Gestaltung der Vergangenheit: Past as Process

Shaping the Past: Past as Process

Ein von Karina Griffith kuratiertes Filmprogramm

Shaping the Past: Past as Process - Long Banner © Goethe-Institut Statement der Kuratorin:


„… Das bedeutet, dass Geschichtskonzepte immer umstritten, immer wandelbar sind, bestimmt vom Jetzt ebenso wie sie unser Verständnis dieses Jetzt formen.“
Fatima El-Tayeb, Undeutsch (31)
 

Die Goethe-Institute und Goethe Pop Ups in Nordamerika präsentieren ein virtuelles Filmprogramm als Teil des Projekts Gestaltung der Vergangenheit.

Gestaltung der Vergangenheit ist eine Kooperation des Goethe-Instituts, des Monument Lab und der Bundeszentrale für politische Bildung und bringt Akteur*innen aus Kanada, Mexiko, den USA und Deutschland zusammen, die innovative Wege der Erinnerungskultur in ihrem jeweiligen lokalen Kontext beschreiten.​ Mehr Informationen dazu hier.

Dieses Filmprogramm ist in Kanada, Mexiko und in den USA verfügbar.

Past as Process - Eventive
Das Programm Past as Process umfasst neun Filme, die die Vorstellung von einer feststehenden Geschichte hinterfragen. Die Geschichte hat keine bestimmte Erscheinung, sondern sie ist ein Prozess der Formung. Dieser Prozess der Gestaltung der Vergangenheit ist plastisch, künstlerisch und kreativ, weshalb sich der Film so gut für unser Verständnis von Zeit und Erinnerung eignet.

Als Wissensgefüge baut die Vergangenheit auf einem Fundament von Gegenwart und Zukunft auf; all unsere vergangenheitsorientierten Erkenntnistheorien sind auf wankendem Grund abgesteckt. Dieses Programm setzt dort an, wo das Erzählen von und Wissen über Geschichte mit Zeit und Raum verbunden sind. Sobald wir Geschichte aufschreiben, sie in einem Buch oder einer Sprache oder einer Perspektive festhalten, bedingt die Gegenwartsform einen Bruch. Wie ein verziertes Tongefäß, das im Brennofen in hundert Stücke zerspringt, sind es die winzigen Blasen im Ton, die Unstimmigkeiten im Aufbau, die die Form zerstören.

Die ausgewählten Filme sind die Scherben im Brennofen. Jeder ist Teil einer größeren Erzählung und gleichzeitig ein Ganzes. Die Filme in diesem Programm sprengen nicht nur die Grenzen der inhaltlichen Darstellung, sondern auch der Textform, der Ästhetik und des Stils. Die Animationsfilme Memory Boxes (2019) und Home? (2018) veranschaulichen effektive Erinnerungsbewahrung und kennzeichnen das dominierende visuelle Narrativ, um ihnen buchstäblich eine andere Lesart aufzuprägen. Roots Germania (2007) und Roan (2019) ergründen die Vorstellung von einer „Person als Denkmal“ in der Familie. Die Dokumentarfilme Duvarlar – Mauern – Walls (2000) und Past, Present, Tense (2015), beide in Berlin gedreht, besinnen sich darauf, mündlich erzählter Geschichte aktiv zuzuhören. Die musikalische Form von Zurück auf LOS! (2000) überführt das Erzählen ins Fantastische, um die gefühlsbedingten Aspekte zu vermitteln, die nur durch Klänge ausgelöst werden. Jeder Film visualisiert Erinnerung, Vergangenheit und Geschichte in Formen, die sich verlagern, bewegen und in Veränderung sind: eine Großmutter, ein Apothekerschrank, Coverversionen von ostdeutschen Schlagern. In vier Kategorien unterteilt, demonstrieren die Filme die Kunst der Vergangenheitsgestaltung durch ihre Form (z. B. Animation), ihre Herangehensweise (spekulativ und kollektiv) und ihre ungewöhnlichen Archive (Fokus auf die Familie).

Diese neun Filme setzen verschiedene Erkenntnisprozesse in Gang und zeigen, dass die Geschichte in der Gegenwart Gestalt annimmt, aber wir uns auch von der Vergangenheit lösen, um uns eine Vorstellung von der Zukunft zu machen. Sie demonstrieren, dass die Vergangenheit nicht etwas ist, worauf wir zurückblicken oder das wir sicher in einem Regal verstauen. Die Vergangenheit ist die Zeit an der Töpferscheibe, die sich immerzu dreht und unablässig unsere Gegenwart und Zukunft gestaltet.

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Karina Griffith
Berlin
​Mai 2021

Past as Process -  Part I Cover © RomaTrial, Elliot Blue, Can Candan 21. - 24. Juni 2021
Teil I - Die Vergangenheit neuzeichnen

Mit Animationen und farbigen Untertiteln reichern diese Filme Erzählungen über die Vergangenheit mit subjektiven Sichtweisen an.

Filme:
  • Memory Boxes (2019), Regie: Hamze Bytyçi
  • Home? (2018) Regie: Elliot Blue
  • Duvarlar – Mauern – Walls (1991) Regie: Can Candan

Past as Process: Pt. II Cover © Ayşe Polat, Mo Asumang 24. - 27. Juni 2021
Teil II - Spekulative Geschichtsschreibung

Diese Filme erzählen nicht nur Geschichte, sondern werfen Fragen auf und fügen neue Charaktere in klassische Geschichten ein, um das auf den Prüfstand zu stellen, was wir über deutsche Legenden und darüber, wer zur Legende wird, zu wissen glauben.

Filme:
  • Gräfin Sophia Hatun (1997) Regie: Ayşe Polat
  • Roots Germania (2007) Regie: Mo Asumang

Past as Process: Pt. III Cover © Pierre Sanoussi-Bliss, Thuy Trang Nguyen 27.- 30. Juni 2021
Teil III - Zuhause ist, wo die Geschichte ist

Diese Filme beschreiben sehr persönliche Begegnungen mit der Familie – sowohl derjenigen, in die wir hineingeboren werden, als auch derjenigen, die wir im Laufe des Lebens durch den Aufbau von engen Beziehungen erwerben. Sie zeigenwie sie ermächtigende, neue Versionen unseres vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Selbst schreiben können.

Filme:
  • Roan (2019) Regie: Thuy Trang Nguyen
  • Zurück auf LOS! (2000) Dir. Pierre Sanoussi-Bliss

Past as Process, Pt. IV: Die „einzige Geschichte“ umschreiben © Maryam Zaree, Christa D'Angelo 1. - 4. Juli 2021
Teil IV - Die „einzige Geschichte“ umschreiben

Dokumentarfilme, die Geschichte und Vergangenheit verstehen, sind pluralistisch.

Filme:
  • Past, Present, Tense (2015) Regie: Christa Joo Hyun D'Angelo
  • Born in Evin (2019) Regie: Maryam Zaree

Die Kuratorin:

Karina Griffith © Mikael Owunna Karina Griffith © Mikael Owunna
Karina Griffiths künstlerische und kuratorische Praxis setzt sich mit den Themen Angst und Fantasie auseinander, wobei oft ihr Verhältnis zur Zugehörigkeit im Mittelpunkt steht. Sie ist Doktorandin am Cinema Studies Institute der Universität Toronto. Ihre Forschung zum Thema schwarze Autor*innenschaft im deutschen Kino liegt an der Schnittstelle zur Affekttheorie, Intersektionalität und Kreolisierung. Griffith ist Dozentin am Institut für Kunst im Kontext an der Universität der Künste Berlin (UdK).
 

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