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Bicultural Urbanite Luke
Der Traum von Weißer Weihnacht

Luke Troynar macht Urlaub in Kitzbühel
© Luke Troynar

Einer meiner schönsten Eindrücke als australischer Expat in Deutschland war die verschneite Weihnachtszeit, eine Disney-artige Freude, die die globale Erwärmung aus dem modernen Leben in Berlin auszurotten scheint.
 

Von Luke Troynar

Es ist wieder soweit: Die Temperaturen sind gesunken, die Tage kurz und die Weihnachtsbeleuchtung in der ganzen Stadt erstrahlt. In diesem klassischen Saisonbild fehlt jedoch ein Motiv: Schnee. Strahlender, herzerwärmender Schnee. Zugegeben, der ständig launische Wettermann konnte noch nie die Weiße Weihnacht garantieren, die sich Bing Crosby wortwörtlich in seinem Erfolgslied von 1942 wünscht. Aber inmitten unserer modernen Klimakrise bekommen Crosbys wehmütig gesungene Texte eine ganz neue Bedeutung.
 
Meine Liebe zum Schnee ist seit langem ein Reibungspunkt unter meinen deutschen Freunden. Was für einen australischen Expat eine urige Neuheit ist, die die bittere Kälte der Berliner Winter erträglich macht, ist für Deutsche lediglich ein übliches Ärgernis, das dreckige Straßen und ständiges Ausrutschen mit sich bringt. Letzten Endes sind die Deutschen mit dem Zeug aufgewachsen, das jedes Jahr wie gewohnt aus dem Himmel fällt.

Ich erinnere mich an einen verschneiten Abend mit einer deutschen Freundin in meinem ersten Winter 2010/11, in der die Berlinerin von meiner Verzauberung von dem, was sie im Grunde als schmutzigen gefrorenen Regen ansah, verwirrt war. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass Schnee Jahr ein Jahr aus kein normaler, wenn auch ein wenig unangenehmer Teil des Lebens ist.

einsamen Flöckchen

Neun Jahre später, und Schnee ist für alle in Berlin zu einer Besonderheit geworden. Laut worldweatheronline.com hatte der Höhepunkt der kalten Jahreszeit 2010 in Berlin, im Januar 22 Tage lang Schneefall mit sich gebracht, mit einem Durchschnitt von 8,6 Zentimetern. Im vergangenen Jahr schneite es im gleichen Zeitraum nur 8 Tage, mit einem mageren Durchschnitt von 1,6 Zentimetern. Schneefall-Grafik von der Website worldweatheronline.com Der Rückgang der Schneefälle in Berlin in den letzten 10 Jahren war dramatisch | © World Weather Online Dies fühlte sich in der Innenstadt jedoch noch weniger an. Die wenigen einsamen Flöckchen, die sich gelegentlich blicken ließen und vom Himmel schwebten, verdampften größtenteils, bevor sie überhaupt die Chance hatten, den Boden zu berühren. Und jetzt, wo der Dezember bereits schon dem Ende entgegen geht, sieht es so aus, als werden die Straßen der deutschen Hauptstadt wieder unheimlich kahl bleiben.

Zugegebener Maßen bin ich kein Experte für Klimawandel, aber wenn ihr nicht gerade Mitglied des Kabinetts von Donald Trump seid, werdet ihr dieses Phänomen wahrscheinlich als alarmierende Beschleunigung der globalen Erwärmung ansehen. In einem Artikel der Deutschen Welle aus dem vergangenen Jahr wird erläutert, wie „unverhältnismäßig warme“ Temperaturen in Deutschland tatsächlich zu weniger Schneefall im ganzen Land führen. Berlin's Maybachufer in the winter time Am Berliner Maybachufer liegt eine dünne Schneeschicht auf dem Boden | © Luke Troynar

gefrorene Nostalgie

Es ist beängstigend zu vermuten, dass die Tage Berlins, die sich in regelmäßigen Abständen in ein strahlendes Winterwunderland verwandeln - und die damit einhergehende unnachahmliche Stille der Nachbarschaft, die von frisch gefallenem Schnee herrührt - sich wie eine ferne Erinnerung anfühlen.
 
Die Schnelligkeit dieses Wandels, seit meinen ersten Wintern hier, erfüllt mich mit nostalgischen Gedanken an frostigere Zeiten, und ganz offen gesagt, beängstigt es mich auch ein wenig. Wenn die Dinge so weitergehen, sagt die örtliche Website voraus, wird Berlin in den nächsten 30 Jahren „so heiß wie Australien“ sein - eine Aussicht, die das Träumen von einer Weißen Weihnacht eher wie das Warten auf ein Weihnachtswunder erscheinen lässt.

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