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1:1 Concerts
„Es ist ein Konzert für unsere Zeit“

1:1-Konzert in den Gärten des Old Parliament House in Australien
Mit freundlicher Genehmigung: National Capital Authority, Canberra, Australia

Seit der weltweiten Ausbreitung des Coronavirus boomt die Idee von personalisierten Konzerten, die Mitte 2019 in Deutschland ihren Anfang nahm. Flötistin Sally Walker, die die Auftrittsreihe für Australien organisiert hat, erzählt im Gespräch mit dem Goethe-Institut, worum es dabei geht und wie es Musikschaffenden in Not hilft.

Die australische Musikerin Sally Walker lebte 10 Jahre lang in Deutschland, wohnte in Köln und Leipzig und trat mit einigen der besten Orchester Deutschlands auf. Sie hätte wohl kaum vermutet, dass ihre Verbindung zu diesem Land für ihren Umgang mit COVID-19 dieses Jahr eine wichtige Rolle spielen würde.

Aber nach einem Facebook-Kontakt mit einem ehemaligen deutschen Kollegen brachte die Flötistin 1:1 Konzerte in Australien ins Rollen, eine einzigartige Idee, bei der ein einzelner Musiker in einem nicht-traditionellen Rahmen ein privates Konzert für einen einzigen Zuhörer gibt. Nicht nur ist das so COVID-sicher, wie das bei normalen Konzerten derzeit nicht möglich ist, die Zuhörer*innen berichten auch, dass das Ganze ein zutiefst berührendes Erlebnis ist. Flötenspielerin Sally Walker Flötenspielerin Sally Walker | Foto: Keith Saunders

In der Tat hat sich die Idee der 1:1 Concerts, seit die Reihe in Deutschland Mitte letzten Jahres begann, wie ein „positives Virus“ über den Globus ausgebreitet, von Frankreich bis Indien, von den USA bis Japan. Das bei den Konzerten eingenommene Geld, das aus Spenden stammt, wird dazu verwendet, hilfsbedürftigen Musikschaffenden in den jeweiligen Ländern zu helfen.

Sally Walker sprach mit André Leslie, Online-Redakteur des Goethe-Instituts Australien, über das Konzept und wie es dazu kam.

Woher stammt die Idee für die 1:1 Concerts?

Die Idee stammt von der großen serbischen Performancekünstlerin Marina Abramović, insbesondere ihren Ideen aus einem Projekt namens Anders hören an der Alten Oper Frankfurt, beim dem es um die Verbindung zwischen Menschen und die sakralen Aspekte menschlichen Erlebens ging. Christian Siegmund, einer der drei Initiator*innen der 1:1 Konzerte, assistierte ihr bei diesem Projekt, er hatte also engen Kontakt mit ihren philosophischen und künstlerischen Ideen.

Die drei deutschen Initiator*innen sind die Flötistin Stephanie Winker, die Bühnenbildnerin Franziska Ritter und Christian Siegmund. Die drei entwickelten die folgende Formel für Eins-zu-eins-Konzerte: ein 10-minütiges Konzerterlebnis, ein Musiker, ein Zuhörer, in einem nicht-traditionellen Konzertraum, der von einem Rechteck markiert wird. Es war ein Weg, live aufgeführter Musik das Sakrale zurückzugeben. Seinen Anfang nahm das Konzept bei einem Festival im thüringischen Volkenroda im europäischen Sommer 2019, noch vor der Pandemie. Als dann die Pandemie kam, war es ein COVID-sicheres Konzert, das es den Leuten ermöglichte, während der Pandemie Live-Musik zu erleben. Das Konzept boomte international, man könnte sagen, dass es sich ausbreitete wie ‚ein positives Virus‘ – ein Virus des Guten, um das andere Virus wettzumachen, von dem wir alle hoffen, dass es verschwinden wird. Wie sich herausstellte, hatte das Konzept eine sehr eindringliche Wirkung auf die Zuhörer*innen, weil sie sich nicht beobachtet fühlten. Die Konzerte kosten keinen Eintritt, die Zuhörer*innen werden jedoch zu einer Spende ermuntert, um Musikschaffende zu unterstützen, die ihre Arbeit verloren haben. Im deutschen Fall ist das der Nothilfefonds der Deutschen Orchesterstiftung, in Australien ist es Freelance Artists Relief Australia (FARA), das von der Sopranistin Nicole Car gegründet wurde. Musikdarbietung von Sally Walker unter freiem Himmel in der Nähe von Newcastle Musikdarbietungen unter freiem Himmel sind Teil der Attraktivität der 1:1 Concerts | Foto: Greg Kerr Was wollen die Konzerte im weiteren Sinne erreichen?

FARA versucht im Moment tatsächlich einfach nur, Musikschaffende über Wasser zu halten. Es geht um Nothilfe für Lebensmittel und Miete, weil eine ganze Reihe freiberuflicher Künstler*innen ja bereits seit 8 Monaten keinerlei Einkommen mehr hat. Die Lage ist also für viele von ihnen ziemlich hart. Statt die Leute nur um eine Spende zu bitten, versuchen wir, ihnen ein ganz besonderes Erlebnis zu verschaffen, das auch diese Verbindung zwischen Publikum und Künstler*in wiederherstellt, die wir über den Bildschirm natürlich verloren haben.

Was macht diese Konzerte neben ihrem Eins-zu-eins-Charakter noch anders?

Die Person bucht online für eine Zeit und einen Ort. Die Gastgeberin trifft sie vor dem Konzertort und ermöglicht ihr eine kurze Ruhepause allein für sich, um psychologisch wirklich vorbereitet zu sein, wie wir das womöglich sonst nicht schaffen, wenn wir uns für ein normales Konzert mit Freund*innen treffen und in letzter Minute in den Saal eilen. Hier handelt es sich wirklich um eine ganz andere, spirituelle Situation.

Im Konzertraum stehen zwei Stühle bereit, auf dem einen sitzt die Musikerin und auf dem anderen Stuhl nimmt die Zuschauerin Platz. Dann kommt eine Minute Blickkontakt. In dieser Minute versucht die Künstlerin, für diese Zuhörerin in diesem Moment das richtige Programm zu finden, das nie wiederholt werden wird. Die Zuhörerin lässt in dieser Minute ihre Umgebung auf sich wirken, die häufig optisch sehr schön oder interessant ist, sowie wer ihre Musikerin ist, und stimmt sich auch auf das Geben und Nehmen ein, die Kommunikation, die zwischen Musikerin und Zuhörerin wortlos vor sich geht. Dann trifft die Musikerin ihre Wahl und spielt die nächsten neun Minuten lang – manchmal ein langes Stück, manchmal zwei oder drei kürzere Stücke oder Lieder. Am Ende gibt es nochmals einen kurzen Blickkontakt und die Gastgeberin kommt in den Raum und führt die Zuhörerin hinaus. Die Zuhörerin erhält dann ein Formular zum Ausfüllen, auf das sie schreiben kann, was sie ihrer Musikerin gerne sagen würde, und das ist immer sehr, sehr bereichernd. Gleichzeitig schreibt die Musikerin die für diese spezielle Zuhörerin ausgewählten Stücke auf ein Formular, auf dem sich auch Informationen dazu finden, wie man spenden kann. Dann tauscht die Gastgeberin die beiden Formulare aus und das ist das Ende des Konzerterlebnisses.

Warum, glauben Sie, war das hier und auf der ganzen Welt ein derartiger Erfolg?

Ich denke, es ist ein Konzert für unsere Zeit. Die Menschen fühlen sich momentan verletzlich und bei diesem Konzertmodell geht es nur um einen Zuhörer und einen Musiker, die diese sehr private und in manchen Fällen tiefgreifende Erfahrung teilen. Wir haben für nächstes Jahr bereits eine Warteliste angefangen. Ich glaube, als sich das erst einmal herumsprach, fanden viele Leute, dass das ein wirklich schönes Geschenk wäre. Ich denke, die Menschen sind im Moment nicht in der Stimmung, sich materielle Dinge zu schenken. Die Leute wollen etwas, mit dem sie sich besser fühlen. Ich würde sagen, dass momentan 90% unserer Buchungen für jemand anders sind. Das ist wirklich auffällig. Es ist aber auch wirklich ein schönes Geschenk. Barockgeigerin Simone Slattery tritt in der Christ Church Cathedral in Newcastle auf Barockgeigerin Simone Slattery tritt in der Christ Church Cathedral in Newcastle auf | Foto: Jen Hankin Was sagen die beteiligten Künstler*innen über diese Erfahrung?

Sie empfinden sie als sehr sinnstiftend. Es ist für sie sehr emotional, tatsächlich wieder für eine Person zu spielen, wo man tatsächlich die Reaktion sieht, wo man zuschauen kann, wie sich das, was man mit seiner musikalischen Idee aussendet, im Gesicht von jemandem widerspiegelt, der zwei Meter von einem entfernt sitzt. Das ist sehr eindringlich. Wenn man auf der Bühne ist, bekommt man ein Gefühl dafür, ob ein Publikum mitgeht oder ob es abgeschaltet hat. Aber man hat nicht dieses Gefühl, sich 10 Minuten lang ganz intensiv um eine Person zu kümmern.

Für uns ist es auch ein Stück Abstand vom Lampenfieber. In einem großen Saal sind natürlich Fans da, aber wahrscheinlich auch Kritiker*innen, und vielleicht tauchen auch eigene Schüler*innen auf. Man hat das Gefühl, wirklich sehr, sehr gut spielen zu müssen. Ein Konzert wie dieses dagegen hat das Ziel, eine Verbindung herzustellen: jemanden zu bewegen, ihm oder ihr ein wirklich schönes Erlebnis zu verschaffen. Es geht tatsächlich nur um den Zuhörer und nicht um den Künstler. Ich denke, manche unserer nervöseren Künstler*innen haben tatsächlich sehr davon profitiert, sich einfach nur mit dem Geist und der Quintessenz der Musik zu beschäftigen, ohne das Gefühl, dass eine Beurteilung nötig ist. Es ist ein gegenseitiges Nicht-Urteilen. Der Zuhörer wird nicht verurteilt, wenn er weint, was übrigens die meisten tun. Das können sie auch gerne. Was uns betrifft, haben wir, wenn wir etwas spielen und uns vielleicht ein kleiner Fehler unterläuft, nicht das Gefühl, dass es womöglich in der Zeitung stehen wird.

Für mehr Informationen zu den geplanten 1:1 Concerts Aufführungen in Australien klicken Sie bitte hier.

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