Schreibresidenz
Eine Republik von Künstlern in Ouaga

Schreibwerkstatt Burkina Faso
© Goethe-Institut

 

Im Jahr 2019 hat das Goethe-Institut Burkina Faso einen Aufruf zur Einreichung von Projekten für ein Schreibresidenzprogramm in Ouagadougou veröffentlicht. Drei Jahre später wurden im Rahmen dieses Programmes mehrere Künstler mit innovativen und engagierten Projekten empfangen, die den Menschen, die Geschichte, die Gegenwart und die Zukunft relevant hinterfragen. Ein Rückblick auf diese neue Republik von Künstlern.
 

Das Goethe-Institut Burkina Faso hatte einen guten Riecher, als es das einmonatige Schreibresidenzprogramm mit Mentoren, die die Künstler bei der Ausarbeitung ihrer Werke begleiteten, ins Leben rief, denn es kommt einem Bedürfnis nach: dem Bedarf an kreativen Räumen auf dem Kontinent für junge Afrikaner. Der Wunsch nach Kreativ-Residenzen auf dem Kontinent und die Zahlen sprechen für sich: 455 Bewerbungen aus 39 afrikanischen Ländern.

Die Jurymitglieder Monique Ilboudo, Schriftstellerin und Akademikerin aus Burkina Faso, Etienne Minoungou, Dramatiker und Regisseur aus Burkina Faso und die Schriftstellerin und Übersetzerin Wangui Wa Goroa aus Kenya, hatten die schwierige Aufgabe, aus den zahlreichen Bewerberinnen und Bewerbern neun Künstler auszuwählen. Es ging dabei für die Jury um die Auswahl von Werken, die nicht nur eine gewisse künstlerische Qualität aufweisen, sondern auch innovativ sind und gesellschaftlich relevante Fragestellungen aufgreifen. Neun Künstler aus den vier Regionen des Kontinents, die in verschiedenen Gattungen wie Märchen, Erzählung, Kurzgeschichte, Theater und Comic schreiben, wurden für drei Residenzen ausgewählt, nämlich der Ägypter Rasha Azab, der Sambier Masiyaleti Mbewe, die Uganderin Gloria Kiconco, der Südafrikaner Eliot Moleba, die französisch-beninische Laeïla Adjovi, der Togolese Adotevi -Akue Adokoé, der Sierra-Léonier Yarri Kamara und die Burkinabé Eric Kabré und Paul Zoungrana.

Jede Residenz beinhaltet Sitzungen mit Mentoren, die Experten auf den verschiedenen Gebieten des künstlerischen Schaffens sind, und eine freie Schreibzeit. Neben den drei Jurymitgliedern gehörten der Geschichtenerzähler KPG, Kientega Pingdéwindé Gérard, die Kurzgeschichtenautorin Edwige Renée Dro, der Kunstkritiker Alcény Barry und der Schriftsteller und Herausgeber Troy Onyango zu den Mentoren. Diese interessante Zusammensetzung der Mentoren ermöglichte es, kritische Blicke aus verschiedenen Bereichen des kreativen Schreibens zu bündeln und die Künstler in ihrem schöpferischen Prozess zu begleiten.

Während der Mentoring-Sitzungen stellen die Künstler ihre Projekte vor, erläutern die Schwierigkeiten, mit denen sie konfrontiert sind, und führen gemeinsam mit den Mentoren einen Prozess der Befragung und der Erarbeitung von Vorschlägen durch. In der Art der sokratischen Mäeutik, einer bestimmten Dialogtechnik, hilft der Mentor dem jungen Künstler sich sicher in dem neuen kreativen Terrain seiner Wahl zu bewegen. Dabei geht es nicht nur darum, den kreativen Prozess, die Konstruktion der Figuren, die Strukturierung des Werks, die Kunst des Erzählens und die Positionierung des Werks zu hinterfragen, sondern auch einen Diskurs darüber zu erarbeiten. Kurz gesagt, die Mentorensitzungen eröffnen dem Künstler neue Möglichkeiten, beeinflussen aber nicht seine Entscheidungen. Vielmehr helfen sie ihm, thematische, ästhetische und ethische Überlegungen zu vertiefen.

Nach den ersten Tagen in der burkinischen Hauptstadt beziehen die Künstler ihr Quartier. Entweder im Village Opéra in Ziniaré, einem baulichen Wunderwerk von traditionelle afrikanischer Architektur inspiriert, welches von dem deutschen Regisseur Christoph Schlingensief entworfen und dem deutsch-burkinischen Architekten Francis Kéré gebaut wurde, oder auf der Napam Beogo Agrarfarm in Koubri. In diesen vom Stadtlärm geschützten Umgebungen, zwischen dem silbrigen Glanz von Granitgeröll und dem Grün der üppigen Vegetation, finden junge Künstler die Inspiration für ihre Meisterwerke.
 

Eklektizismus der Themen und Dialog der Gattungen

Am Ende dieser drei Residenzen können wir sagen, dass die Früchte das Versprechen der Blumen gehalten haben. In drei Bereichen hat das Goethe-Institut tatsächlich Erfolg gehabt. Erstens hat es dazu beigetragen, die sprachliche Ghettoisierung zu durchbrechen, indem es Künstler aus verschiedenen Sprachräumen aufnahm und so eine Brücke zwischen französisch- und englischsprachigen Künstler schlug, die sonst kaum einen gemeinsamen Raum haben.

Zweitens hat sie allen literarischen und künstlerischen Gattungen einen gemeinsamen Residenzort überlassen. Dies ermöglichte einen Dialog zwischen Fotografen, Comiczeichnern, Erzählern, Kurzgeschichten- und Theaterautoren und brach die Unterscheidung zwischen großen und kleinen Künsten auf – durchaus überholte Kategorien im zeitgenössischen Kunstschaffen.

Schließlich beweist diese Initiative des Goethe-Instituts, dass eine Politik des kreativen Schreibens möglich ist, eine Gemeinschaft, in der junge Autoren und Mentoren an einem Ort der Kreativität zusammentreffen. In der Tat entzünden diese drei Elemente zusammen das heilige Feuer der Kunst so wahrhaftig, wie das Reiben von zwei Feuersteinen im Stroh eine Flamme entzündet.

Die Leiterin des Goethe-Instituts, Carolin Christgau, bewertet die Initiative mit großer Zufriedenheit: „Wir waren Gastgeber für neun Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus unterschiedlichen sozialen Schichten, Sprachräumen und literarischen Disziplinen, die die menschliche und kreative Vielfalt des Kontinents repräsentieren. Das Residenzprogramm ermöglichte es den Teilnehmenden sich aus dem Alltagsleben zurückzuziehen und sich ausschließlich auf ihre Kunst zu konzentrieren. Momente, die oft fehlen. Die Einladung durch Mentoren war ein Anstoß, die Teilnehmenden zum Nachdenken über ihre Projekte anzuregen und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Arbeit aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Es könnte noch mehr getan werden, aber es war ein guter und zufriedenstellender Anfang, und bald werden wir Auszüge aus den Werken der Teilnehmenden auf unserer Website sehen.“

Bei dieser Edition sind die jungen Künstler mit ihren Projekten gut vorangekommen und haben vor allem den kürzesten Weg genommen und die Grenzen zwischen den Gattungen überwunden, indem sie es gewagt haben, Texte, Fotos und Karten zu überschneiden. Les Chemins de Yemoja von Laeïela Adjovi, in dem es um die gemeinsame Erinnerung zwischen Kuba und Afrika geht, ist ein gutes Beispiel für diesen Trend. Die Hybridisierung steht auch im Mittelpunkt von African Eyes, African mirror von Yarri Kamara, in dem ein Thema je in einem Essay und einem Gedicht behandelt wird. Dasselbe gilt für O Za Pya von Masiyaleti Mbewe, die Erzählungen und Science-Fiction miteinander verbindet. Auch der Comic Les aventures de Jokouka, le p'tit peintre von Adotevi ist eine Science-Fiction-Geschichte, die auf den Mythen und Legenden des afrikanischen Kulturerbes basiert.

Das Theaterstück Frère de Sang von Paul Zoungrana und der Comic Proxima von Eric Kabré beschäftigen sich mit dem Zusammenleben in Gemeinschaften, in denen Unsicherheit und Ressourcenknappheit den Nährboden für ethnische Konflikte bilden. Auch Gloria Kiconco, die in ihrer Gedichtsammlung 103 plis die Metapher des exponentiellen Wachstums in der Mathematik aufgreift, um das Wie und Warum von Gender und Transsexualität zu hinterfragen, kann in diese Reihe eingeordnet werden.

Eliot Moleba seinerseits erforscht in seinem künstlerischen Projekt neue künstlerische Modalitäten zwischen traditionellen Spielen und zeitgenössischer Theatralik, um politische Fragestellungen wie die Künstlichkeit afrikanischer Grenzen mit kleinen Kindern zu behandeln. Rasha Azab behandelt das gleiche gesellschaftliche Thema. Ausgehend von ihrer eigenen Erfahrung als Emigrantin befasst sie sich mit dem Thema Einwanderung und den existenziellen Schwierigkeiten von Menschen, die aus ihrem Land entwurzelt wurden und versuchen in einem fremden Land heimisch zu werden.

Die ersten drei Residenzen des Goethe-Instituts haben gezeigt, dass junge afrikanische Künstler auf dem Kontinent nach Ausdrucksmöglichkeiten suchen, und dass sie über die Sprachen des Schaffens und der künstlerischen Gattungen hinaus die Begegnung und den Dialog nicht nur zwischen französisch-, englisch- und portugiesisch-sprachigen Künstlern, sondern auch zwischen Künstlern des Kontinents und denjenigen aus der Diaspora brauchen. Diese Residenzen waren also wie eine kleine Republik der Kunst und Literatur, in der das einzige Kriterium für die Staatsbürgerschaft das Talent ist. Möge diese Initiative zu weiteren, noch fruchtbareren Editionen führen!