Bücher, über die man spricht
Von Berthold Franke
Neben zweifellos anstrengenden Seiten bietet die Teilnahme an einer Literaturjury auch angenehme Aspekte: Lesen, extensive Lektüre dürfen in einer Art Ausnahmezustand für eine Weile zum Hauptberuf gemacht werden. Als Juror des Deutschen Buchpreises hat man es dann aber mit einer interessanten Verschiebung der Perspektive zu tun. Welt und Wirklichkeit werden plötzlich gewissermaßen durch die Brille aktueller deutschsprachiger Prosa wahrgenommen, ein durchaus spannendes Projekt. Denn was man auf diese Weise zu sehen bekommt, ist eine Wirklichkeit zweiter Instanz, eben eine literarisch vermittelte, die zum einen metaphorische Distanz zum Konkreten und zum anderen einen ganz speziellen Zugriff auf die Realität durch die künstlerisch-erzählerische Verdichtung ermöglicht. Buchfreunde wissen das: Man ist immer zugleich näher dran und weiter weg; Literatur erzeugt, mit einem Wort von Adorno, das Phänomen der „fernen Nähe“.