Besser früher oder später?
Fremdsprachenlernen und Alter

Fremdsprachenlernen und Alter
Foto: Goethe-Institut

Jugendliche haben aufgrund ihres Alters einige Vorteile beim Fremdsprachenlernen: das Gehirn ist noch flexibel, und sie können bereits auf Lernstrategien und einige Lebenserfahrungen zurückgreifen.

Der Einfluss des Alters auf das Fremdsprachenlernen ist eines der spannendsten, aber auch eines der umstrittensten Themen in der Spracherwerbsforschung.

Kritische Phase?

Generell besteht die Annahme, dass Kinder Fremdsprachen schneller und müheloser lernen als Erwachsene. Als Grund dafür wird eine kritische Phase (Critical Period) vermutet, ein Zeitfenster also, in dem eine fremde Sprache besonders effektiv erworben werden kann. Die meisten Vertreter solch einer kritischen Phase gehen davon aus, dass diese ungefähr mit dem Beginn der Pubertät endet. [1] Nach dieser Zeit ist es nicht mehr möglich, eine Fremdsprache perfekt zu lernen. Einige Wissenschaftler sind sogar der Auffassung, dass diese kritische Phase bereits in der frühen Kindheit vorbei ist, während wieder andere glauben, dass sie bis über das 20. Lebensjahr hinausreicht. Die Critial Period-Hypothese ist sehr umstritten und wurde in den letzten Jahren deutlich relativiert.

Kinder lernen spielerisch und unbewusst

Studien haben gezeigt, dass jüngere Lernende einen klaren Vorteil haben, wenn es um den Erwerb der Aussprache geht. Nach Ansicht einiger Wissenschaftler nimmt die Wahrscheinlichkeit bereits ab einem Alter von ca. sechs Jahren deutlich ab, jemals eine muttersprachliche Kompetenz zu erreichen. [2] Der Erwerb von Grammatik ist in der Regel ebenfalls erfolgreicher, wenn das Fremdsprachenlernen schon im Kindesalter beginnt. Kinder lernen eine Fremdsprache anders als Erwachsene: Sie benutzen weniger explizite Strategien, sie lernen viel stärker über Input und sind weniger sensibel für Feedback. [3]

Insgesamt betrachtet fällt Kindern das Fremdsprachenlernen in der Regel recht leicht, weil sie spielerisch und fast unbewusst lernen. Zudem ist ihr Gehirn noch sehr flexibel und für verschiedene (sprachliche) Strukturen offen. Außerdem erfahren Kinder häufiger als Erwachsene einen spracherwerbsförderlichen Input aufgrund des spielerischen und gebrauchsorientierten Zugangs zur Fremdsprache.

Vorteile für ältere Lernende

Es gibt jedoch auch Bereiche, in denen ältere Lernende einen klaren Vorteil haben. Das betrifft vor allem das Fremdsprachenlernen unter unterrichtlichen Bedingungen. So ist unter anderem belegt, dass ältere Schülerinnen und Schüler Fremdsprachen im Unterricht meist schneller lernen als junge. [4]
Zumindest bis ins jüngere Erwachsenenalter gilt für den Fremdsprachenunterricht tendenziell: Je älter, desto schneller. Auch in Bezug auf den Erwerb des Wortschatzes sind ältere Lernende den jüngeren meist überlegen, denn Jugendliche und Erwachsene können beim Erlernen von Wörtern, aber auch von Konzepten auf mehr Lernerfahrung zurückgreifen. [5] Zudem haben ältere Lernende auch den Vorteil, dass sie über ein metalinguistisches Bewusstsein verfügen, das den Lernprozess unterstützt, d.h. sie wissen, wie Sprache aufgebaut ist und sind in der Lage, Sprache zu analysieren und kreativ zu verändern.

Jugendalter als optimaler Zeitpunkt

Das Jugendalter ist somit ein optimaler Zeitpunkt, um eine Fremdsprache zu erlernen: Jugendliche haben (ebenso wie Kinder) ein noch flexibles und sich entwickelndes Gehirn, und gleichzeitig können sie (ebenso wie Erwachsene) auf Lernstrategien und Lebenserfahrung beim Lernen zurückgreifen, die es ihnen ermöglichen, eine Fremdsprache relativ schnell und mühelos zu lernen. Dabei ist jedoch wichtig, dass die Lernenden so viel wie möglich Input in der Fremdsprache erhalten.

 

[1] Johnson, J.S. & Newport, E.L. (1991). Critical period effects on universal properties of language: The status of subjacency in the acquisition of a second language. Cognition, 39, 215-258.
Lenneberg, E.H. (1967). Biological functions of language. New York: Wiley.

[2] Long, M. H. (1990) Maturational constraints on language development. Studies in Second Language Acquisition, 12, 251-285.
Marinova-Todd, S.H., Marshall, D.B. & Snow, C.E. (2000). Three misconceptions about age and L2 learning. TESOL Quarterly, 34(1), 9-34.

[3] Thomas, M.C. & Johnson, M.H. (2008). New advances in understanding sensitive periods in brain development. Current Directions in Psychological Science, 17, 1-5.

[4] Muñoz, C. (2003). Le rythme d’acquisition des savoirs communicationnels chez des apprenants guidés. L’influence de l’âge. Acquisition et Interaction en Langue Étrangère, 18, 53-77.

[5] DeKeyser, R., & Larson-Hall, J. (2005). What does the critical period really mean? In J. F. Kroll & A. M. B. de Groot (Hrsg.), Handbook of bilingualism: Psycholinguistic approaches. New York: Oxford University Press.

Singleton, D. (2001). Age and second language acqusisition. Annual Review of Applied Linguistics, 21, 77-89.