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Flavya Mutran
„Ent-Erinnerung“

METAL MASTER: Nelifur Demir, DELETE.use Serie; 2015 (edit.)
METAL MASTER: Nelifur Demir, DELETE.use Serie; 2015 (edit.) | Werk: Flávia Mutran
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Von Mariano Klautau Filho

Flavya Mutran hat die Fotografie stets als Experimentierfeld und als Erweiterung der Verfahren und der Materialien mit untypischem fotografischen Untergrund genommen. Hiermit schafft sie eine Arbeit, die das Konzept des technischen Bildes, seiner Instrumente und Diskurse verdichtet. Auf die Beziehung zwischen Fotografie und Objekt setzend, bietet Mutran eine weitreichende Reflexion über die Technologie als sozialem Phänomen an, bei dem uns in einem Kontext, wo die Flut laufender Bilder unwiderruflich in die kognitiven und sprachlichen Prozesse eingreift, neue ästhetische Fragen zu einer anderen Art von Wahrnehmung auffordern.

Die Serie DELETE.use ist eine exzellente Metapher für ihr poetisches Projekt, weil es einerseits ihre experimentelle Vorliebe für die Bildproduktionsmaterialien und -apparate aufzeigt, andererseits untersucht, welchen Gebrauch wir von den Archiven machen – den Fotografien mit kolonialisierenden  Botschaften, die schon lange in der Mediengeschichte existieren. Das ist in der Reihe von Arbeiten mit dem Titel METAL MASTERS der Fall, bei der jedes Einzelstück in einem klar objektbezogenen Prozess entworfen wurde – Bilder, konstruiert mit digitalen Interferenzen, die mit Laser auf Alu-Offsetplatten oder Platinen gedruckt wurden –, wobei sie mit der Tradition des handwerklichen Prozesses der Metallgravierung spielt. Ich spreche von spielen, denn die Künstlerin täuscht, simuliert (oder dissimuliert), wenn sie eine Matrize erfindet, die keine reproduktive Funktion hat und dadurch wieder zum Unikat wird.

Die auf die Platten transferierten Bilder lösen eine andere Art von Übertragung aus: eine semiotische, irgendwie unheimliche Verschiebung, wenn die Künstlerin nämlich aus den Bildern, die sie sich angeeignet hat, jegliche Spur von menschlicher Präsenz entfernt. Die von Mutran ausgewählten Fotografien sind entweder im Netz verfügbare Klassiker der Fotografiegeschichte, oder es sind Bilder, in denen der Mensch oder reale Vorkommnisse auf unmittelbare, funktionale, eher informative Weise die Bedeutungen festlegen. Nach der von der Künstlerin vorgenommenen Extraktion bleiben nur noch Rätsel übrig, denn was dem Zuschauer widerfährt, ist ein seltsames Gefühl von nicht mehr erkennbarer Vertrautheit. In vielen Fällen ist es, als würde Barthes‘ punctum annulliert, als würden die mit geschichtlich geprägten Bedeutungen überfrachteten Bilder endlich in einer ermutigenden Leere ruhen und dem Publikum neugestaltet dargeboten.

DELETE.use bringt mit seinem Verfahren einen preziösen Stil ein, der die Lust am Manuellen und an der Ausführung des Kunstwerks mit einem raffinierten Konzept verbindet. Die materielle Herangehensweise macht die Serie zu einem steten work in progress, denn außer auf Metallplatten zirkulieren die Bilder als gedruckte Wegwerfzettel und ebenso im Netz, wodurch sie den Begriff der “desmemórias” (Ent-Erinnerung), den die Künstlerin selbst geprägt hat, ins nahezu Unendliche erweitern. In dieser Hinsicht regt uns Flavya Mutran zu einem kritischeren Nachdenken über den Bedeutungserhalt der sogenannten “Zeugnisse der kollektiven Erinnerung” und die verschiedenen Diskurse an, mit denen die Massenmedien und die Sozialgeschichte diese belegen.

 

© Pátio Vazio / Goethe-Institut Porto Alegre

Flavya Mutran

Stammt aus Paraná und ist seit 1989 im Bereich Kunst und Kommunikation tätig. Sie war Fotojournalistin, Laborantin und Bildredakteurin öffentlicher und privater Presseabteilungen, realisierte eigene Projekte und beteiligte sich an kollektiven Kunst- und Bildungsprojekten. Nach dem Architektur- und Urbanistikstudium an der Bundesuniversität Pará (UFPA) absolvierte sie Master und Promotion in Bildender Kunst am am Kunstinstitut der Bundesuniversität Rio Grande do Sul (UFRGS) mit einer Forschungsarbeit über Fotoarchive und das Teilen von Bildern im Netz. Sie ist zurzeit Assistenzprofessorin der Abteilung Design und bildnerisches Gestalten am Fachbereich Architektur der UFRGS.

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