bauhaus imaginista in Sao Paulo
Wer lernt von wem?

Ausstellungseröffnung und Symposium von bauhaus imgainista in Sao Paulo
Ausstellungseröffnung und Symposium von bauhaus imgainista in Sao Paulo | Foto: Danila Bustamante

Nach Stationen in Marokko, China, den USA und Tokio ist das Großprojekt „bauhaus imaginista“ jetzt in Brasilien zu sehen - mit einer Ausstellung im SESC Pompeia und einem Symposium am Goethe-Institut Sao Paulo. 

Das globale Mammutprojekt „bauhaus imaginista“ macht mit seinem dritten und vorletzten Teil in Sao Paulo Station, unter der Überschrift „Learning from…“. Ein Titel, angelehnt an die documenta 14, die ja bekanntlich von Athen lernen wollte. Hier in Sao Paulo geht es dagegen um die Frage, wie sich die Moderne von „prämodernen“ Kulturen inspirieren ließ. Und da sich Modernismus nicht ohne diese Aneignung denken lässt – so wie Picasso nicht ohne afrikanische Masken – gab es auch bei den Bauhaus-Lehrern und –Schülerinnen von Beginn an ein großes Interesse an Stoffen, Techniken und Handwerk „primitiver“ Kulturen. Viele seiner Ideen bezog das Bauhaus aus den Sammlungen der ethnologischen Museen Europas. Durch die Emigration, zu der viele Bauhäusler in der Zeit des Nationalsozialismus gezwungen wurden, kamen weitere Einflüsse aus den Exil-Ländern hinzu. Wie unterschiedlich die einzelnen Bauhaus-Künstler und –Künstlerinnen auf diese Erfahrungen reagierten, aber auch welche modernen Bewegungen in Nordafrika, Brasilien und Nordamerika entstanden, die wie das Bauhaus eine Synthese von Handwerk, Kunst und Design verfolgten, das zeigt die Ausstellung im SESC Pompeia in Sao Paulo.

bauhaus imaginista fragt in Sao Paulo, wie sich die Moderne von „prämodernen“ Kulturen inspirieren ließ bauhaus imaginista fragt in Sao Paulo, wie sich die Moderne von „prämodernen“ Kulturen inspirieren ließ | Foto: Danila Bustamante Einige wenige Objekte wie Keramiken oder Webteppiche werden unter Glas gezeigt, andere stehen frei wie Lina Bo Bardis dreibeiniger Sitz – eine Konstruktion aus drei etwa zwei Meter hohen Holzstangen, die sie bei Einheimischen abgeschaut, fotografiert, dokumentiert, aufgemessen und nachgebaut hat. Daneben gibt es zahlreiche Videodokumentationen wie beispielsweise einen Film, in dem wir die Bauhaus-Schülerin und Keramik-Künstlerin Marguerite Wildenhain beim Erschaffen eines Kruges sehen. Wildenhain floh vor den Nazis in die USA, wo sie sich auf der Pond Farm niederließ – einer Künstlerkolonie, gegründet von Gordon und Jane Herr im Norden Kaliforniens als utopisches Modell eines kommunalen Zusammenlebens, das Kunst, Arbeit, Lehre und Ackerbau vereint.

bauhaus imaginista Ausstellung im SESC Pompeia Sao Paulo bauhaus imaginista Ausstellung im SESC Pompeia Sao Paulo | Foto: Danila Bustamante

Alles beginnt mit einer Klee-Zeichnung

Ausgangspunkt der Ausstellung ist die kleine Zeichnung „Teppich“ von Paul Klee aus dem Jahr 1927. Klee, der eine Webereiklasse am Bauhaus leitete, lässt hier seine Begeisterung für nordafrikanisches Interieur, Ornamente, Abstraktionen erkennen, denen er auf einer Reise nach Tunesien begegnet ist. Er kopiert diese nicht, sondern übersetzt sie in etwas Neues. Klee, der noch unter kolonialen Bedingungen reiste, wird in der Ausstellung mit der Casablanca-Gruppe konfrontiert – einem Kollektiv um den Künstler Farid Belkahia. Sie begründete 1962 (sechs Jahre nach Marokkos Unabhängigkeit von Frankreich) die „Schule der Feinen Künste“ in Casablanca – als Kinder jener Eltern, die zuvor noch mit ihrem Handwerk möglicherweise die Bauhauskünstler und -künstlerinnen inspirierten. Ihnen ging es jetzt um eine Wiederanerkennung der lokalen Handwerkskünste und darum, präkoloniale Kunst in einem neuen Kontext zu sehen.

bauhaus imaginista Ausstellung im SESC Pompeia Sao Paulo bauhaus imaginista Ausstellung im SESC Pompeia Sao Paulo | Foto: Danila Bustamante

Was ausgelassen wurde

Das versucht auch das Projekt „Des-Habitat“ des Architekten Paulo Tavares, der in einer Neu-Auflage der Zeitschrift „Habitat“ – herausgegeben in den 50er Jahren von der bereits erwähnten Lina Bo Bardi – die Darstellung indigener Völker und Kunst aus ihrem kolonialen Kontext zu lösen versucht und zeigt, was im Original-Heft ausgelassen wurde.
 
Die Ausstellung belegt bei allen kritischen Implikationen vor allem eins: Ein Verlangen des europäischen Modernismus, auf andere traditionelle Kulturen zu schauen, auf der Suche nach Inspiration, meist aber ohne diese traditionelle Kunst als eigenständige Kunst zu betrachten.

Kulturelle Aneignung

Einen interessanten Ausblick auf zukünftige Debatten zum Thema gab der Soziologe Laymert Garcia Dos Santos beim Symposium zum Thema „Kulturelle Aneignung“: „Heute haben wir einige indigene Künstlerinnen und Künstler, die vom hiesigen Kunstsystem anerkannt werden wollen. Sie wollen ein Teil davon sein, sagen aber gleichzeitig: Wir müssen euch nicht um Zugang bitten, denn unsere Konzepte wurden von euch übernommen. Und jetzt werden wir diese Aneignung zurückführen, das heißt: Unsere Konzepte zurück-aneignen, um als Künstler wahrgenommen zu werden.“

bauhaus imaginista Ausstellung im SESC Pompeia Sao Paulo bauhaus imaginista Ausstellung im SESC Pompeia Sao Paulo | Foto: Danila Bustamante