeit von sprachlichen Mitteln lernen die Schüler ein breites Spektrum von Themen-und Erfahrungsfeldern kennen und erlangen somit einen funktionalen und thematisch erweiterten Grundwortschatz, den sie in themenbezogener Kommunikation anwenden können.

Beispiel einer bilingualen Unterrichtsstunde

Im Folgenden wird eine bilinguale Unterrichtsstunde aus dem Fach Musik in Klasse 10 vorgestellt. Inhalt der Stunde sind Leben und Werk des Komponisten Johannes Brahms. Das Klassenzimmer wird zum Museum, die Schüler schlüpfen in die Rollen von Museumsführern und –besuchern.

Fach: Musik (bilingual)
Klasse: 10
Anzahl der Schüler: 15
Stundenthema: Von Hamburg nach Niš – unser Klassenzimmer als Brahms-Museum.
Lernziele:
Die Schüler kennen ausgewählte Werke (Die ungarischen Tänze, Liebeslieder-Walzer, Violinkonzert in D-Dur) von Johannes Brahms. Sie kennen zudem wichtige Lebensstationen des Komponisten.

Skizzierung des Stundenverlaufs

Als Einstieg sehen die Schüler Bilder, die im Zusammenhang mit der Person Johannes Brahms stehen: Bilder von einem Brahms-Denkmal (1899), einer Brahms-Briefmarke (1983) und einem Plakat der Brahms-Woche (2013). Die Schüler beschreiben die Bilder und stellen heraus, dass die Gemeinsamkeit der Darstellungen Johannes Brahms ist. Nach dieser thematischen Hinführung wird ein Bild vom Brahms-Museum in Hamburg gezeigt. Der Lehrer erklärt, dass das Klassenzimmer zum Brahms-Museum werde und dass die Schüler eine Ausstellung zu Brahms im Klassenzimmer machen werden. In der Arbeitsphase erarbeiten die Schüler in vier Gruppen anhand von Arbeitsblättern vier verschiedene Themen zu Johannes Brahms:

Arbeitsauftrag I:
Lest den Text. Markiert beim Lesen wichtige Informationen. Notiert zu den Überschriften auf den Arbeitsblättern Stichpunkte. Ihr stellt später euren Mitschülern das Thema vor.
Zeit: ca. 12 Minuten.
Gruppe 1: Wichtige Lebensstationen
Gruppe 2: Die ungarischen Tänze
Gruppe 3: Liebeslieder-Walzer
Gruppe 4: Violinkonzert in D-Dur
 
Die Schüler, die den Arbeitsauftrag vor der Zeitvorgabe beendet haben, können an einer Hörstation Hörproben mit Werken von Johannes Brahms anhören.
Anschließend wird die Ausstellung eröffnet.

Arbeitsauftrag II:
An jeder Station ist jeweils 1 Experte.
Die Anderen verteilen sich als Besucher auf die anderen Stationen.
Der Experte stellt den Besuchern das Thema vor. 
Verwendet die Redemittel für Besucher und Experten.
Nach einem Durchgang geht ein anderer Experte an seine Station.
An der Hörstation könnt ihr Hörproben der Werke Brahms hören!
 
Nachdem alle Schüler alle Stationen besucht haben, hören sie zur Vertiefung im Plenum Ausschnitte aus den vorgestellten Werken von Johannes Brahms und sagen, um welches der Werke es sich handelt.

Ausblick

Für den Deutschlehrer stellt es eine Herausforderung dar, die Vielzahl an Themen fachfremd zu unterrichten. Kontinuierliche, gemeinsame Fortbildungen für Deutschlehrer und serbische Fachlehrer sind wichtig für die Weiterentwicklung des bilingualen Unterrichts. Langfristig wäre es zudem sinnvoll, Lehrwerke für den themenspezifischen bilingualen Unterricht zu erstellen. 


* Mit der männlichen Form von Lehrer oder Schüler ist immer auch die weibliche Form Lehrerin und Schülerin gemeint.
 

Literatur

Vollmer, Helmut Johannes (2013): Das Verhältnis von Sprach-und Inhaltslernen im Bilingualen Unterricht. In: Hallet, Wolfgang/ Königs, Frank G. (Hrsg.): Handbuch Bilingualer Unterricht. Content and language Integrated Learning. Seelze 2013, S.124-131.

Rahmenplan Deutsch als Fremdsprache für das Auslandsschulwesen (2009).

 

Über die autorin

Katharina Niggemeier ist Lehrerin für Deutsch und Französisch. Seit September 2015 arbeitet sie für die ZfA als Bundesprogrammlehrkraft in Serbien und unterrichtet am Gymnasium Stevan Sremac in Niš Deutsch als Fremdsprache sowie den themenspezifischen bilingualen Unterricht.