Future Perfect
Eine bessere, grünere Zukunft

One Central Park Sydney
© Wesley Nel

Ein verlassenes Brauereigelände im Herzen von Australiens größter Stadt lebt wieder auf und ist auf dem besten Weg, zum Vorzeigeprojekt der Stadt zu werden.

Als Stuart White damals nach Sydney zog, konnte er den Hopfen riechen, wenn er mit dem Fahrrad an der „Carlton United“-Brauerei vorbeifuhr. Heute empfängt den Professor dort der Blumenduft des höchsten vertikalen Gartens der Welt.

In einem eindrucksvollen Beispiel für städtische Erneuerung beherbergt das 170 Jahre alte Brauereigelände mit seinen schmutzigen, dunkelroten Ziegeln und hoch aufragendem Kamin heute eine glänzende, moderne Struktur, die für ihre Umweltfreundlichkeit international ausgezeichnet wurde, darunter auch mit dem Titel „Bestes Hochhaus“ der Welt 2014. „Es ist zu einem neuen Tor zur Stadt geworden“, konstatiert Nachhaltigkeitsspezialist Professor White.

Ein Pub Crawl ins 21. Jahrhundert

Das alte Brauereigelände erstreckt sich über beinahe sechs Hektar innerstädtisches Sydney. Das ehemals etwas düster wirkende, ummauerte Grundstück umgab seit der Schließung der Brauerei im Jahr 2003 eine Aura der Verlassenheit. Bauunternehmer wollten das Gelände neu beleben, aber gegen die Pläne regte sich Widerstand und das Projekt kam im Land- und Umweltgericht zum Stillstand.

2007 wurde das Land jedoch von Frasers Property & Sekisui House gekauft, einem Wohnungsbauunternehmen mit einer Tradition umweltfreundlichen Bauens. Zu diesem Zeitpunkt stießen auch White und sein Team vom Institut für Nachhaltige Zukunft (Institute of Sustainable Futures) an der University of Technology Sydney zu dem Projekt.

Ihre Aufgabe war es, die vorhandenen Ressourcen möglichst effizient zu nutzen, um einen nachhaltigen und lebenswerten städtischen Bezirk zu schaffen. Dabei richteten sie ihr Augenmerk nicht nur auf das Niedrighalten von Kosten und Umweltauswirkungen, sondern auch auf soziale und kulturelle Faktoren. Nicht von ungefähr gehört zu One Central Park auch ein öffentliches Kunstprojekt im Wert von mehreren Milliarden Dollar.

Visuell eindrucksvoll

Das erste, was einem auffällt, wenn man sich dem Gebäude nähert, ist der funkelnde Heliostat. An einem Freiträger neben den oberen Stockwerken sind Hunderte von Spiegeln angebracht. Sie reflektieren Sonnenlicht in Bereiche, die sonst im Schatten liegen würden, darunter ein Fußgängerkorridor, das Einkaufs-Atrium und ein Außenpool.

Nachts zeigt der Heliostat eine LED-Installation des Lichtkünstlers Yann Kersalé. Der Künstler beschreibt sein Werk Miroir de Mer als „Symbol des Meers in der Stadt“. Und auf dem Dach des Gebäudes befindet sich ein Freiluftgarten, der jedoch nur einen kleinen Teil der Pflanzen beherbergt, die das Gebäude zieren.

Die Natur erobert ihr Revier zurück

One Central Park kann sich mit dem höchsten vertikalen Garten der Welt brüsten. Gestaltet von dem französischen Landschaftskünstler Patrick Blanc, bedecken grüne Wände 1.200 Quadratmeter der Fassade, vom Gehweg bis ganz nach oben zum 33. Stock.

Hängende Gärten fallen kaskadenförmig die Seiten des Hochhauses hinunter. Mehr als 70.000 Pflanzen halten das Gebäude kühl, sparen Energie und speichern Kohlendioxid in ihren Blättern. Professor Whites Team schätzt, dass die grünen Wände pro Jahr 225 Kilogramm CO2 binden.

Die Vegetation an einem Gebäude, das traditionell ein kahles städtisches Hochhaus wäre, lässt an alte Sciencefiction-Filme denken, in denen die Natur ihr Revier gegen das Voranschreiten der Moderne zurückerobert. Das herabhängende Grün macht die Konturen sanfter, und die Blumen, die zu unterschiedlichen Zeiten im Jahr blühen, sorgen für ein sich ständig veränderndes Bild.

 

 
  • The distinctive profile of One Central Park. © Wesley Nell
    The distinctive profile of One Central Park.
  • The mirrors that bring sunlight to the otherwise shady areas are prominent. © Wesley Nel
    The mirrors that bring sunlight to the otherwise shady areas are prominent.
  • The inner courtyard goes by Main Park. © Wesley Nel
    The inner courtyard goes by Main Park.
  • Plenty of green can also be found inside the building. © Wesley Nel
    Plenty of green can also be found inside the building.
  • The hanging gardens of One Central Park: The view from Broadway. © Wesley Nel
    The hanging gardens of One Central Park: The view from Broadway.
  • Twilight at One Central Park. © Wesley Nel
    Twilight at One Central Park.
  • Professor Stuart White. © Wesley Nel
    Professor Stuart White.
  • The red brick structure of Carlton United Brewery. © Wesley Nel
    The red brick structure of Carlton United Brewery.
  • The brewery also borders Main Park, diagonally across from One Central Park. © Wesley Nel
    The brewery also borders Main Park, diagonally across from One Central Park.

Alles nutzen

Aber einige der beeindruckendsten Nachhaltigkeitsaspekte des Geländes sind nicht auf den ersten Blick sichtbar. Während die französische Designgruppe Ateliers Jean Nouvel an den grünen Wänden arbeitete, berieten Professor White und sein Team die Bauherren zu diesen unsichtbaren Aspekten. So befindet sich beispielsweise unter dem Keller des Gebäudes eine Abwasserbehandlungsanlage mit einer Kapazität von einer Million Litern.

Neben Regenwasser sammelt das Wasserleitungsnetz auch von Dach und Parkhaus abfließendes und anderes Abwasser. In einem Klärprozess stellt die Anlage „gereinigtes“ Wasser her, das für etwa 50 Prozent des täglichen Nicht-Trinkwasserbedarfs genutzt werden kann, darunter Toiletten, Waschmaschinen, Bewässerung und Feuerbekämpfung.

Das Green Building Council Australia verlieh One Central Park fünf grüne Sterne – die höchste Bewertung, die je für ein Wohngebäude vergeben wurde. Für Romilly Madew, die Vorstandsvorsitzende des Councils, ist die wohl weltgrößte ‚Membranbioreaktor‘-Wasseraufbereitungsanlage eines der beeindruckendsten Elemente des Bauprojekts. Der Reaktor halbiert den Trinkwasserverbrauch und stellt so eine neue Bestmarke für wassersensitives Design auf.

Ein Gebäude mit positiver Energie

Aber die Expertin für Nachhaltigkeit ist auch von dem zum Gelände gehörenden Kraftwerk beeindruckt. „Die Trigenerationsanlage von Central Park kann über ihre 25-jährige Lebensdauer die Treibhausgasemissionen um bis zu 190.000 Tonnen verringern – das entspricht über 25 Jahre hinweg pro Jahr 2.500 weniger Autos auf den Straßen“, erklärt Madew.

Trigeneration bedeutet, dass das gasbetriebene Werk Strom erzeugt, die dabei erzeugte Abwärme für Heißwasser nutzt und zu guter Letzt dieses heiße Wasser mithilfe einer Absorptionskälteanlage in gekühltes Wasser umwandelt. In Zukunft könnte das Werk zudem lokal produziertes Biogas als Treibstoff verwenden.

„Bei einem normalen Generator bekommen Sie nur den Strom und verschwenden zwei Drittel des Energiegehalts“, erklärt Stuart White. Und dadurch, dass das Werk vor Ort ist, müssen keine dicken Kabel gelegt werden, um Strom aus weit entfernten Kraftwerken herbeizuschaffen. Dies reduziert nebenbei auch die Anfälligkeit der Stromversorgung. Und abgesehen von der Versorgung der 3.000 Wohnungen und 65.000 Quadratmeter Einzelhandels- und Gewerbefläche in den 14 Gebäuden des Bauprojekts kann der vom Werk produzierte Strom zudem in benachbarte, nicht zum Gelände gehörende Gebäude exportiert werden.

 

Erneuerung

Die Trigenerationsanlage liegt zwei Stockwerke unter dem Boden und nutzt den alten Brauereiturm als Kraftwerkschornstein – ein Beispiel für das Recycling- und Restaurierungskonzept, das ein weiteres grünes Merkmal des Projekts darstellt. Wichtige denkmalgeschützte Gebäude aus der industriellen Frühzeit der noch jungen australischen Kolonie blieben erhalten.

Statt einem verlassenen Brauereigelände ist One Central Park heute ein cooler städtischer Bezirk, der Apartments, Büros, Geschäfte, Restaurants und einen öffentlichen Park vereint. Er zieht in der Innenstadt Beschäftigte ebenso an wie Künstler, und für internationale Studierende ist das Gelände aufgrund seiner Nähe zu zwei der größten Universitäten der Stadt attraktiv.

„Das Projekt hat eine ins Vergessen geratene Ecke der Innenstadt von Sydney von Grund auf verändert. Das Gelände ist heute ein bunter Bezirk mit einem lebendigen Straßenbild und bringt die Leute in diesen Teil der Stadt zurück“, lobt Madew das Projekt.