Filmvorführung und Gespräch Goethe-Kino präsentiert: "Videogramme einer Revolution" von Harun Farocki und Andrei Ujică

Im Anschluss findet ein Gespräch mit dem Filmemacher und Kurator, Thiago Brito statt

"Videogramme einer Revolution" von Harun Farocki und Andrei Ujică ist der vorgeführte Film dieses Monats in unserem Goethe-Kino, eine Initiative der Bibliothek des Goethe-Instituts Rio de Janeiro. Die Vorführung wird von einem Gespräch mit dem Filmemacher und Kurator, Thiago Brito gefolgt.
Das Popcorn geht aufs Haus!

Videogramme einer Revolution
Regie und Drehbuch: Harun Farocki und Andrei Ujică. Deutschland, 1992, 106 Min.

Über den Film​
Für „Videogramme einer Revolution“ haben Harun Farocki und sein Co-Autor Andrei Ujică Amateuraufnahmen und Sendungen des staatlichen rumänischen Fernsehens nach seiner Übernahme durch die Demonstranten im Dezember 1989 gesammelt. Bilder und Töne von der historisch ersten Revolution, in der das Fernsehen eine tragende Rolle spielte. Protagonist ist die Zeitgeschichte selbst. 

„The revolution will not be televised“, sang Gil Scott-Heron 1970. Knapp 20 Jahre später, im Dezember 1989, sind die Fernsehkameras live dabei, als Nicolae Ceauşescus Regime im Rumänien gestürzt wird. Entscheidender: am 22.12. wird der staatliche TV-Sender von den Demonstranten besetzt und berichtet fünf Tage lang unter improvisierten Bedingungen von den revolutionären Ereignissen, den kärglichen Prozess und die Hinrichtung des Diktatoren-Ehepaars am 26. Dezember inbegriffen. 

Aus zwei Gründen scheint die rumänische Revolution beinah von selbst zu einer filmischen Verdichtung zu drängen: Erstens trennten nur zehn Tage die ersten Unruhen von der Exekution der Machthaber, und zweitens konzentrierten die Ereignisse sich auf zwei Orte – Temesvar und Bukarest. 

In Harun Farockis Filmen spielt die Abbildbarkeit von politischen und historischen Prozessen von Beginn an eine zentrale Rolle. Wie lässt sich über komplexe Zusammenhänge, deren entscheidende Faktoren zumeist im Verborgenen und damit außerhalb des filmbaren Spektrums liegen, mit filmischen Mitteln handeln, ohne unzulässig zu vereinfachen oder zu verfälschen? Wie bringt man das Material zum Sprechen, ohne es den eigenen Interessen dienstbar zu machen? 

In „Videogramme einer Revolution“ vertraut Farocki gemeinsam mit seinem Co-Regisseur Andrei Ujică auf die Bilder, die der Umsturz selbst hervorgebracht hat. Der Film besteht ausschließlich aus Material, das während der kurzen Zeitspanne in Bukarest und Temesvar gefilmt wurde, sei es von Amateurfilmern mit ihren Heimkameras, sei es vom staatlichen Fernsehen nach der Übernahme des Senders von den demokratischen Kräften. „Weil unsere Filmerzählung aus vorgefundenem Material zusammengesetzt ist, weil keine zentrale Regie den Personen vor oder hinter der Kamera Anweisungen gab, will es scheinen, als sei es die Geschichte selbst, die sich hier ausgestalte“, schreibt Farocki in „Substandard“, einem Text, der Gedanken des Films vorbereitet und weiterführt. In Rumänien war deshalb das Fernsehstudio neben dem Zentralkomitee der zentrale historische Ort des Umbruchs.


Harun Farocki Foto: Harun Farocki © Hertha Hurnaus Harun Farocki, geboren am 9. Januar 1944 in Nový Jičín (Neutitschein), damals Sudetengau, heute Tschechische Republik, war über 40 Jahren als Filmemacher und Autor tätig. Von 1966 bis 1968 gehörte er zum ersten Jahrgang an der gerade gegründeten Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin. Von 1974 bis 1984 verantwortete er als Autor und Herausgeber der Zeitschrift "Filmkritik", München. Er hatte 1993 bis 1999 eine Gastprofessur an der University of California, Berkeley und wurde an der Akademie für Bildendende Künste, Wien, zum ordentlichen Professor ernannt, wo er von 2006 bis 2011 lehrte. Sein filmisches Werk, das über 100 Produktionen für Fernsehen und Kino (Kinderfernsehen, Dokumentarfilme, Essayfilme, Storyfilme) umfasst, wurde in verschiedenen Museen und Galerien gezeigt. Am 30. Juli 2014 starb er bei Berlin.

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