Kurator trifft Kreative
Sinnlichkeit der Luft: Outside_In

Cloudscapes
© Frank Ockert

Für die Ausstellung ‚Dynamics of Air‘ arbeitete Dr. Malte Wagenfeld mit der Klimatechnik-Firma ‚Transsolar‘ am Projekt ,Outside_In‘. Als Teil der Ausstellung wird es in der Galerie eine Erlebnisumgebung geben, die mikroklimatische Wahrnehmungserfahrungen simuliert, wie man sie sonst im Freien antrifft – etwa einem Park, einem Wald, einem Strand oder einer Kombination dieser Umgebungen.

Von Dr. Malte Wagenfeld

Mein erstes Treffen mit Thomas Auer und seinem Team fand im September 2017 im Hauptsitz von Transsolar am grünen Stadtrand von Stuttgart statt. Damals diskutierten wir die Idee, gemeinsam ein Projekt für diese Ausstellung zu entwickeln. Ich stellte meine Forschung zur ‚Ästhetik der Luft‘ vor und erwähnte meine Faszination mit der Frage, warum sich die Luft draußen so anders anfühlt als drinnen. Das mag selbstverständlich klingen, keine große Einsicht, ist aber tatsächlich extrem schwer zu quantifizieren.

Die Dynamik und Vergänglichkeit von Mikroklimata und -phänomenen faszinieren mich. Man denke nur schattige und sonnige Stellen, wenn man unter oder zwischen Bäumen spazieren geht, oder wie es sich anfühlt, wenn man unter einem Baum einen Flecken mit kühler, feuchter Luft vorfindet, bevor man in strahlende Wärme tritt. Wenn man die Natur von etwas so scheinbar Unscheinbarem wie einer Brise untersucht, stellt man fest, dass sich ihre Richtung und Intensität ständig ändern; sie ist aperiodisch und zeitlich vollkommen unvorhersagbar. Am überraschendsten aber ist, dass sie unglaublich lokalisiert ist. Ein einfaches Beobachtungsexperiment belegt dies: Wenn man die Blätter an einem Baum studiert, wird man feststellen, dass ein Blatt in der Brise flattern kann, während sein direkter Nachbar vollkommen regungslos ist.

Cloudscapes © Tetsuo Kondo
Ausgehend von diesen Anfangsgedanken schlug ich vor, eine Erlebnisumgebung zu gestalten, die diese Erfahrungen irgendwie in einem Galerieraum erfasst. Thomas war von der Idee sofort begeistert und erwähnte eine Installation namens Reversío, die sie kürzlich für die Expo for Design, Innovation & Technology (EDIT) im kanadischen Toronto fertiggestellt hatten. Thomas stellte mich seinem Kollegen Tommaso Bitossi vor, der gerade aus Toronto zurückgekehrt war. Eine der Haupteinsichten betraf die zentrale Rolle, die die akustische Umgebung spielt. Im Freien gibt es keine Schallreflektion, die in Innenräumen stets präsent ist. Durch den Einsatz von wiederverwerteten akustischen Absorbern war das Team in der Lage, diese akustische Wahrnehmung zu simulieren.

Aber während die Reversío-Installation in Toronto eine Reihe natürlicher Systeme und Vegetation einsetzte, um eine Umgebung zu schaffen, die an ein Gewächshaus oder einen Regenwald erinnerte, wird Outside_In für Dynamics of Air deutlich anders ausfallen. Die visuelle Umgebung wird stark gedämpft und beinahe neutral sein, es soll keine visuellen Hinweise darauf geben, welche Wahrnehmungserlebnisse man in den unterschiedlichen Teilen des Galerieraums antreffen kann. Es soll eine überwältigende körperliche Erfahrung von Brisen, Temperaturveränderungen: strahlende Wärme, abwechselnde Stellen mit warmer und kühler Luft, Luftfeuchtigkeit, feuchter und trockener Luft, Gerüchen und so weiter sein.

MikroklimaTA in einem Galerieraum erzeugen

Während sich die Besucher durch den Raum bewegen, treffen sie auf verschiedene Mikroklimata, und diese Mikroklimata selbst werden ständig vergehen und sich verändern. So eine Umgebung in einer Galerie zu schaffen, bedeutet zahlreiche Herausforderungen. Zunächst muss die Galerie als Gebäude vollständig klimatisiert sein, die Installation muss also mit dieser Realität arbeiten und die kühle, trockene Luft nutzen, um einen Teil des Systems zu betreiben. Wärmepumpen, UV-Lampen, Nebelmaschinen, Luftbefeuchter und Ventilatoren, die alle von Mikroprozessoren und eigens programmierten Algorithmen gesteuert werden, tragen das Ihre zum Gesamterlebnis bei.
Cloudscapes © Transsolar
Das größere Ziel, sowohl für Transsolar als auch für mich selbst, liegt darin, solche Umgebungen mit dynamischen Innenraum-Mikroklimata durch den Einsatz passiver Strategien und erneuerbarer Energien zu schaffen und so eine neutrale Netto-Kohlenstoffbilanz zu erreichen. Aber das ist bei dieser Installation nicht das übergreifende Interesse, denn schon allein die Tatsache, dass wir in einem klimatisierten Raum arbeiten müssen, macht dies unmöglich. Was wir hier also untersuchen, ist die Frage: Wie generieren wir drinnen das Erleben jener dynamischen und vorübergehenden Phänomene, die wir sonst draußen antreffen?

Outside_In ist ebenso sehr Experiment wie künstlerische Installation. Der nächste Schritt wäre dann, zu untersuchen, wie man ein solches Projekt unter Einsatz nachhaltiger und passiver Designstrategien in einem eigens für diesen Zweck gestalteten Gebäude – neu oder nachgerüstet – aufbauen könnte.

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