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Olaf Holzapfel
Grafischer Gebrauch lokaler Umwelten

Olaf Holzapfel (Videoframe) (edit.)
Olaf Holzapfel (Videoframe) (edit.) | Werk: Olaf Holzapfels
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Von Ludwig Seyfarth

Olaf Holzapfels künstlerische Arbeit umfasst die unterschiedlichsten Medien wie Malerei und Grafik, Skulptur, Installation, Fotografie und Film. Doch hinter der Vielfalt seiner Ausdrucksmittel stehen zwei grundsätzliche Interessen. Einerseits leitet ihn eine Faszination für Muster, Raster und Materialien, anderseits sucht er die Auseinandersetzung mit lokalen Kulturtechniken, sowohl in der näheren Umgebung Sachsens, wo er geboren wurde, als auch in unterschiedlichsten Regionen der Welt. Holzapfel erkundet, wie unterschiedliche Kulturen den sie umgebenden Raum erfahren und welchen praktischen Gebrauch sie von ihrer materiellen Umgebung machen.

Holzapfels eigene, auf Raumerkundungen beruhende Bildfindungen gehen oft von urbanen Räumen aus, deren Strukturen und Zwischenräume er in abstrakte Netze überträgt, die einander überlagern und an digital generierte Oberflächen denken lassen. Seine künstlerischen Produkte einer vermeintlich „westlichen” Ästhetik speist Holzapfel dann gleichsam in einen Dialog mit lokalen Kulturen und ihren bildnerischen Techniken ein. So hat er seit 2009 eine intensive Zusammenarbeit mit dem indigenen Volk der Wichí aufgebaut, das zu Teilen in Waldgebieten im Norden Argentiniens lebt. Hier existiert eine hochentwickelte Handwerkskunst, die auf zu Fäden versponnenen Fasern spezieller Bromeliengewächse beruht, Chaguar genannt. Die mit Farben, die aus Pflanzen gewonnen werden, eingefärbten Fäden werden in einer besonderen Flechttechnik zu Taschen, Fischernetzen oder Ponchos verarbeitet. Holzapfel zeigte den Flechterinnen der Wichí seine eigenen Zeichnungen und bat sie, diese in Textilbilder aus Chaguar zu übertragen. Ein „interkultureller” Austausch sollte nicht über die gesprochene oder geschriebene, sondern über die Bildsprache stattfinden.
babel languages real basic - space 1, 2008. Digitaldruck auf Papier, 102 X 66 cm. babel languages real basic - space 1, 2008. Digitaldruck auf Papier, 102 X 66 cm. | © Olaf Holzapfel Holzapfel berichtet, dass die Handwerkerinnen mit den Motiven zunächst nichts anfangen konnten, keine Bedeutung in ihnen erkannten, sich aber gleichwohl an die Arbeit machten. Erst als die Chaguarbilder in einer Ausstellung in Buenos Aires zu sehen waren und einige Mitglieder der Wichí zur Eröffnung kamen, nahmen sie ihre Produkte gleichsam rückwirkend als Teil ihrer eigenen Kultur wahr. Über die Flechttradition der Wichí und seine Auseinandersetzung mit ihr hat Holzapfel auch einen dokumentierenden Film gedreht.

  • babel languages real basic -  schwarz U1, 2008. Impressão digital sobre papel, 102 X 66 cm. schwarz U1 © Olaf Holzapfel
    babel languages real basic - schwarz U1, 2008. Impressão digital sobre papel, 102 X 66 cm.
  • babel languages real basic - space U3, 2008. Impressão digital sobre papel, 102 X 66 cm. © Olaf Holzapfel
    babel languages real basic - space U3, 2008. Impressão digital sobre papel, 102 X 66 cm.
  • babel languages real basic -  schwarz U1, 2008. Impressão digital sobre papel, 102 X 66 cm. © Olaf Holzapfel
    babel languages real basic - schwarz U1, 2008. Impressão digital sobre papel, 102 X 66 cm.
Er möchte dazu beitragen, handwerkliche und ästhetische Traditionen, die in einer immer globalisierteren Welt vom Verschwinden bedroht sind, am Leben zu erhalten. Dies sieht er aber nicht in einem musealisierten „Bewahren” gewährleistet. Er versteht Kultur nicht als etwas „Reines”, von anderen Kulturen Getrenntes, sondern als einen ständigen Prozess. Nur dadurch, dass sie sich in einem Austausch weiterentwickeln, Einflüsse aufnehmen, können Traditionen erhalten bleiben. Damit richtet sich sein künstlerischer Ansatz radikal gegen jede Idee einer „Leitkultur”, gegen die Vorstellung, dass Grenzen oder Zäune undurchlässig und unverrückbar sind, was er vor allem mit der umfangreichen Installation „Zaun” auf der documenta 2014 deutlich machte. Holzapfel geht es um die Herstellung von Verbindungen und Zwischenräumen. Die künstlerische Zusammenarbeit mit Vertretern anderer Kulturen soll ein gleichwertiger Austausch sein, jenseits der Muster kolonialistischer Aneignung, die vielerorts bis heute vorherrschen. Auf ihnen beruhte letztlich auch der „Primitivismus” der westlichen modernen Kunst, der sich etwa von afrikanischen Skulpturen inspirieren ließ und sie sich ästhetisch einverleibte, sie gleichsam aus der „Peripherie”, von deren vermeintlicher kultureller Naivität man sich eine Auffrischung erhoffte, ins „Zentrum” holte. Statt einen Gegensatz von Zentrum und Peripherie sieht Holzapfel eher ein Kontinuum. Alle Menschen und Kulturen leben in einer Art Innenwelt, die für sie das Zentrum darstellt, von dem aus eine Außenwelt wahrgenommen wird. Diese ist zunächst der umgebende urbane oder Landschaftsraum. Für die Wichí etwa ist das von ihnen bewohnte Grenzgebiet zwischen Argentinien und Chile das Zentrum, nicht Buenos Aires und schon gar nicht Mitteleuropa.
 
Aber auch hier gibt es vermeintliche Peripherien, die Holzapfel ins Zentrum seiner Arbeit stellt. So hat er sich einer nur mündlich überlieferten Tradition der Sorben, einer lokalen Kultur im Grenzgebiet zwischen Deutschland und Polen, zugewandt. Sieben bis acht Meter lange Schnüre aus Grashalmen, Kräutern und Blumen wurden früher geflochten, um Bienenkörbe herzustellen. Holzapfel webt solche Schnüre in Holzrahmen ein und stellt so Heubilder her, deren geometrisch-ornamentale Struktur wieder sein grundlegendes Interesse an regelmäßigen Mustern und Rastern aus natürlichem Material zeigen. Die Überlagerungen und Überschichtungen sind hier ebenso komplex wie bei den linearen, rasterartigen Strukturen auf seinen Digitaldrucken.
 
© Pátio Vazio / Goethe-Institut Porto Alegre

Olaf Holzapfel

Olaf Holzapfel beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Stadt und Land, Materialität Information, analog und digital. Seine Arbeit gliedert sich in Werkkomplexe. Oft mehrere Jahre und münden in Ausstellungen mit unterschiedlichen Medien (Installation, Film, Text, Fotografie und Malerei). Für sein Projekt Housing in Amplitude in Zusammenarbeit mit Sebastian Preece unternahm er zwischen 2013 - 2016 Reisen in Patagonien (www.housinginamplitude.net). Es folgte der Film Latitude 40 über die Geschichte der Grenzziehung zwischen Argentinien und Chile 2017. Seit 2009 fertigt er in Zusammenarbeit mit dem indigenen Stamm der Wichi aus dem Chaco Argentinien Textilbilder, welche aus der Pflanzenfaser Chaguar gewebt werden. Diese Arbeit Temporäres Haus wurde in verschiedene Museen Südamerikas und auf der Venedig Biennale 2011. Er ist Teilnehmer der documenta 14 in Athen und Kassel.

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