Nativer Hip-Hop
Lokale Stimmen, globale Themen

Junge Lateinamerikaner mit indigenen und afrikanischen Wurzeln haben den Hip-Hop zum Instrument für Protest und Widerstand gemacht. In ihren Songs leben die indigenen Sprachen weiter.     

Hip-Hop ist nicht einfach Musik, sondern ein kulturelles Phänomen, das seit seinen Anfängen andere Ausdrucksformen wie Tanz, Mode und urbane Kunst integriert. Die ersten Hip-Hop-Songs hörte man in den 1960er- und 1970er-Jahren auf den Straßen von US-amerikanischen Großstädten wie New York und Chicago. Jugendliche aus sozial deprimierten Stadtvierteln begannen in ihren Liedern von der Unzufriedenheit und den Sorgen, der Freude und dem Leid der Afroamerikaner zu erzählen. So begann der Hip-Hop in einer Welt, in der Rock, Funk und Discomusik den Geschmack der jungen Leute prägten, immer mehr an Beliebtheit zu gewinnen.

In den 1980er-Jahren breitete sich dieses neue soziale und kulturelle Phänomen dank der Medien, großer Produktionsfirmen, Konzerte und anderer Kommunikationsräume immer weiter aus. In Europa, Asien und auch in Lateinamerika übernahmen die Stadt-Jugendlichen die Ausdruckskraft des Hip-Hop und passten ihn an ihre eigenen Bedürfnisse und Realitäten an. So gibt es heute Hip-Hop nicht nur auf Englisch, sondern auch auf Spanisch, Französisch, Russisch, Deutsch, Japanisch, Portugiesisch oder Dänisch.

Und das ist noch nicht alles. Seit einiger Zeit wird auch in den nativen Sprachen Lateinamerikas gerappt. Hier ergreifen junge Latinos mit indigenen oder afrikanischen Wurzeln das Wort, um zu protestieren und sich aufzulehnen, um traditionelles Wissen weiterzugeben und um ihren Platz in der heutigen Welt zu definieren. In Lateinamerika sind beeindruckende Beispiele für „nativen“ Hip-Hop entstanden, der zum Dokument und zum Sprachrohr der Menschen ohne Stimme geworden ist. Hier stellen wir einige davon vor.

Bolivien

Die Gottheit Pachamama wird seit Jahrhunderten besungen und heute dienen diese Gesänge immer mehr dazu, um die Vorurteile gegenüber der Kokapflanze abzubauen. Schon lange bevor der sogenannte „Krieg gegen die Drogen“ begann, herrschte in Bolivien ein Bewusstsein für die Wichtigkeit des Kokablattes in der indigenen Kultur. Die jungen Generationen, wie zum Beispiel die bolivianische Gruppe Nación Rap möchten verhindern, dass die Kokapflanze ihre tausendjährige Bedeutung verliert. Sie gehen über einen einseitigen Diskurs, der nur aus Klagen besteht, hinaus und bringen Vorschläge. In ihren Texten mischen sich die Sprachen Aimara, Quechua und Spanisch mit englischen, dänischen und französischen Sätzen.
 
Nación Rap: „Mama Koka“

Brasilien

Die größte südamerikanische Nation hat Grenzen mit zehn Ländern auf dem Kontinent. Grenzen, die größtenteils im Regenwald liegen, wo die ursprünglichen Völker darum kämpfen, ihre Sprache zu erhalten und ihre Bräuche und Weisheit nicht zu verlieren. Eins der Projekte, die versuchen, die Sprache Guaraní mit dem Portugiesischen zu verbinden, ist die Gruppe Brô Mc’s, die seit 2007 moderne Rhythmen über einer tausendjährigen Melodie komponiert. Sie sind bei Konzerten in Brasilien und auch in Paraguay aufgetreten, dem Land, in dem Guaraní und Spanisch als offizielle Sprachen gelten.
 
Brô Mc’s mit Fase Terminal: „No Yankee“

Kolumbien

Die Gruppe Kombilesa Mi wurde im Ort Palenque an der kolumbianischen Atlantikküste ins Leben gerufen. Die Musiker sind Nachfahren der ausgebrochenen Sklaven, die das Dorf gegründet haben, in dem sie ihre afrikanischen Sprachen weiterlebten und Autonomie erreichten. Kombilesa Mi (auf Deutsch „meine Freunde“) verwendet keine elektronischen Instrumente, nur organische, die von den Mitgliedern der Band selbst hergestellt werden. Seit 2011 drückt die Gruppe ihre eigene Identität im Wechsel von Spanisch und „Lengua Palenquera“ aus.
 
Kombilesa Mi: Trailer

Chile

Das indigene Volk der Mapuches ist sich seiner Tradition sehr bewusst und auch darüber, dass ihre ursprüngliche Sprache, das Mapudugun, vom Aussterben bedroht ist. Die chilenische Gruppe Wechekeche Ñi Trawün singt und kämpft in einer Sprache, die in einer Welt voller Hashtags und Medienanalysen überleben will. Wenn die Sprache Mapudugun verschwindet, dann verschwindet auch die Kultur der Mapuches. Und ohne sie würde sich niemand mehr um die Erde kümmern.
 
Wechekeche Ñi Trawün: „Mapudungufinge“ (mit spanischen Untertiteln)

Mexiko

Man sagt, dass es zwei Mexikos gibt: das der Reichen und das der Armen. Aber lange vor dieser Trennung lebten dort Völker mit mehr als zwanzig indigenen Sprachen wie Maya, Zapoteca, Mixteca, Nahuatl oder Kechki. Die Traditionen der Mayas, Azteken, Tolteken, Zapoteken und anderer Völker leben weiter und kämpfen darum, nicht verdrängt zu werden. Hip-Hop-Musik, die so viele Jugendliche in der ganzen Welt erreicht, wird auch von der Gruppe Sangre Maya gemacht, die gleichzeitig eine alte Tradition wiederaufgreift: das eigene Territorium zu verteidigen.
 
Sangre Maya: „Pat Boy Rap“

Peru

In Peru leben mehrere indigene Sprachen wie Quechua und Aimara nebeneinander. Da im gesamten Land die native Bevölkerung stark präsent ist, erscheint die Verschmelzung der indigenen Traditionen mit dem Hip-Hop und der spanischen Sprache ganz natürlich. Die Gruppe Quinta Rima rappt über die Traditionen und die Rückbesinnung auf die indigene Kultur in Peru.

Dankeschön an: Johanna Pinzón (Kolumbien), Oliver Knust (Chile), Sandra Ramírez (Paraguay) und Wili Jiménez (Peru).