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Carlos Vergara
Druckgrafik, die Malerei ist

Duas Bocas, Carlos Vergara
Duas bocas, 1989; Monotypie auf roher Leinwand; 186cm x 471cm | Grafik: Carlos Vergara

Von Paulo Sergio Duarte

In dieser Ausstellung zeigt Carlos Vergara drei Arbeiten: die erste, noch in den 1960er Jahren entstanden, als die Bewegung der „Nova Figuração“ (Neue Figürlichkeit) Bilder in die brasilianische Kunst einführte, die sich radikal dem entgegenstellten, was bis dahin die 1950er und 1960er geprägt hatte - abstrakte, informelle Kunst und radikale Experimente der konstruktivistischen Künstler mit ihrem strengen geometrischen Abstraktionismus, der Brasiliens einzigartige Beiträge zur Kunstgeschichte hervorbrachte, wie etwa die Werke von Lygia Clark oder Hélio Oiticica. Nun legten sich darüber wie eine neue Schicht Bilder des städtischen Lebens, doch ohne die Attribute der zynischen Vernunft amerikanischer Pop-Art und ihrer Neuinterpretationen des Readymade. Santa Maria / RS - Brasil, 1941 Bandeira, 1968; Siebdruck auf Stoff (Acryl-Kasten); 214cm x 94cm x 9cm | Grafik: Carlos Vergara Die Werke dieser damals jungen brasilianischen Künstler waren alle erfunden und stammten nicht aus den Seiten von Comic-Heften, von Titelblättern der Zeitungen oder aus Supermarktregalen, wie in der Pop-Art üblich. Vergaras für diese Technik sehr großformatiger Siebdruck ist ein gutes Beispiel für diese Zeit. Das lächelnde Gesicht der Frau wird von rechts oben überlagert von der blauen Himmelskugel der brasilianischen Fahne. Es wird gefeiert. Sehr anders als in den beiden anderen gezeigten Werken.
Bei diesen handelt es sich um monumentale Monografien. Die Art der Druckgrafik ist bekannt, aber Vergara verwendet sie bildgebend; es sind daher Drucke, die eigentlich Malerei sind. Sie werden nicht vervielfältigt, sind also einzigartig, und sind doch Drucke: Monotypien. Anlässlich einer Ausstellung des Künstlers im Museum der Bergb
augesellschaft Vale do Rio
Doce in Vila Velha im Bundesstaat Minas Gerais 2003 hatte ich Gelegenheit zu schreiben:

Vergaras Poetik emanzipiert die Pigmente, erhebt sie zu lexikalischer Macht und zugleich einer syntaktischen Funktion innerhalb der Malerei. Sie stiften Sinn und strukturieren zugleich dieses Hervorbringen von Signifikaten.

Paulo Sergio Duarte



Was wir nun hier sehen, sind Beispiele dieser Emanzipation durch Vergaras Kunst, zunächst in den monumentalen Duas bocas (Zwei Münder) von 1969, einer großen Monotypie über Ofenschlünde genau der Fabrik, die ihm damals in Minas Gerais die Pigmente lieferte. Es steckt eine Zweideutigkeit in dem Werk, und meine Interpretation widerspricht der von Vergara selbst.

Piso II, Missão de São Miguel Serie, Monotypie auf roher Leinwand, 275cm x 290cm Piso II, Missão de São Miguel Serie, Monotypie auf roher Leinwand, 275cm x 290cm | Grafik: Carlos Vergara Ich muss beim Betrachten an Alain Resnais’ Kurzfilm Nuit et Brouillard denken: lange Kamerafahrten entlang der Krematoriumsöfen eines nationalsozialistischen Konzentrationslagers. Es steckt eine Traurigkeit in dieser Monotypie von Vergara. Für ihn ist es die Momentaufnahme einer Phase seiner Produktion, Außenstehende jedoch können angesichts dieses großartigen Werks andere Assoziationen entwickeln.

Das dritte Werk ist ein Moment eines anderen Abenteuers. Vergara, „Gaucho“ aus Santa Maria, bemüht sich, die Stadt São Miguel das Missões und ihre Ruinen festzuhalten. Wichtig ist, dass dies für den Künstler Gelegenheit war, ausführlich über den Ort zu recherchieren. Geschichte beherrscht dieses Werk. Eine intensive und ausführliche Arbeit vor Ort. Das beinahe Quadrat von fast 3 Metern Kantenlänge ist Zeugnis von einem vorherigen Werk, den Bemühungen von Indigenen und Jesuiten um den Aufbau einer egalitären Gesellschaft, die auf Geheiß der Kolonialmacht von Bandeirantes vernichtet wurden. Vergaras Serie über São Miguel das Missões lässt sich in ihrer plastischen Üppigkeit nicht von seiner historischen Motivation lösen.

Vergara und seine Monotypien sind Druckgrafik als Malerei.
 
© Goethe-Institut Porto Alegre
 

Carlos Vergara

Geboren 1941 in Santa Maria, Rio Grande do Sul, ist Druckgrafiker, Fotograf, Bildhauer und Maler, bekannt vor allem als einer der wichtigsten Vertreter der in den 1960er Jahren in Brasilien entstandenen Künstlerbewegung „Nova Figuração“. Nach dieser figürlichen Erfahrung verlagert sich seine Produktion auf Untersuchungen des Bildlichen sowie auf Werke für Architekturprojekte. Er beteiligte sich an diversen Biennalen wie der von São Paulo, des Mercosur oder in Venedig und wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet, darunter dem der brasilianischen Kunstkritikervereinigung ABCA Clarival do Prado Valladares, dem Kulturpreis des Bundesstaats Rio de Janeiro, dem Preis der ABCA Mario Pedroso sowie dem Prêmio Henrique Mindlin (IAB/RJ).
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