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Schulbildung Anfang der
2020er-Jahre: Zeit der Not, Zeit des enormen Potenzials für disruptive Bildungsinnovationen

Schulbildung Anfang der 2020er-Jahre © Goethe-Institut von Iordan Iossifov

Seit Anfang 2020 ist die Schulbildung weltweit mit beispiellosen Schwierigkeiten und Unterbrechungen konfrontiert. Fast überall in den Industrieländern verlagerte sich der Unterricht als Reaktion auf plötzlich verhängte Einschränkungen über Nacht in den ferngesteuerten, online‑basierten, digitalen Modus. Allmählich wird deutlich, dass die größte Herausforderung für die schulische Bildung in Zeiten des fernen, digitalen Lehrens und Lernens nicht so sehr die Technologie ist, sondern das Fehlen des Sozialisationsaspekts der Bildung. Fast gleichauf damit – über das Hier und Jetzt und in Bezug auf mögliche schwere und schädliche Auswirkungen hinaus – stellt sich die Herausforderung, dass das Potenzial der digitalen Bildungsplattformen, allen Schüler*innen gleichberechtigten Zugang zu hochwertigen Bildungsinhalten und Orientierungshilfen zu bieten, zu wenig genutzt wird. Diese Chance nicht wahrzunehmen, verstärkt das Risiko, dass sich bereits bestehende Bildungsungleichheiten verbreiten und vertiefen.

Aber es sind nicht nur dunkle Wolken am Horizont. Es gibt eine silberne Linie, und was für eine Linie das ist! Ohne über die Besonderheiten der nahen Zukunft zu spekulieren, aktuelle gesellschaftliche und pädagogische Trends zu projizieren und technologische Entwicklungen zu berücksichtigen, lässt sich das Bild einer Bildungseinrichtung zeichnen, die erreichbar ist und dem besten Bildungsinteresse eines jeden Schulkindes dient. Da wird das Lehren und Lernen individualisiert und gleichzeitig globalisiert. Individualisiert: das bedeutet, die Lerngeschwindigkeit und -strategien jeder und jedes einzelnen Lernenden ebenso zu berücksichtigen wie die normativen Bildungsziele. Globalisiert: um weltweit von Bildungsinhalten und ‑ressourcen zu profitieren, die für Schüler*innen und Lehrkräfte bereits massiv zugänglich und erschwinglich sind. Die Schule profitiert von globalisierten und individuell anpassbaren digitalen Bausteinen für Bildungsinhalte, die das Lernen und die Entwicklung von Fähigkeiten der Kinder verändern können. Auf diese Weise kann die Schule ihre sozialisierende Funktion bewahren, stärken und sogar zu ihrer Daseinsberechtigung machen. Anstatt ein Vermittlungsmechanismus zu sein oder die sozioökonomische Gliederung sogar zu vergrößern, was leider manchmal der Fall ist, könnte die Schule ein Inkubator für Talente sein, unabhängig vom sozioökonomischen oder sonstigen Hintergrund ihrer Schüler*innen. Die Digitalisierung kann der Schule helfen, lokal relevant zu sein, eingebettet in die Gemeinschaft, der sie dient, und damit tatsächlich ein Teil davon. So utopisch diese Vision auch erscheinen mag: Der bereits begonnene Prozess der digitalen Transformation im Bildungsbereich könnte helfen, ihr näher zu kommen. Aber wir sollten uns von der silbernen Linie nicht blenden lassen und die dunkle Wolke dahinter nicht aus den Augen verlieren: Wir dürfen nicht vergessen, dass die Digitalisierung der Bildung auch ein Risiko birgt – eine ziemlich dystopische Zukunft mit anhaltenden und sogar größeren sozialen Ungleichheiten, mit Eindringen in die Privatsphäre und mit Kindern, denen die Möglichkeit fehlt, angemessene soziale Kompetenzen zu entwickeln.

Mit einer Vision der Schulbildung, die unseren Kindern dienen soll, und unter Berücksichtigung der Herausforderungen und Risiken: Was sollte ein realistischer Plan für die digitale Transformation beinhalten? Natürlich gibt es kein universelles Rezept und nationale Besonderheiten müssen berücksichtigt werden, aber es findet sich sicherlich eine Reihe von Überschneidungen und gemeinsamen Problemen. Berücksichtigt man dies und nimmt man Bulgarien als Referenzland, kommt zumindest Folgendes infrage:

  1. Sicherstellung einer breiten öffentlichen Unterstützung und vor allem – der Unterstützung der Eltern
  2. Unterstützung der Lehrkräfte bei der Erkenntnis, dass die digitale Transformation die Bedeutung ihrer pädagogische Rolle und Position erhöht und gleichzeitig wichtige Aspekte des Lehrer*innenberufs verändert. Angesichts der Tatsache, dass diese Veränderungen bereits an die Türen ihrer Klassenzimmer klopfen (und auch diese Redewendung möglicherweise schon ein wenig aus der Mode kommt), sollte jeder Plan zur digitalen Transformation vordergründig das Ziel haben, die Qualifikation und Motivation jeder und jedes Einzelnen zu stärken. Alle Lehrkräfte müssen sich an ein Bildungssystem anpassen, das Klassenzimmer und Fernunterricht verbindet.
  3. Stellen Sie sicher, dass:
a) der universelle Zugang zu digitalen Bildungsinhalten für jedes einzelne Schulkind (dazu gehört mindestens die Bereitstellung eines geeigneten Endgeräts und einer ordentlichen Internetverbindung) und eine Orientierungshilfe gewährleistet sind; und
b) Herausforderungen, die aus früheren Perioden stammen, zügig bearbeitet werden, um zu verhindern, dass sie sich von Fragen des Bildungsmanagements in strukturelle Bildungsprobleme verwandeln. Wenn solche Probleme nicht rechtzeitig behandelt werden, können selbst die am besten konzipierten und durchgeführten Maßnahmen für die digitale Transformation leicht sabotiert werden.

Was mit der (Schul-)Bildung seit 2020 passiert, ist außergewöhnlich. Und der einzige Weg für alle am Bildungsprozess Beteiligten – von Schüler*innen und Lernenden über Lehrkräfte, Eltern, andere Pädagog*innen und relevante Fachkräfte bis hin zur Bildungsverwaltung – besteht darin anzuerkennen, dass die plötzlichen Unterbrechungen des Unterrichts den Prozess der Bildungsevolution beschleunigt haben und die (Schul-)Bildung an den Punkt – vielleicht sonst etwas verzögert, aber jetzt unvermeidlich – der disruptiven Innovation brachten. Im Moment scheint es, dass die Kinder den Erwachsenen weit voraus sind, wenn es darum geht, Veränderungen zu erkennen und zu bewältigen, welche die Art, wie (schulische) Bildung stattfindet, zu revolutionieren versprechen.

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