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Endlich wieder Zuhause

Rückführungsflug für Deutsche Urlauber in Peru
Rückführungsflug für Deutsche Urlauber in Peru | © Ulrike Keil

Nachdem Corona zum globalen Problem wurde, leiteten Regierungen auf der ganzen Welt Rückführungsbemühungen ein, um Tausende im Ausland gestrandete Urlauber wieder nach Hause zu bringen. Auch meine zwei Freunde Nik und Ulli waren von Grenzschließungen betroffen, als das Virus nicht nur Grenzen, sondern das komplette öffentliche Leben lahmlegte. Beide meldeten sich daraufhin beim Auswärtigen Amt an, um sich zurückholen zu lassen.

Von Brianna Summers

Als Nik nach New York City flog, konnte er nicht ahnen, dass es schon bald zum Epizentrum des US-Coronavirus zählen würde. Zwei Tage nach seiner Ankunft schloss Amerika seine Grenzen und somit wurde auch sein Rückflug gestrichen. Anfangs war er noch richtig begeistert, da er es ins Land geschafft hatte um seine Freundin zu besuchen, und damit sogar eine legitime Ausrede hatte, länger zu bleiben, als ursprünglich geplant.

Nik posiert im verlassenen Washington Square Park, die leere 5th Avenue im Hintergrund
Nik posiert im verlassenen Washington Square Park, die leere 5th Avenue im Hintergrund | © Nik Bielinski
Nik brauchte noch nicht mal eine gute Entschuldigung für seinen Chef in Berlin, denn bereits ein Tag nachdem sein Flug gecancelt worden war, las er auf WhatsApp, dass das von ihm gemanagte Hostel auf absehbare Zeit geschlossen wurde und jetzt sogar sein Job auf dem Spiel stand. Die Aussicht nach so vielen Jahren über Nacht entlassen zu werden, drängte das aktuelle Drama, im Ausland gestrandet und dem Coronavirus ausgesetzt zu sein, in den Hintergrund. „Das war jetzt erstmal meine größte Sorge, dass ich zurückkomme und nicht weiß, ob ich überhaupt noch einen Job habe oder nicht “, sagt er.

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Als Manhattan zu einer Geisterstadt wurde, in der ausschließlich „Obdachlose und Millionäre“ zu leben scheinen, war Nik damit beschäftigt, sich mit Lufthansa herumzuschlagen. Nachdem sein Flug wiederholt umgebucht und schlussendlich storniert worden war, entschloss er sich dazu, seinen Namen in die Krisenvorsorgeliste (elektronische Erfassung von Deutschen im Ausland) auf der Website des Auswärtigen Amtes einzutragen. Kurzum erhielt er eine automatische E-Mail-Antwort und sonst nichts. Der Online-Service schien völlig überfordert zu sein.

Nik steckte bereits seit zwei Wochen fest, als er mir folgende kryptische SMS schickte: „Bin bereits seit 24 Stunden wach und habe ein Bier gefrühstückt.“ Dank Lufthansa hat er das große Los gezogen - er war am Flughafen und obwohl sein Flug eigentlich komplett überbucht war, hatte er es irgendwie doch noch geschafft, ein Ticket zu bekommen.

Ulli im Paradies, bevor sie merkte, dass sie dort festsaß
Ulli im Paradies, bevor sie merkte, dass sie dort festsaß | © Ulrike Keil
Zwischenzeitlich wanderte meine Freundin Ulli auf der südlichen Hemisphäre durch Peru, als „im Paradies die Bombe einschlug“. Sie schwenkte sich in glückseliger Unwissenheit und hatte überhaupt keine Ahnung was sich grade in den Medien abspielte, bis sie dann am 15. März die Pressemitteilung des Präsidenten im Fernsehen sah: Peru würde am folgenden Tag seine Grenzen zu Europa für mindestens einen Monat schließen.

Kein Weg zurück


Die darauffolgende Panik zog mit unterschiedlicher Geschwindigkeit durchs Hostel: „Einige Leute waren super gechillt, verdächtigt gechillt. Eine Gruppe Franzosen ging sofort in einen Entspannungsmodus über, kaufte zwei Flaschen Whisky und mehrere Flaschen Wein, und genossen diese zusammen mit ihren Gauloises… während ich wie ein in Panik geratenes Huhn um sie herumflatterte und versuchte, irgendwie meinen Weg wieder aus dem Land zu finden.“. Ulli googelte vergeblich Flüge nach Berlin und kaufte sich ein überteuertes Ticket, das jedoch schon bald wieder storniert wurde, als Grenzen auf der ganzen Welt geschlossen wurden.

Am nächsten Tag schlug dann die zweite Bombe ein - das ganze Land ging in eine 14-tägige, kriegsähnliche Sperre. Wie viele andere Touristen hat auch Ullis Reise sie nach Lima verschlagen, und erst später stellte sie fest, dass dies nicht unbedingt die beste Entscheidung gewesen war. „In Lima lief dann alles schief. Das Militär brachte den Flughafen zum Stillstand und ab dann war null und gar nix mehr erlaubt“.

Die anfängliche Erleichterung in ein schickes Hostel in der Hauptstadt einzuchecken hielt leider nicht lange an, als bereits kurz darauf die Polizei eintraf, um die Details des Lockdowns zu erklären: Die Gäste durften nur ihre Zimmer verlassen, um Lebensmittel zu kaufen, und die Gemeinschaftsküche wurde auf weiteres geschlossen. Der Gedanke daran, zwei Wochen lang in einem Schlafsaal im Doppelstockbett zu liegen und fertiges kaltes Essen zu essen, war schlichtweg unerträglich.

Schnell bildeten sich kleine Grüppchen ängstlicher Urlauber, und Ulli klammerte sich an eine „vielversprechende Gruppe junger, energiegeladener Menschen mit einem Laptop“, die ihre AirBnB-Mitbewohner wurden. Die fünf Europäer verbrachten ihre Zeit im peruanischen Big Brother Haus mit Videochats, Kochen und Netflix und füllten unzählige Anmeldeformulare für die Rückholung aus. Vor der Wohnung patrouillierten bewaffnete Polizisten und Militär die Straßen.

"Formulare ausfüllen wurde zu meinem neuen Hobby"


Die zahlreichen, hastig vorbereiteten Rückholungswebsites stürzten immer wieder ab und wurden schließlich zu einem einzigen Portal namens Rueckholprogramm.de zusammengefasst. Auch das Auswärtige Amt schickte jeden Tag einen „unglaublich transparenten und ehrlichen“ Newsletter raus, auch wenn es keine neuen Entwicklungen gab. „Das habe ich dennoch sehr geschätzt, weil es mich psychologisch etwas entlastete“, sagt sie.
Lima im Lockdown: Keine Seele in Sicht
Lima im Lockdown: Keine Seele in Sicht | © Ulrike Keil
Die Wohnung war bereits komplett leer, als auch Ulli dann endlich ihren „Lottoschein für den goldenen Rückholungsflug“ erhielt. Sie nahm ein Taxi zum Militärflughafen von Lima und hielt einen Transportgenehmigungsschein und andere offizielle Unterlagen der Bundesregierung in der Hand, die ihr die Erlaubnis gaben, sich frei zu bewegen und ihren Flug zu nehmen.

"Die [deutsche] Regierung war in ihrem Vorgehen so gründlich, dass sie die einzigen waren, die sich um all den Papierkram kümmerten, der für eine Rückreise erforderlich war... keine der anderen Nationalitäten brauchten das“, sagt sie. Nachdem die gestrandeten Reisenden durch eine provisorisch errichtete Abflughalle auf dem von Soldaten und Spürhunden übersäten Flugfeld wanderten, stiegen sie dann endlich ins Flugzeug ein und hoben auch sofort ab, und zwar „Zack-zack, im deutschen Stil!"

Angesichts der Komplexität und der Kosten der Rettungsaktion ist es erstaunlich, was die Bundesregierung kurzfristig organisiert, finanziert und durchführte. Familien und Menschen mit bereits bestehenden Erkrankungen wurden priorisiert, Verträge mit Fluggesellschaften und ausländischen Behörden abgeschlossen und bisher wurden über 240.000 deutsche Staatsbürger wieder nach Hause gebracht. Hoffentlich wird uns das jetzt für mindestens 100 weitere Jahre erspart bleiben.

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