Neuerscheinung
Bernhard Holtermann: Ein Leben mit vielen Kapiteln

Bernhard Holtermann und andere Goldgräber in Hill End
Bernhard Holtermann (zweiter von links) und andere Goldgräber in Hill End | Copyright: Chris Dingle / Foto: State Library of NSW

Der in den späten 1850er Jahren als deutscher Migrant nach Australien gekommene Bernhard Holtermann war ein Mann mit vielen Talenten – vom Politiker bis zum Goldgräber. Ein neues Buch des deutschen Journalisten Christoph Hein dokumentiert sein abwechslungsreiches Pionierleben und zeigt Holtermanns berühmte Fotosammlung in ihrer ganzen Pracht.

Von André Leslie

Auch wenn er sich zum Politiker im Staatsparlament hocharbeitete, um die Welt reiste, um ein Loblied auf die Fortschritte seiner neuen Heimat zu singen, und seine eigenen „lebenserhaltenden Drops“ entwickelte, wird Bernhard Holtermann in Australien stets in erster Linie für seinen denkwürdigen Goldfund, das Holtermann Nugget, bekannt bleiben.

Das berühmte Foto des zierlichen Deutschen, der neben dem 286-Kilogramm-Klumpen Gold steht, ist in der Holtermann Collection zu sehen, die sich in der State Library of New South Wales befindet. Trotz ihres Namens wurden die meisten der 3500 Fotos der Sammlung von den Fotografen Charles Bayliss und Beaufoy Merlin aufgenommen. Einige stammen womöglich auch von Holtermann selbst, der ein lebenslanger Bewunderer neuer Technologien war.

Bernhard Holtermann posiert mit dem berühmten Holtermann-Nugget
Bernhard Holtermann posiert mit dem berühmten Holtermann-Nugget | Foto: State Library of New South Wales
Christoph Heins neues Buch Australien 1872: Wie ein Deutscher sein Glück fand und Fotogeschichte schrieb erzählt die Geschichte von Holtermanns Leben und zeigt bisher unveröffentlichte Fotos aus jener Zeit. Hein sprach mit André Leslie, dem Online-Editor des Goethe-Instituts Australien, über Holtermann und die Entstehung des Buchs.

Nachdem er mit Anfang 20 aus Hamburg nach Australien kam, scheint sich Bernhard Holtermann an zahlreichen Aspekten der australischen Gesellschaft aktiv beteiligt zu haben. Würden Sie ihn als Multitalent bezeichnen?

Ja, er war sehr vielschichtig, und manche lagen mit ihrer Meinung über ihn eindeutig falsch. Der berühmte australische Künstler Donald Friend schrieb sehr negativ über ihn, er sei arrogant und zu selbstsicher. Das erfordert eine sehr eigene Lesart der Aufzeichnungen und Dokumente, die uns aus jener Zeit vorliegen. Ich teile diese Ansicht offensichtlich nicht.

Ich denke, Holtermann wusste immer, wie er sich mit dem, was er tat, einen Vorteil verschaffen konnte, aber das ist in Ordnung, denn er tat wirklich viel zum Wohl der Allgemeinheit. Er warnte die Leute davor, Anteile an Minen zu kaufen, die später scheiterten, auch wenn er selbst mit seinen Anteilen an diesen Minen sehr reich wurde. Aber er sah voraus, dass sie irgendwann scheitern würden. Er wurde gewählter Politiker, setzte sich auf dieselbe Art, wie wir das heute tun könnten, für Einwanderung ein und hatte sehr fortschrittliche Ansichten. In den 1880er Jahren spendete er einen Teil seines Vermögens für den Bau einer Brücke, die später die Sydney Harbour Bridge wurde. Ja, er achtete auf seinen eigenen Vorteil, aber er hatte auch immer die Allgemeinheit im Sinn. Ich denke, das kann man heute mit Bestimmtheit sagen.

In Australien und insbesondere in Deutschland scheint es, als seien Holtermanns Leistungen etwas in Vergessenheit geraten. Würden Sie das auch so sehen?

Ich sehe das absolut so. In Australien haben wir die Leute im Holtermann Museum in Gulgong und die in der Provinzstadt Hill End in New South Wales, die noch in diesem Geist leben. Es gibt zudem ein paar neue, jüngere australische Künstler*innen, die mit den Fotos in der Holtermann Collection arbeiten. Der in Sydney lebende Künstler Chris Dingle leistet beispielsweise beim Kolorieren dieser Fotos Fantastisches. Es ist unglaublich, was man in diesen Bildern sieht, wenn man anfängt, sie zu kolorieren.
Chris Dingles neu kolorierte Bilder zeigen Australiens Goldrausch-Ära in ihrer ganzen Pracht
Chris Dingles neu kolorierte Drucke in Heins neuem Buch zeigen Australiens Goldrausch-Ära | Copyright: Chris Dingle für Gulgong Holtermann Museum
In Deutschland ist Holtermann überhaupt nicht bekannt. So stieß ich beispielsweise in einem Hamburger Museum auf ein Fotoalbum mit Bildern, die wahrscheinlich Bayliss für Holtermann machte. Sie hatten das Album zwar, aber niemand wusste wirklich, was es war oder wie es dorthin gelangt war. Wenn man Holtermanns Spuren folgt, stößt man auf Dutzende solcher Geschichten. Es ist unglaublich, dass man ihn einfach überhaupt nicht kennt. Es war definitiv an der Zeit, dass jemand für ein deutsches Publikum über ihn schrieb. In Australien gab es einige Veröffentlichungen über ihn und ein paar Expert*innen wissen sehr viel über Bayliss und Holtermann, aber viele dieser Publikationen veralten jetzt langsam. Für dieses Buch konnte ich viel in Deutschland, auf Deutsch, recherchieren, was bedeutet, dass es für australische Leser*innen neue Informationen bereithält.

Fotos scheinen für Holtermann sehr wichtig gewesen zu sein. Trotz der vielen verschiedenen Dinge, die er in seinem Leben machte, hat man den Eindruck, dass seine wahre Leidenschaft der Fotografie galt.

Ich denke, das ist richtig. Holtermann scheint sehr an neuer Technologie interessiert gewesen zu sein, er war Unternehmer. Er wollte die Nachricht davon, wie weit die Kolonie Australien damals entwickelt war, in die ganze Welt hinaustragen – und tat das auch buchstäblich. Australien war nicht mehr nur ein Ort für ehemalige Gefangene. Der beste Weg, das zu zeigen, war damals über Fotos. Fotografie war für ihn das richtige Instrument, um von Australien zu erzählen, und das tat er auch. Er gründete zudem ein Pharmaunternehmen und war im Import-Export der neuesten Maschinen tätig. Holtermann hatte immer einen guten Riecher für jede Chance, sich stärker zu profilieren. Er wurde berühmt, aber er wurde dadurch berühmt, dass er Australien dankte und der Welt zeigte, wie fortschrittlich das Land in den 1870er und 1880er Jahren war.

Er und der berühmte australische Fotograf Beaufoy Merlin, der ebenfalls stets auf der Suche nach den neuesten Trends war, hatten eine großartige Partnerschaft. Die beiden arbeiteten gut zusammen, sie waren Geistesverwandte. Holtermann freundete sich immer mit Leuten mit Fähigkeiten an, die er gerade brauchte. In dieser Hinsicht war er sehr clever.

Was, glauben Sie, können wir heute von Bernhard Holtermann lernen?

Journalist Christoph Hein
Journalist Christoph Hein | privat
Niemand kann sich heutzutage sein ganzes Leben lang auf nur einen Beruf verlassen, es heißt, man müsse bereit sein, alle fünf Jahre etwas anderes zu machen. Holtermann wäre das perfekte Beispiel dafür. Er war alles Mögliche, und er war im wahrsten Sinne des Wortes ein Brückenbauer zwischen Europa und Australien. Er war ein Mann mit vielen Talenten und sehr mutig. Mehrfach war er dem Tod sehr nahe. Er wusste nie, ob er finanziellen Erfolg haben oder verarmt sterben würde. Er verließ Europa per Schiff, als er 20 Jahre alt war, ohne jede Ahnung, ob er es nach Australien schaffen würde, und er sprach damals kein Wort Englisch. Er stürzte sich da einfach hinein.

Sein berühmter Goldfund ist ein gutes Beispiel. Sein lebenslanger Freund (und Geschäftspartner) Louis Beyers war nicht in Hill End, als das Gold ausgegraben wurde, und Holtermann schlief, als seine Leute es fanden. Aber es war immer als Holtermann Nugget bekannt. Das ist nicht ganz richtig. Sie hätten es zumindest Holtermann Beyers Nugget nennen sollen. Genauso ist es mit der Fotosammlung, sie trägt Holtermanns Namen. Er war daran interessiert, machte wahrscheinlich einige der Fotos, und er finanzierte sie. Diejenigen, die die Fotos machten, waren jedoch Bayliss und Merlin, aber nach ihnen heißt sie nicht. Es besteht kein Zweifel, dass sich der Mann gut verkaufen konnte.

Christoph Hein ist der Asien-Pazifik-Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Sein Buch Australien 1872: Wie ein Deutscher sein Glück fand und Fotogeschichte schrieb ist auf Deutsch und Englisch erhältlich.

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