Marx Nace
Von wannen kömmt der Wind

Performance von Emilio García Wehbi und Maricel Àlvarez
Performance von Emilio García Wehbi und Maricel Àlvarez | Foto: Gustavo Gorrini

Karl Marx wird dieses Jahr 200. Im Vorfeld des Jubiläums organisierte das Goethe-Institut Buenos Aires gemeinsam mit dem argentinischen Nationaltheater Teatro Cervantes das Geburtstagsfest „Marx Nace“. Und das ließ die Texte des großen Denkers für sich selbst sprechen.

Der Tenor der vierzehnstündigen Aktion im Teatro Cervantes mit über 22 Veranstaltungen ist back to the roots. Zurück zu dem, was Marx wirklich geschrieben, gesagt, gelebt hat. Schon in den Tagen davor führten das unübliche Format und die Aufsehen erregende Werbekampagne zu kontroversen Diskussionen. Man hatte einen Nerv getroffen: „Sage du mir Sterblicher, von wannen kömmt der Wind, oder trägt Gott eine Nase im Gesicht und ich will dir sagen, was rechts und links sei. Nichts, als relative Begriffe“, schreibt Marx in „Skorpion und Felix“.

Programmheft von Marx Nace Programmheft von Marx Nace | Foto: Ailen Garelli

Ein junges Publikum

Es sind um die 5.000 Besucherinnen und Besucher, die über den Tag verteilt das vielfältige, von Fernando De Leonardis und Carla Imbrogno kuratierte Programm von kommentierten Lesungen über „marxianische Gespräche“ bis hin zu Performances seiner fiktionalen Texte und „proletarischen“ Konzerte in den Räumen des einzigen Nationaltheaters Argentiniens besuchen. Wer auf sein samstägliches Shopping- und Fernsehprogramm nicht verzichten will, erkundet die Bücherstände im Foyer oder sieht sich einen Teil des neunstündigen Filmwerks „Nachrichten aus der ideologischen Antike“ von Alexander Kluge an. Wem das zu lang ist, der begnügt sich mit den Kurz-Dokumentationen der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die die Aktion solidarisch mit unterstützt hat.

Pablo Nocera, einer der vielen renommierten Experten dieses Tages, die sich auch in ihrer täglichen Forschung mit Marx beschäftigen, spricht über Marx‘ junge Jahre und liest aus seinen „Deutsch-Französischen Jahrbüchern“. Was aber auffällt, ist, dass das Publikum keineswegs nur aus älteren Semestern besteht, wie es vielleicht in Deutschland zu erwarten wäre, sondern dass vor allem Jugendliche und junge Studierende diesen Raum bis zum letzten Stehplatz füllen.

Besucherinnen und Besucher von Marx Nace Besucherinnen und Besucher von Marx Nace | Foto: Gustavo Gorrini

Ein Mythos wird niedergerisseN

Auf Noceras Vortrag folgt der erste große Publikumsmagnet: Eine Marx-Lesung des Fernseh-Philosophen Darío Sztajnszrajber, durchsetzt mit Musik von Lucrecia Pinto und Band. Sztajnszrajber ist hier bekannt und sehr beliebt, seine Vorlesungen haben auf YouTube oft weit über hunderttausend Aufrufe; auch im Teatro Cervantes ist der große Saal mit rund 1.000 Plätzen gesteckt voll. Er hat sich vorgenommen, sämtliche Marx-Spektren zu dekonstruieren, in einer Art philosophischer Performance. Immer wieder spielt die Band krachende Rocksongs dazu.

Dass in einem Theater nicht nur viel gedacht, sondern auch gehandelt wird, zeigt der Themenblock „Spot on Marx“. Das Künstlerkollektiv La Columna Durruti präsentiert in einer komisch-skurrilen Performance die Fragmente der humoristischen Novelle „Skorpion und Felix“. Dabei wird eine lehmige, 57-Kilo schwere Marx-Büste mit frischem Gemüse bis zur Deformierung bearbeitet. Ein Mythos wird niedergerissen.

Darío Sztajnszrajber und Lucrecia Pinto auf der Bühne Darío Sztajnszrajber und Lucrecia Pinto auf der Bühne | Foto: Ailen Garelli

Die künstlerisch-kreative Seite von Marx

Ausgewählte Gedichte und Epigramme des jungen Karl Marx rezitiert die Autorin, Schauspielerin und Travestiekünstlerin Naty Menstrual, gefolgt vom Trio Vigna-Möller-Remec, das mit Gitarren- und Geigenmusik einen Teil des unvollendeten Theaterstücks „Oulanem“ vorstellt. Man kann annehmen, dass kaum jemand im Publikum diese künstlerisch-kreative Seite des Philosophen kannte, und so bilden die Performances inhaltlich und formal einen Kontrapunkt zu den diskursiven Veranstaltungen.

Am Ende öffnet sich der Vorhang noch einmal für ein Konzert der Tangogruppe 34 Puñaladas. Die Musiker interpretieren ausgewählte „proletarische“ Tangos, die einen passenden Schlusspunkt setzen. Es gibt verdienten Applaus für Marx und seine vielen Freunde. 


Den Text verfassten Ludwig zur Hörst und Carla Imbrogno