Flavya Mutran
„Ent-Erinnerung“

Von Mariano Klautau Filho
Flavya Mutran hat die Fotografie stets als Experimentierfeld und als Erweiterung der Verfahren und der Materialien mit untypischem fotografischen Untergrund genommen. Hiermit schafft sie eine Arbeit, die das Konzept des technischen Bildes, seiner Instrumente und Diskurse verdichtet. Auf die Beziehung zwischen Fotografie und Objekt setzend, bietet Mutran eine weitreichende Reflexion über die Technologie als sozialem Phänomen an, bei dem uns in einem Kontext, wo die Flut laufender Bilder unwiderruflich in die kognitiven und sprachlichen Prozesse eingreift, neue ästhetische Fragen zu einer anderen Art von Wahrnehmung auffordern.
Die Serie DELETE.use ist eine exzellente Metapher für ihr poetisches Projekt, weil es einerseits ihre experimentelle Vorliebe für die Bildproduktionsmaterialien und -apparate aufzeigt, andererseits untersucht, welchen Gebrauch wir von den Archiven machen – den Fotografien mit kolonialisierenden Botschaften, die schon lange in der Mediengeschichte existieren. Das ist in der Reihe von Arbeiten mit dem Titel METAL MASTERS der Fall, bei der jedes Einzelstück in einem klar objektbezogenen Prozess entworfen wurde – Bilder, konstruiert mit digitalen Interferenzen, die mit Laser auf Alu-Offsetplatten oder Platinen gedruckt wurden –, wobei sie mit der Tradition des handwerklichen Prozesses der Metallgravierung spielt. Ich spreche von spielen, denn die Künstlerin täuscht, simuliert (oder dissimuliert), wenn sie eine Matrize erfindet, die keine reproduktive Funktion hat und dadurch wieder zum Unikat wird.
DELETE.use bringt mit seinem Verfahren einen preziösen Stil ein, der die Lust am Manuellen und an der Ausführung des Kunstwerks mit einem raffinierten Konzept verbindet. Die materielle Herangehensweise macht die Serie zu einem steten work in progress, denn außer auf Metallplatten zirkulieren die Bilder als gedruckte Wegwerfzettel und ebenso im Netz, wodurch sie den Begriff der “desmemórias” (Ent-Erinnerung), den die Künstlerin selbst geprägt hat, ins nahezu Unendliche erweitern. In dieser Hinsicht regt uns Flavya Mutran zu einem kritischeren Nachdenken über den Bedeutungserhalt der sogenannten “Zeugnisse der kollektiven Erinnerung” und die verschiedenen Diskurse an, mit denen die Massenmedien und die Sozialgeschichte diese belegen.
Flavya Mutran
Stammt aus Paraná und ist seit 1989 im Bereich Kunst und Kommunikation tätig. Sie war Fotojournalistin, Laborantin und Bildredakteurin öffentlicher und privater Presseabteilungen, realisierte eigene Projekte und beteiligte sich an kollektiven Kunst- und Bildungsprojekten. Nach dem Architektur- und Urbanistikstudium an der Bundesuniversität Pará (UFPA) absolvierte sie Master und Promotion in Bildender Kunst am am Kunstinstitut der Bundesuniversität Rio Grande do Sul (UFRGS) mit einer Forschungsarbeit über Fotoarchive und das Teilen von Bildern im Netz. Sie ist zurzeit Assistenzprofessorin der Abteilung Design und bildnerisches Gestalten am Fachbereich Architektur der UFRGS.