Familiensache: Familien im Wandel

Family Matters
© Gift Habeshaw

​Globale Umbrüche schlagen sich in afrikanischen Familien nieder. Migration reißt Familien auseinander und schafft neue transnationale Familien. Entfernungen mindern das Verantwortungsgefühl für die größere Verwandtschaft.

„Ich fahre dieses Jahr an Weihnachten nicht nach Hause. Es wird mir einfach zu teuer, für alle zu sorgen. Meine eigenen Kinder hier vor Ort haben auch Ansprüche.“ Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass eine Person mit festem Einkommen weit entfernte bedürftige Verwandte unterstützt. „Black Tax. Burden or Ubuntu?“ (Schwarze Steuer. Last oder Menschlichkeit?), eine von Niq Mhlongo herausgegebene Sammlung von Erfahrungsberichten schaffte es auf Südafrikas Bestseller-Liste und soll demnächst verfilmt werden.
 
„Ubuntu“ bedeutet in den Nguni-Sprachen des südlichen Afrika „Menschlichkeit“. Es drückt aus, dass der Mensch nur durch andere zum Menschen wird. Dieses Ideal hat Risse bekommen, weil der Zusammenhalt in den Familien nachlässt. Und weil der Bedarf wächst – durch Arbeitslosigkeit, durch teure Bildung, durch strukturelle wirtschaftliche Nachteile aus Kolonialzeit und Apartheid, etwa aufgrund von Landraub und Vertreibung. 
 
Neun Goethe-Institute in der Region Subsahara Afrika sammeln 2020 jeweils Geschichten von fünf unterschiedlichen Familienkonstellationen. Diese werden als Film, Hörstück oder Text aus der Ich-Perspektive erzählt. Alle 45 Familiengeschichten werden digital dokumentiert und eine Auswahl davon in einer Ausstellung aufbereitet. Dabei kommt auch die visuelle Familiengeschichte ins Spiel: Familienstücke aus dem Alltag, die über Generationen weitergereicht wurden und dadurch emotionale bedeutsam wurden (ein Gefäß, ein Kleidungsstück, ein Hocker), fotografische Schnappschüsse oder Hochzeitsfotos.  
 
Schaut man auf die Länder südlich der Sahara, sieht man große Unterschiede. Es gibt in einem Land Regenbogenfamilien, im anderen Land werden LGBTIQ kriminalisiert. Staaten greifen mehr oder weniger in Familienstrukturen ein: In einem Land zwingt der Staat unverheiratete Paare nach zwei Jahren des Zusammenlebens zur Eheschließung; Eigentums- und Erbrecht sind für polygame Familien teilweise staatlich geregelt, teilweise bleibt es der jeweiligen Tradition überlassen; das Mindestalter bei Eheschließung und Maßnahmen zur Familienplanung werden unterschiedlich gehandhabt.
 
Es gibt auch Gemeinsamkeiten: Familie ist nicht auf Blutsverwandte und Angeheiratete beschränkt, sondern offen für neue Mitglieder auf der Basis von Sympathie und Bedürftigkeit. Man verbringt viel Zeit mit der Familie und widmet ihr viel Aufmerksamkeit. Kinder wachsen bei Großeltern oder anderen Verwandten auf, während die Eltern Tausende von Kilometern entfernt leben und arbeiten.
 
Das Digitalprojekt „Familiensachen“ wird erzählen, wie afrikanische Familien heute leben und wie die Zukunft für Familien im 21. Jahrhundert aussehen könnte. Für mehr Informationen über das Projekt in anderen Regionen, besuchen sie diese Seite.