Bücher, über die man spricht
Von Christoph Bartmann
In diesem Herbst des Missvergnügens sprechen wir, zuhause, mit Freunden oder auf der Arbeit, viel mehr über Politik als früher. Vor allem über den Triumph des rechten Populismus, des Ressentiments und des neuen Nationalismus, nicht nur hier und da, sondern beinahe flächendeckend in der Welt. Die Zeit, die wir bei solchen Themen verbringen, geht ab von der Zeit, in der wir über Bücher sprechen. Es sei denn, aber das kommt selten vor, dass ein Buch sich lesen lässt als Antwort auf Fragen der Zeit. Wenn es vorkommt, dann sind es seltener Romane, sondern eher Sachbücher, die solche Debatten begleiten oder sie sogar auslösen. In Deutschland war das zuletzt und ganz unerwartet ein bei Erscheinen schon sieben Jahre altes Buch aus Frankreich, Didier Éribons „Rückkehr nach Reims“ (2016). Der Soziologe und Foucault-Biograph reflektiert darin seine Herkunft aus dem Arbeitermilieu in Reims, seine kulturelle Befreiung von diesem Milieu beim Studium in Paris und den Schock, mit dem er Jahrzehnte später erkennen muss, dass die „kleinen Leute“ von Reims zur Beute des „Front National“ geworden sind. In Deutschland las man Éribons Essay als Kommentar zur aktuellen Lage. Hier war ein Buch, das den Ruck nach rechts im eigenen Erleben verortet und zugleich Begriffe findet, die das Ereignis erklären.