Sven Marquardt
Ich habe immer schon polarisiert

Sven Marquardt
Fotograf Sven Marquardt | © Ole Westermann

Unbestritten ist Berghain zu einer Pilgerstätte für Technofans aus aller Welt geworden und Sven Marquardt zu einer bekannten Medienpersönlichkeit sowohl in Deutschland als auch international. Weniger bekannt ist allerdings, dass Sven Marquardt auch ein ausgezeichneter Fotograf ist. 2016 präsentiert das Goethe-Institut seine Arbeit im Rahmen des Head On Festival in der Ambush Gallery in Sydney und in der Substation in Melbourne.
 

Du bist für zwei unterschiedliche Dinge bekannt: einerseits als Türsteher des Technoclubs Berghain, andererseits als Fotograf. Welcher dieser beiden Tätigkeiten widmest du mehr Zeit und gefällt dir eine der beiden besser?

Ich bin seit über 30 Jahren Fotograf, auch wenn ich Anfang der Neunziger meine Kamera für ein paar Jahre weglegte, war das der Beginn, in Berlins Clubleben einzutauchen - in einer Stadt, in der auf einmal alles möglich war, bedarf es der Kamera nicht mehr. Heute vergeht kaum noch ein Tag, der nicht etwas mit meinen Bildern zu tun hat. Verankert bin ich im Clubleben bis heute.

Analoge Bilder

Für deine Arbeit als Fotograf benutzt du analoges Equipment, fotografierst in schwarzweiß und arbeitest ausschließlich mit natürlichem Licht. Wieso hast du dich in unserem digitalen Zeitalter dafür entschieden?

Das digitale Zeitalter steht eben auch für Schnelllebigkeit, Austauschbarkeit und Bilderflut. Jeder kann jeden Moment des Lebens mit seinem Smartphone festhalten. Ich verlasse nach einem Shooting das Set - in meiner Tasche die belichteten Filme. Die Spannung auf das Ergebnis bleibt dann noch ein paar Tage erhalten - in der heutigen Zeit beinah ein Luxus. Während des Shootings, von 5000 geknipsten digitalen Bildern 4999 für scheiße zu befinden und gleich wieder zu löschen - nicht mein Ding!
 
Deine Memoiren Die Nacht ist Leben entstanden in einer kreativen Zusammenarbeit mit Judka Strittmatter, der Enkelin des legendären ost-deutschen Schriftstellers Erwin Strittmatter. Bitte beschreibe diese Zusammenarbeit etwas näher.

Ich lernte Judka Strittmatter bereits vor ein paar Jahren kennen. Sie schrieb damals ein Porträt über mich für eine große Berliner Tageszeitung. Wir verstanden uns gut und ihre familiäre Herkunft war mir ziemlich schnuppe. Für Die Nacht ist Leben gingen wir noch einmal auf eine Reise. Neun intensive Monate, die eine Menge Emotionen und Erinnerungen mit sich brachten. Mein Wunsch war von Anfang an ein ost-deutscher Autor. Irgendwie spricht man doch mehr eine Sprache. Frau Strittmatter war die richtige Wahl.
 
Sowohl in den deutschen Medien als auch weltweit wurde bereits ausführlich über dich berichtet. Unter anderem veröffentlichte das Boulevard-Blatt BILD detaillierte Informationen über dein berufliches sowie privates Leben. Hat sich dein Leben seit diesen Veröffentlichungen verändert?

Kurz vor dem Erscheinen meiner Autobiographie war ich schon ziemlich nervös. Wie wird die Öffentlichkeit meine Geschichte aufnehmen? Was ist wenn das, was da steht, überhaupt niemanden interessiert? Wenn mich heute irgendwo auf dieser Welt wildfremde Menschen ansprechen, die meine Bilder sahen und von meiner Geschichte hörten oder lasen, dann ist das ein gutes Gefühl. Dennoch! Ich war immer ein Mensch der polarisiert. Damit kann ich ganz gut leben.

Pilgerstätte Berghain

In einem Artikel der New York Times wird Berghain für deutsche Electro-Fans der als das beschrieben, was für Opernliebhaber Bayreuth ist, während The Guardian über eine App namens „Wie kommt man ins Berghain“ berichtet. Als Türsteher siehst Du die Leute, die hoffen, in den Club zukommen. Wie hat sich die Klientel seit den Anfangstagen verändert?

Das Clubpublikum ist natürlich längst „the next Generation“ und spiegelt auch immer ein Stück Zeitgeist wider. Clubleben hat wohl stets auch etwas Autonomes und Unabhängigkeit geht wohl am besten mit der Jugend einher. Irgendwann folgen neue Lebensmodelle und neue Wege. Für mich ist das Lebensgefühl nachfolgender Generationen bis heute sehr inspirierend.
 
Wir freuen uns, dich und deine Arbeit bald auch dem australischen Publikum zu präsentieren. Warst du schon einmal in Australien? Was denkst du erwartet dich in Sydney und Melbourne?

Australien fühlt sich nach Abenteuer an! Es ist mein erster Besuch und wohl die weiteste Reise meines Lebens. Die Tatsache, in zwei Metropolen gleichzeitig auszustellen, ist eine Herausforderung! Ich liebe Herausforderungen und freue mich sehr über diese Einladung.