Interview
"Eine gute Werkstatt"

Thales Gayean im MNA
© Goethe-Institut Angola

Das Goethe-Institut unterstützt den Erhalt gefährdeter Objekte in der einzigartigen Sammlung des Museu Nacional de Antropologia (MNA) mit einer Ausbildungsmaßnahme von Mitarbeiter*innen des Museums und weiterer Kultureinrichtungen des Landes sowie durch den Aufbau einer Konservierungs- und Restaurierungsabteilung im Museum. Das Projekt wird zusammen mit dem Ethnologischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin durchgeführt und aus Mitteln des Auswärtigen Amtes gefördert. Nach pandemiebedingten Verzögerungen konnte jetzt der für das Projekt eingestellte Restaurator seine Arbeit im November aufnehmen.

Thales Gayean ist ein brasilianischer Restaurator und Historiker und hat für den Aufenthalt in Luana seinen Masterstudiengang in Museologie an der Universität von São Paulo (USP) unterbrochen. Er verfügt über Erfahrungen in verschiedenen Bereichen des Kulturerbeschutzes, z.B. bei der Inventarisierung von beweglichen Kulturgütern. Außerdem arbeitete er in mehreren Museumsprojekten zur Konservierung und Restaurierung in öffentlichen und privaten Institutionen. Noch vor dem Jahreswechsel konnte unter seiner Leitung die Ausbildung im Museum begonnen werden. Zu diesem Anlass haben wir unserem neuen Kollegen ein paar Fragen gestellt.


Wie haben Sie von dem Projekt erfahren und was hat Sie dazu bewogen, sich für die Stelle zu bewerben?

Mein erster Kontakt mit dem Projekt war eine Veröffentlichung der brasilianischen Vertretung des ICOM (International Council of Museums) in einem sozialen Netzwerk, in der die Stelle ausgeschrieben wurde. Für mich war es interessant, außerhalb von Brasilien zu arbeiten. Außerdem hat mir die Verbindung zwischen der Arbeit im Bereich Konservierung und Restaurierung einerseits und der Lehrtätigkeit andererseits gefallen. Denn ich habe bereits Erfahrungen in der Lehre gemacht, da ich einige Jahre als Lehrer an einer Fachschule, der Kunststiftung von Ouro Preto (FAOP), unterrichtet habe.


Könnten Sie ein wenig über den Bereich der Konservierung und Restaurierung erzählen und wie Sie dazu kamen, in diesem Bereich zu arbeiten?

Die Konservierung und Restaurierung ist das Wissensgebiet, das sich mit der Pflege und Restaurierung der so genannten materiellen Kulturgüter befasst, also mit Objekten und Materialien, die Zeugnis von der Geschichte, der Erinnerung und der Identität des Menschen, aber auch von der Entwicklung der Natur selbst und ihrer Beziehung zum Menschen ablegen. Diese Definition umfasst beispielsweise Skulpturen, Gemälde, Kleidungsstücke, Dokumente, Architektur, Gebrauchsgegenstände und vieles mehr.

Zum ersten Mal kam ich mit diesem Bereich in Kontakt, als ich die Gelegenheit hatte, als Praktikant in einem historischen Archiv zu arbeiten. Dort war ich für die Digitalisierung und Sicherung von Dokumenten aus dem 18. und 19. Jahrhundert zuständig. Das hat mein Interesse an dieser besonders greifbaren Dimension von Erinnerung in mir geweckt. Bald darauf erhielt ich ein Stipendium für ein Studium der Konservierung und Restaurierung an der oben erwähnten FAOP, das ich als Fachmann abschloss. Seitdem arbeite ich in diesem Bereich.


Welchen Bezug haben Sie zu Angola. Vielleicht sind Sie bei Ihrer bisherigen Arbeit schon mit der angolanischen Kultur in Berührung gekommen?

Meine Mutter ist Universitätsprofessorin und unterrichtete mehrere Jahre lang portugiesischsprachige afrikanische Literatur. Dadurch kam ich mit den Werken verschiedener angolanischer Autoren in Berührung. Das hat mich neugierig gemacht und den Wunsch in mir geweckt, die angolanische Kultur näher kennenzulernen.

Außerdem war ich Konservierungstechniker im Museo Afro Brasil in São Paulo, wo ich mit einer Sammlung zu tun hatte, die viele Verbindungen zu den Kulturen in Angola hatte, z.B. zu den Tchokwe und den Herero, aber auch zu Werken zeitgenössischer Künstler wie z.B. Yonamine.

Außerdem stamme ich aus einem Land mit starkem angolanischem Einfluss. Ich bin sehr stolz darauf, einen Beitrag für eine Schwesternation leisten zu können.


Wie planen Sie Ihre Ausbildung im MNA? Wie ist die Ausgangssituation? Ist es überhaupt möglich, in einem knappen Jahr ein umfassendes Wissen über die Konservierung in Museen zu vermitteln?

Die Ausbildung verbindet Theorie und Praxis und verfolgt zwei Ziele: die Stärkung des MNA als Institution und die Ausbildung der Experten, die Absolventen verschiedener mit dem angolanischen Kulturerbe verbundener Institutionen sind. Die Ausgangssituation ist anspruchsvoll: Es gilt, eine gute Restaurierungswerkstatt einzurichten und die Pflege der umfangreichen und sehr empfindlichen Sammlung des Museums zu unterstützen. Was die Wissensvermittlung angeht, glaube ich, dass eine breite Ausbildung möglich ist, wenn man bei der knappen Zeit und der Vielfalt der zu bearbeitenden Themen darauf verzichtet, alle Themen zu vertiefen.


Was ist neben der Ausbildung selbst für das nächste Jahr geplant? Wird es auch Möglichkeiten für die breite Öffentlichkeit geben, das Projekt kennenzulernen?

Wir planen, das Projekt nach Möglichkeit für ein immer größeres Publikum zu öffnen. Für das Jahr 2022 sind eine Reihe von Debatten über Museologie, Kolonialismus und die Rückführung von Kulturgütern sowie regelmäßige Workshops zu Themen der präventiven Konservierung von Kulturgütern geplant.


Wie bewerten Sie das Projekt im Kontext der Debatte über Restitution und die Geschichte kolonialer Sammlungen?

Ich glaube, dass das Projekt hier einen echten Mehrwert bringen und einiges erreichen kann. Was eventuelle Restitutionen betrifft, hatten wir ja schon eine wichtige Voraussetzung in den sehr guten Depoträumen, über die das Museum seit 2016 verfügt und in denen auch die die Konservierungswerkstatt untergebracht ist. Jetzt können sie mit der richtigen Ausrüstung und der Fortbildungen des technischen Teams, richtig in Betrieb gehen. Auf diese Weise ist es möglich, künftigen „Rückkehrern“ einen guten Empfang zu bereiten und gleichzeitig die bestehende Sammlung besser zu pflegen.

Die Geschichte der Sammlungen, die aus dem kolonialen Kontext stammen, ist ein Thema, das sowohl mit der Restitutionsdebatte als auch mit den hiesigen Sammlungen zusammenhängt. Das Verständnis und die Rekonstruktion der Herkunft der Stücke und der Entstehung der Sammlungen können ein neues Licht auf die Objekte selbst sowie auf ihren Werdegang werfen. Im Rahmen des Projekts ist eine Studie zur Museumsdokumentation geplant, die sich mit diesen Aspekten befasst und den derzeitigen Forschungsstand verbessern will.