Berlin & Beyond
„Dieser Film muss nach Amerika“

„Filmemachen ist immer eine Reise“, findet Julia Jentsch.
„Filmemachen ist immer eine Reise“, findet Julia Jentsch. | Foto: Barak Shrama

Mit Berlin & Beyond bringt das Goethe-Institut zum 21. Mal Filmhöhepunkte aus deutschsprachigen Ländern in San Francisco auf die Leinwand. Julia Jentsch, ausgezeichnet mit dem „Spotlight Award in Acting“ des Festivals, reiste dafür zum ersten Mal in die hügelige Stadt. Im Interview spricht sie über ihren neuen Film zum Tabuthema Spätabtreibung.

Als größtes deutschsprachiges Filmfestival der USA zeigt Berlin & Beyond jährlich Filme aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Neben Julia Jentsch begrüßte das Goethe-Institut San Francisco dieses Jahr prominente Gäste wie Maria Schrader, Stefan Haupt und Moshe Cohen im Castro Theater.
 
Julia Jentsch ist bekannt aus Filmen wie Sophie Scholl – Die letzten Tage oder Die fetten Jahre sind vorbei. Beide Filme waren national und international sehr erfolgreich. Bei dem Filmfestival Berlin & Beyond wird ihr neuster Film gezeigt. 24 Wochen ist ein Drama um ein Paar, das sich mit der Behinderung ihres ungeborenen Kindes auseinandersetzt.

Eröffnungsparty von Berlin & Beyond im Deutschen Generalkonsulat in San Francisco. Eröffnungsparty von Berlin & Beyond im Deutschen Generalkonsulat in San Francisco. | Foto: Barak Shrama Frau Jentsch, herzlich willkommen in San Francisco. Für Ihren neuesten Film 24 Wochen wurden Sie bei Berlin & Beyond mit dem „Spotlight Award in Acting“ ausgezeichnet. Was war Ihre erste Reaktion auf die Einladung?
           
Ich habe mich sehr gefreut, dass dieses Jahr noch mal eine Gelegenheit kam, den Film im Ausland vorzustellen. 24 Wochen ist in den letzten Wochen und Monaten sehr viel rumgereist – ich konnte aber leider nie dabei sein, weil ich gearbeitet habe. Hier in San Francisco hat es endlich geklappt. Dass ich auch noch einen Preis gewonnen habe, las ich ehrlich gesagt erst gestern Abend im Programm. Aber ich wäre auch ohne Preis gekommen.
 
Was sind Ihre Pläne in San Francisco?
 
Ich möchte unbedingt einige der anderen Filme vom Festivalprogramm sehen, die ich zu Hause verpasst habe und das neue San Francisco Museum of Modern Art besuchen. Und ich will ein paar Eindrücke bekommen von den steilen Straßen, den berühmten Straßenbahnen und natürlich der Waterfront – Bilder, die man schon im Kopf hat von San Francisco.
 
Waren Sie schon mal für das Goethe-Institut auf Reisen?

 
Ja, im Zusammenhang mit dem Film Sophie Scholl. Es waren immer eindrückliche Erlebnisse. Besonders spannend ist der Austausch: Wie reagieren die Leute anderswo?

In gleißendem Festival-Pink tauchen die Zuschauerinnen und Zuschauer in das Programm von Berlin & Beyond ein. In gleißendem Festival-Pink tauchen die Zuschauerinnen und Zuschauer in das Programm von Berlin & Beyond ein. | Foto: Barak Shrama 24 Wochen setzt sich mit der Abtreibung eines behinderten Kindes auseinander. Ein umstrittenes und emotionales Thema.
 
Ein heftiges Thema – aber ein beeindruckendes Drehbuch. Die Dialoge haben mich gleich angesprochen. Niemand wünscht sich, in eine solche Situation zu geraten, wie sie das Film-Paar erlebt. Das ist mir sehr nahe gegangen und ich habe mich gefragt, ob ich mich mit diesem Stoff die nächsten Monate beschäftigen will und was das mit mir macht. Nach der Begegnung mit der Regisseurin Anne Zohra Berrached, deren Arbeitsweise mir gleich so gut gefallen hat und bei der ich mich aufgehoben fühlte, verschwanden diese Bedenken. Mit dem Austausch über die Filmidee kam auch die Lust, diese Reise gemeinsam anzutreten. Filmemachen ist immer eine Reise, für die Regisseure noch länger als für die Schauspieler.
 
Wie hat die Arbeit an dem Film auf Sie eingewirkt?
 
Mir sind vor allem die Begegnungen in diesem Zusammenhang nahe gegangen – fremde Menschen haben mir von der vielleicht heftigsten und schwierigsten Zeit in ihrem Leben erzählt. Das waren außergewöhnliche Momente der Offenheit. Ich war erstaunt zu sehen, wie viele Menschen das Thema betrifft. Mehr als 90 Prozent von ihnen entscheiden sich in einer ähnlichen Situation für einen Schwangerschaftsabbruch. Deswegen verstehe ich auch gut, warum Anne den Film genauso enden lässt wie er endet und das Thema damit zur Diskussion stellt.

Sigrid Savelsberg, Leiterin des Goethe-Instituts in San Francisco, und Festivalleiter Sophoan Sorn mit Julia Jentsch bei der Preisverleihung im Castro Theater. Sigrid Savelsberg, Leiterin des Goethe-Instituts in San Francisco, und Festivalleiter Sophoan Sorn mit Julia Jentsch bei der Preisverleihung im Castro Theater. | Foto: Barak Shrama Für viele ist Abtreibung ein Tabuthema. Ist Film das richtige Medium, um eine Auseinandersetzung anzustoßen?
 
Film ist immer noch eines der stärksten Medien und gibt die Möglichkeit, viele Menschen auf eine sehr direkte und intensive Art zu erreichen und Entscheidungsprozesse anzustoßen. Dass der Film seine Premiere bei der Berlinale im Wettbewerb feiern durfte, war unglaublich toll und mutig von der jungen Regisseurin und dem jungen Produzenten Johannes Jahnke. Die Berlinale ist ein tolles Forum, aber man muss mit allem rechnen. Das großartige Feedback zeigte dann: der Film erreicht die Leute.
 
In den USA ist Abtreibung ein sehr umstrittenes Thema. Präsident Trump hat aktuell entschieden, die Finanzierung für Hilfsorganisationen zur Beratung in Abtreibungsfragen zurückzufahren. Glauben Sie, der Film kann etwas bewirken?
 
Meryl Streep, die zur Jury der Berlinale gehörte und der wir dort begegnet sind, sagte sofort: „Dieser Film muss nach Amerika.“
 
Das Interview führte Sigrid Savelsberg, Leiterin des Goethe-Instituts in San Francisco.