Lueji Dharma

Portrait photo of Lueji Dharma
Susana Maria dos Santos © Goethe-Institut Angola

Die Autorin Lueji Dharma, die mit bürgerlichem Namen Cristina Câmara heißt, lebt und arbeitet als Architektin und zivilgesellschaftlich hochengagierte Stadtplanerin seit 2009 in Luanda.

Von Lueji Dharma, Barbara Mesquita und Arno Holl

Geboren wurde sie 1977, zwei Jahre nach der Unabhängigkeit Angolas und mitten in der blutigen Zeit der Niederschlagung des Putschversuchs vom 27. Mai, im Ort Calonda in der Provinz Lunda-Norte. Die gesamte Region des präkolonialen Lunda-Reichs, das den Nordosten von Angola und Teile der heutigen Demokratischen Republik Kongo umfasste, ist reich an Diamantenvorkommen.

Ihre Mutter gehört zur Ethnie der Baluba Chokwe, ihr Vater war Portugiese. Der auf der Insel Madeira geborene Vater Lueji Dharmas war nach seiner Zeit als Soldat im Krieg gegen die Unabhängigkeitsbewegungen in Mosambik und Angola in der Minengesellschaft Diamang tätig. Der Ex-Soldat hatte aber auch eine zarte Seite: „Wenn es ein Wort gibt, um ihn zu beschreiben, dann ist es verliebt in meine Mutter.“ Lueji beschreibt ihre Mutter als jemanden, der „die Leiden einer intelligenten Frau ohne Chancen erfahren hat.“. Die Mutter wurde früh Halbwaise und musste am eigenen Leib erfahren, was  ihrer Tochter zufolge auch heute noch einen großen Einfluss auf das Leben vieler Familien ausübt: In einer Zeit bewaffneter Konflikte zwang die Gewalttätigkeit ihrer Stiefmutter sie, das Haus zu verlassen.

Wie oft in solchen Fällen wurde das Stiefkind der Hexerei bezichtigt. Dieser Glaube durchzieht das gesamte Land, auch gebildete Menschen und einige Verantwortungsträger in hohen Positionen. Lueji Dharmas Mutter floh deshalb im Alter von zehn Jahren zu einer Schwester und heiratete früh. So entging sie zumindest dem Schicksal, das auch heute noch viele junge Mädchen in Lunda-Norte ereilt, die aus Mangel an Perspektiven als Prostituierte enden und viel zu früh Kinder bekommen. Vielleicht gerade weil ihr die Bedeutung von Bildung klar war, förderte sie gemeinsam mit Luejis Vater die Ausbildung und Unabhängigkeit ihrer Töchter. Der Vater schenkte Lueji voller Liebe Wörterbücher, Lexika und Bücher zu ihren Geburtstagen.

In eine Zeit der politischen Umbrüche und des nach der Unabhängigkeit entbrannten Bürgerkriegs in eine Familie mit so unterschiedlichen Wurzeln hineingeboren zu werden, hat Lueji Dharma und ihren Lebensweg nachhaltig geprägt. Im Alter von sieben Jahren schickten ihre Eltern sie aufgrund des andauernden Bürgerkriegs zu ihrer Großmutter nach Madeira. „Auf einen Schlag komme ich von einem Ort, wo man mich „Chimbawe“, die Weiße, nennt an einen anderen wo sie mir „Negerin“ nachrufen und mich verfolgen. Das ging soweit, dass man mich in der Schule verprügelt hat. Ich habe Gewalt erfahren, auf beiden Seiten.“

Auf Madeira entwickelte Lueji eine innige Beziehung zu ihrer Großmutter, einer sehr naturverbundenen Frau. Auch wurde sie von ihren Lehrern unterstützt, und der Anführer der Bande, die sie gemobbt hatte, wurde schließlich sogar ihr bester Freund. Trotzdem belastete sie die Trennung von ihrer Kernfamilie sehr, zumal sie als einzige von ihren Eltern fortgeschickt worden war, während ihre jüngeren Geschwister zu Hause bleiben konnten.

Diese Trennung endete erst, als die Eltern ebenfalls nach Madeira übersiedelten. Lueji Dharma war inzwischen Teenagerin und wohnte mit ihrer Großmutter in der Inselhauptstadt Funchal. Hier hatte sie Kontakt zu anderen Angolanern, zu Mosambikanern und Kapverdiern, und hier lernte sie auch die angolanische Handballspielerin Teresa und ihren Mann Vivaldo Eduardo kennen, die ihr den Roman „Lueji“ des Schriftstellers Pepetela schenkten.

Dieser erste Kontakt mit der angolanischen Literatur wurde zu einer prägenden Erfahrung für das junge Mädchen und zugleich der Grundstein für ihre schriftstellerischen Ambitionen. Cristina Câmara war begeistert von der historischen Vorlage für Pepetelas Roman, der Königin des Lunda-Reichs Lueji, deren Inthronisierung in der Geschichte einen Paradigmenwechsel darstellte, hatte doch ihr Vater sie anstelle eines seiner Söhne als seine Nachfolgerin bestimmt. Diese starke Frauenfigur, die sich gegen eine von Männern dominierte Gesellschaft behaupten konnte, nahm sie sich zum Vorbild und wählte später den Namen der Königin als Teil ihres Pseudonyms.

Eine Gesellschaft voller starker Frauen fand sie dann auch in Angola bei ihrer Rückkehr im Jahr 2006 vor. Ihre Eltern waren von dem Schritt, den sie vier Jahre nach Ende des Bürgerkriegs im Anschluss an ihre Schul- und Universitätsausbildung zu wagen beschloss, ganz und gar nicht begeistert. Ihre Mutter fürchtete, die Tochter werde die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Zustände in dem Land nicht unkommentiert hinnehmen. Mit den Verwandten, bei denen sie zunächst in Luanda unterkam, gab es ebenfalls Probleme. Lueji war in ihren Augen viel zu selbstbestimmt. Hier war es üblich, bei allen Entscheidungen die Familie zu konsultieren, und vor
allem musste die Frau sich dem Mann unterordnen.

In der großen Duldsamkeit der Frauen sieht die im katholischen Glauben aufgewachsene und zu einer auch vom Hinduismus beeinflussten Spiritualität gelangte Lueji Dharma (der zweite Teil ihres Pseudonyms kündet davon) einen Grund dafür, dass in der angolanischen Gesellschaft nicht noch mehr Gewalt und Elend herrschen als ohnehin. Sie erkennt in der Bereitschaft der Frauen, ihre trinkenden, schlagenden und sie betrügenden Männer klaglos zu Hause willkommen zu heißen eine bedingungslose Liebe, die für sie unter den schwierigen Lebensumständen der Bevölkerung den sozialen Zusammenhalt gewährleistet. Sie leisten das, was in anderen Ländern die Sozialversicherung übernimmt.

„Eine Frau hat immer Hoffnung, dass ihr Sohn sich ändern wird, egal, wie schlimm sie von ihm behandelt wurde. Das ist eine Art von Liebe. Und viele dieser Frauen, die ich bewundere, sind zu dieser fast bedingungslosen Liebe fähig. Ich denke, sie sind es, die die angolanische Gesellschaft erhalten. Wenn diese Gesellschaft weiterbesteht, dann wegen der Frauen.“ Umso bedauerlicher findet sie es, dass hohe Amtsinhaber, deren Mütter wie so viele Frauen den Lebensunterhalt der Familie als Zungueiras, Straßenverkäuferinnen, bestritten haben, offenbar über ein schlechtes Gedächtnis verfügen und diesen Berufsstand grausamer Behandlung durch Polizei und Handelsaufsicht aussetzen.

Bei ihrer Arbeit als Architektin und Stadtplanerin ist es Lueji Dharmas erklärtes Ziel, die Armenviertel, die Musseques, von Luanda wohnlicher zu gestalten und zu begrünen. Wo immer möglich sollen die Häuser der armen Familien nicht, wie oft, abgerissen, sondern eine Infrastruktur aufgebaut und Besitztitel vergeben werden. Große Hindernisse sieht sie hierbei in der mangelhaften Kartographierung der Außenviertel, dem Machismo der Männer, der Korruption, dem Analphabetismus und der Gleichgültigkeit vieler gegenüber den Ärmsten der Stadt. Dennoch sagt sie über ihre Arbeit: „Es ist ein Feld, das daran glaubt, dass es Platz für alle gibt.“

Darüber hinaus war sie drei Jahre ehrenamtlich in der Bewegung Lev’arte tätig. Dort entwickelte sie die „Mesa Bicuda“, ein Talkprogramm für Jugendliche aller Gesellschaftsschichten mit einflussreichen Personen aus Kunst, Fernsehen und Literatur. Als Mitglied der Brigada Jovem de Literatura de Angola (Junge Brigade der Angolanischen Literatur) half sie, die Jüngsten für die Bedeutung der Literatur empfänglich zu machen und unterstützte junge Dichter und Autoren bei der Veröffentlichung ihrer Werke. Im Moment engagiert sie sich bei „Standards da Gestão“, einem Projekt der Caritas Internationalis.

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