Deutsch-Tschechischer Kulturfrühling 2017
Gerhard Richter und der graue Charme der Zufälligkeit

Gerhard Richter-Ausstellung im Rahmen von DE_TSCH 2017
Gerhard Richter-Ausstellung im Rahmen von DE_TSCH 2017 | Foto: Pavlína Jáchimová/Goethe-Institut

Ema, Betty, Gudrun, Rudi ... das sind Namen, die man kennen sollte, um sich in der zeitgenössischen Malerei zu orientieren. Denn Personen mit diesen Namen sind auf den Bildern des Malers Gerhard Richter in der Nationalgalerie Prag zu sehen, die im Rahmen des Deutsch-Tschechischen Kulturfrühlings in Kooperation mit dem Goethe-Institut Prag stattfindet.

Mit einer Gerhard-Richter-Retrospektive zeigt das Goethe-Institut im Deutsch-Tschechischen Kulturfrühling die Bandbreite der Werke des Künstlers in der Nationalgalerie Prag – eine Ausstellungspremiere in Mittel- und Osteuropa.
Gerhard Richter lotet die Möglichkeiten der Malerei in allen nur denkbaren Richtungen aus und tastet sich bis in Sphären vor, in die sich viele seiner Kollegen nicht wagen. Der Besucher wird vielleicht überrascht sein, dass alle Exponate von ein und demselben Maler signiert sind – so verschieden sind seine Werke. Einzig einheitliches Element der Ausstellung ist die Farbe Grau, die Richter zufolge „die ideale Farbe für Gleichgültigkeit, Stille, Verzweiflung“ ist. Sie zeigt sich in ihrer Variabilität von einfarbigen Leinwandbildern bis hin zu intimen Porträts. Gesicht der Ausstellung ist Richters Tochter Betty – vom Titelbild von 1977 bis zu Richters ikonischem Werk von 1988, auf dem das Mädchen dem Betrachter den Rücken zuwendet und in Richtung der grauen Bildleinwand schaut.

Blick in die Vergangenheit

In manchen Fällen ist der kühne künstlerische Ansatz Richters auch auf Unverständnis und Kritik gestoßen, wie zum Beispiel bei seinem Bild „Onkel Rudi", das noch immer fast ausschließlich im Depositorium unter Verschluss ist. Das einzige Original Richters, das sich in der Tschechischen Republik befindet, hatte der Künstler der Gedenkstätte von Lidice gewidmet. Für Richter selbst handelte es sich dabei jedoch um ein ganz wesentliches Moment der Aufarbeitung seiner Familiengeschichte. Während sein Vater und sein Onkel bei der Wehrmacht dienten, wurde Richters an Schizophrenie leidende Tante Marianne Opfer der nazistischen Rassenhygiene. Das Bild „Herr Heyde" zeigt verschwommen das Gesicht des Psychiaters, der wesentlich an der Planung der systematischen Ermordung unschuldiger Menschen beteiligt gewesen war und dessen wahre Identität erst 1959 aufgedeckt wurde.
Gerhard Richter, Jiří Fajt und Dr. Berthold Franke Gerhard Richter, Jiří Fajt und Dr. Berthold Franke | Foto: Pavlína Jáchimová/Goethe-Institut Nach Ansicht von Jiří Fajt, Direktor der Prager Nationalgalerie, ist Gerhard Richter besessen davon, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Seien es eigene Erlebnisse oder Ereignisse, die ihn stark beeindruckten. Richter selbst will mit seinen Werken nicht didaktisch wirken. Er betont vielmehr deren humanistische Botschaft. Im Agneskloster in der Prager Altstadt sind vier abstrakte Gemälde Richters zu sehen, die nach der Vorlage von Fotografien aus dem Vernichtungslager Auschwitz entstanden sind.  Laut Richter lasse die Abstraktion den Betrachtenden die Bedrückung, die die Dokumentation der verübten Gräuel hervorrufen, besser reflektieren.  Bilder in der Ausstellung Bilder in der Ausstellung | Foto: Pavlína Jáchimová/Goethe-Institut Die Auswahl der Bilder und die Gesamtkonzeption der Ausstellung zeigt die Vielfalt des künstlerischen Ausdrucks Richters und sein Interesse an historischen Bezügen.
Er wurde damit zum Vorbild zahlreicher folgender Künstlergenerationen, was in besonderem Maße auf den Dresdner Künstler Eberhard Havekost zutrifft. Dessen Werk wird zeitgleich in einer großen Überblicksausstellung in der Prager Galerie Rudolfinum ausgestellt.
Klaus-Dieter Lehmann, Präsident des Goethe-Instituts, eröffnet den Deutsch-Tschechischen Kulturfrühling Klaus-Dieter Lehmann, Präsident des Goethe-Instituts, eröffnet den Deutsch-Tschechischen Kulturfrühling | Foto: Pavlína Jáchimová/Goethe-Institut