Ausstellung UN-WAR SPACE: PRAXEN MULTIPERSPEKTIVISCHER ERINNERUNG

CAN’T YOU SEE THEM? - REPEAT. (2019) Clarissa Thieme

Do, 28.04.2022 –
Di, 31.05.2022

18:00 Uhr

Goethe-Institut Sarajevo Hauptsitz

CAN’T YOU SEE THEM? - REPEAT. (2019)

Mit der Installation „Un-War Space“, konzipiert von der bosnisch-hezegowinischen Architektin und Wissenschaftlerin Armina Pilav mit Fotografien von Zoran Kanlić aus der Kriegszeit, dem die Ausstellung gewidmet ist und zwei Videoarbeiten der Berliner Künstlerin Clarissa Thieme, entstanden aus Filmmaterial der Bibliothek Hamdija Kreševljaković Video Arhiv, erinnert das Goethe-Institut an den Beginn der Belagerung von Sarajevo 1992-1996 vor 30 Jahren.
Die Ausstellung der künstlerischen Archivarbeiten wird von Danijela Dugandžić kuratorisch betreut und mit einer Paneldiskussion eröffnet.



In der Paneldiskussion zur Ausstellungseröffnung am 28. April werden sich Zeitzeug*innen aus Kultur und Medien sowie Gegenwartskünstler*innen, über die katalysatorische Wirkung des Lebens in der belagerten Stadt auf das kreative Schaffen und die Archivierung von Erinnerung mit künstlerischen Mitteln austauschen. Diskutieren werden: Nihad Kreševljaković, Mitbegründer des Hamdija Kreševljaković Videoarchivs und Leiter des Internationalen Theaterfestivals MESS, die Berliner Künstlerin Clarissa Thieme und Armina Pilav vom Un-War Space Lab.
Die Ausstellung wir von Danijela Dugandžić, Leiterin des Vereins für Kultur und Kunst CRVENA, kuratiert.
 
Armina Pilav ist Architektin, Forscherin und Dozentin an der Abteilung für Landschaftsarchitektur an der Universität Sheffield, UK und  Mitglied der NGO für Kultur und Kunst CRVENA in Sarajevo.
Ihre Arbeiten wurden auf den Architekturbiennalen von Venedig (2014, 2018) ausgestellt. Für ihr Forschungsprojekt zu Un-War Space erhielt sie das Marie-Curie-Stipendium.
Die Ausstellung Un-War Space ist Teil ihres Forschungsprojekts über die Verflechtungen von Krieg und „Nicht-Krieg“. Sie zeigt Räume, körperliche Anpassungen und menschliche Beziehungen, die darin entstehen, sowie die Aneignung von Überlebenswissen am Rande der militärischen und zivilen (Re-)Aktionen während der Belagerung von Sarajevo (1992-1996). Das performative Archiv besteht aus zwei speziell dafür konstruierten Metallboxen, durch die der Betrachter 30 Jahre nach Beginn der Belagerung von Sarajevo im "Zeitalter des planetarischen Bürgerkriegs" (Hito Steyerl, 2017.), der Massenmigration und wachsenden Ungleichheiten, über den Krieg in Sarajevo reflektieren kann. Es beinhaltet zahlreiche Video- und Tondokumente, Fotos und architektonische Zeichnungen sowie das Un-War Lexikon. Letzteres fungiert als Denkmaschine, die Zeugnis davon ablegt, wie Bürger*innen während der Belagerung von Sarajevo durch räumliche (Re-)Aktionen und (Um-)Nutzung verfügbarer Materialien den Krieg „rückgängig“ machten. Dabei bleibt das Un-War-Lexikon absichtlich unvollendet, um immer neue Zeugnisse aufzunehmen und die Notwendigkeit eines kollektiven (Um-)Denkens über die politische Einordnung des Krieges in Sarajevo oder jedes anderen gewaltsamen Konflikts aufzuzeigen.
Die Installation Un-War Space ist ein kollektives Kunstwerk von Ana Dana Beroš, Rafaela Dražić, Miodrag Gladović, Matija Kralj und Mauro Sirotnjak konzipiert von Armina Pilav.
 
 
Clarissa Thieme ist eine Berliner Künstlerin und Filmemacherin, deren Arbeiten von Fotografie, Film/Video über Installation, Performance sowie Text reichen. Thieme spürt häufig den identitären Implikationen von Erinnerungsprozessen und der Rekonstruktion kollektiver Traumata nach. Ihre Praxis ist forschungsbasiert und oft kollaborativ. Sie studierte Medienkunst an der Universität der Künste (UdK) Berlin, hat Diplome in Kulturwissenschaft und Ästhetischer Praxis (Universität Hildesheim) und ist Research Alumni des Berlin Center for Advanced Studies in Arts and Sciences (BAS).
Seit Anfang der 2000er Jahre beschäftigt sich Thieme kontinuierlich in mehreren Arbeiten mit dem Auseinanderbrechen Jugoslawiens, der Rolle der Internationalen Gemeinschaft sowie der Aufarbeitung und den Spätfolgen der Jugoslawienkriege. In enger Zusammenarbeit mit Nedim Alikadić und Nihad Kreševljaković entwickelte sie die Videoarbeiten TODAY IS 11TH JUNE 1993 (2018) und CAN'T YOU SEE THEM? - REPEAT. (2019), die beide auf Archivmaterial des Videoarchivs Hamdija Kreševljaković basieren, einer Sammlung von Videos einer Gruppe junger Sarajevoaner, die während der Belagerung ihrer Stadt zum einen ihren Alltag filmten und zum anderen künstlerische Kurzfilme realisierten. Beide Arbeiten treten in einen Dialog mit den künstlerischen Ideen der Archivvideos aus den 1990er Jahren und übertragen diese in die Gegenwart. Sie sind Teil der Archivinitiative IZMEĐU NAS / BETWEEN US von Clarissa Thieme und Nihad Kreševljaković, die darauf abzielt, die Öffentlichkeit mit dem Videoarchiv Hamdija Kreševljaković in Kontakt zu bringen. Die Initiative regt an, mit dem Archivmaterial temporäre Foren zu schaffen, in denen persönliche Erinnerungen und vielfältige Perspektiven auf den Bosnienkrieg innerhalb und außerhalb des ehemaligen Jugoslawiens in Austausch treten können.

IN MEMORIAM
ZORAN KANLIĆ 1954 - 2020



Er widmete sein Leben der Fotografie. Er arbeitete im Vorstand bei den Olympischen Winterspielen 1983 und 1984 in Sarajevo. Er fotografierte für CD-Cover, arbeitete für die deutsche Agentur Bus und war Fotograf am Set von Ademir Kenovićs Film „Perfect Circle“. Er war einer der ersten Fotoreporter der Zeitschriften „Slobodna Bosna“ und „Dani“. Als offizieller Fotograf des Kammertheaters 55 verewigte er mit seinen Fotografien die meisten der wichtigsten Stücke während der Belagerung der Stadt. Er hat an zahlreichen Kampagnen mit verschiedenen Agenturen gearbeitet, aus den Bereichen Tourismus, Sport, Mode usw. Am produktivsten war er jedoch, als er während des Krieges seine eigene Kunst mit erheblichem künstlerischen Gewicht schuf. In den schwierigsten Zeiten gelang es ihm, die Essenz der menschlichen Natur durch seine Linse zu vermitteln und lebendige, magische und surreale Fotografien zu schaffen, die sein Publikum bis heute auf besondere Weise berühren. Während seiner Karriere organisierte er eine Vielzahl von Fotoausstellungen, sowohl in Sarajevo als auch in ganz Europa. Eine der letzten großen Ausstellungen war „NSK State of Sarajevo“ im Historischen Museum. Die Ausstellung war dem Auftritt der Gruppe Laibah 1995 in Sarajevo gewidmet, wo er als einziger Fotograf anwesend war. Er war Mitglied von ULUPUBIH.

Zurück