Berlinale-Blogger*innen 2022
Brasilien mit sechs Filmen in Berlin

Das zweite Jahr in Folge ist die Berlinale von der Pandemie betroffen, die im europäischen Winter einen weiteren Höchststand erreicht. Um zu bestehen, muss das Festival sich neu erfinden.
Diesmal hat sich die Leitung der 72. Berlinale trotz steigender Infektionszahlen für ein Festival in Präsenz entschieden. Dafür wurde die Anzahl der Filme, die aus 69 verschiedenen Ländern stammen, auf 256 reduziert – deutlich weniger als bei der letzten Ausgabe vor der Pandemie. Auch die Zuschauerplätze in den Kinos werden nach geltenden Sicherheits- und Hygienebestimmungen reduziert. Es wird diesmal an sieben Tagen Vorführungen mit Filmteams und Publikum geben, dazu vier Tage offene Vorführungen in der Stadt – die traditionelle Stärke des Festivals. Alle anderen Sektionen der Berlinale werden wie im vergangenen Jahr online stattfinden.
Rassismus und Gender
Nicht annähernd vergleichbar mit seiner großen Präsenz 2020, mit damals 19 Filmen, schickt Brasilien diesmal sechs Filme zur Berlinale. „Eine insgesamt sehr junge Auswahl. Und wie in Berlin üblich, Filme mit starker sozialer und politischer Ausrichtung. Die Themen reichen von Rassismus bis Genderfragen – queere Thematiken aber auch die Frau in der brasilianischen Gesellschaft und der Umgang mit Machismus. All das wird neben viel ästhetischer Innovation auf der Leinwand zu sehen sein. Es zeigt ein pulsierendes Filmschaffen, das vor allem sehr aufmerksam ist gegenüber den Fragen der Gegenwart und dem Zustand der brasilianischen Gesellschaft“, fasst der brasilianische Delegierte auf der Berlinale Eduardo Valente zusammen.
Historische Reflexion und Realität des Landes
In der Schau Panorama wird der Langspielfilm Fogaréu gezeigt, das Regiedebüt von Flávia Neves. „Ein historisch reflektierender Film über Fragen der Entstehung des Landes, einschließlich Rassismus und Machismus“, erklärt Valente. In der Sektion Forum laufen die Langfilme Mato seco em chamas (Dry Ground Burning) unter der Regie von Adirley Queirós und Joana Pimenta sowie Três Tigres Tristes (Three Tidy Tigers Tied a Tie Tighter) von Gustavo Vinagre. „Beide loten die brasilianische Gegenwart aus, allerdings vor sehr unterschiedlichem Hintergrund: das Umland von Brasília mit einer Art dystopischer Science Fiction einerseits; andererseits das heutige São Paulo in Zeiten der Pandemie und mit den Bedrängnissen einer queeren Jugend, die ihren Platz in der brasilianischen Gesellschaft sucht“, berichtet Valente.
Der experimentelle Kurzfilm O Dente do Dragão (Dragon Tooth) von Rafael Castanheira über den Cäsium 137-Unfall in Goiânia 1987 läuft im Forum Expanded. In der Ausstellung des Forum Expanded wird Se hace camino al andar (The Path is Made by Walking) von Paula Gaitán gezeigt. Manhã da Domingo (Sunday Morning) von Bruno Ribeiro bringt die sehr intime Geschichte der Pianistin Raquel Paixão auf die Leinwand und läuft im Kurzfilmwettbewerb um den Goldenen Bären. Der brasilianische Filmemacher Karim Aïnouz ist Mitglied der diesjährigen Jury.
Die Berlinale läuft vom 10. bis zum 20. Februar in verschiedenen Kinos der Stadt. Die Maskottchen des Festivals, die Bären, stehen mehr denn je bereit, diesmal mit Mundschutz, um eingelassen zu werden.