Buchvorstellung Wer ist Ulrike Meinhof?

Qui est Ulrike Meinhof? © Les Éditions du Remue-Ménage

Mo, 26.11.2018

18:00 Uhr – 20:00 Uhr

University of Ottawa - School of Translation and Interpretation

TOUT LE MONDE PARLE DE LA PLUIE ET DU BEAU TEMPS. PAS NOUS.

(ed. Karin Bauer, preface by Elfriede Jelinek, translated from German and English by Isabelle Totikaev and Luise von Flotow, publ. Editions du remue-ménage, Montreal, November 2018).


Aus Anlass des Erscheinens von Tout le monde parle de la pluie et du beau temps. Pas nous lädt Éditions du Remue-Ménage Sie ein, Ulrike Meinhof kennenzulernen. Im Mittelpunkt steht nicht die Ikone der radikalen Linken und bekannte Mitbegründerin der terroristischen Baader-Meinhof-Gruppe Ulrike Meinhof, sondern die angesehene Intellektuelle, scharfsinnige Analytikerin und begabte Journalistin, deren Artikel viele Themen behandeln, die heute so aktuell sind wie in den 60ziger Jahren, wie z.B.  Frauenfragen, die Apathie einer Gesellschaft, die von Karrierepolitikern mit zweifelhaftem Hintergrund geführt wird, und die Rolle der Medien.

Dies ist die erste französischsprachige Darstellung und Analyse von Meinhofs Leben und Arbeit als Journalistin; das Buch enthält eine Auswahl von Meinhofs Kolumnen, die im Laufe der 60ziger Jahre entstanden sind. Sie werfen ein kritisches Licht auf die westdeutsche Gesellschaft dieser Jahre und ihr Ringen, im Schatten des Nationalsozialismus und des Holocaust demokratische Lebensformen zu etablieren.

Le Monde diplomatique kommentierte 2009 die Veröffentlichung des englischen Buches, das nun auch in französischer Sprache verfügbar ist: : “Au fil des textes, celle qui n’a pas encore embrassé l’action directe armée propose des analyses fines qui renvoient aux questionnements fondamentaux de celles et ceux qui ne se satisfont pas de la société capitaliste. Quelle est l’efficacité politique du dévoilement critique des ressorts de la domination ? Comment articuler les revendications pour l’égalité des droits et l’éradication des inégalités constitutives de l’ordre social ? Quelle place accorder à l’illégalité et à la violence physique dans l’action politique?”
 
Mit:
  • Isabelle Totikaev, Übersetzerin und Absolventin der Universitäten von Montreal und Ottawa.
  • Luise von Flotow, Übersetzerin und Professorin an der University of Ottawa.

Auszüge aus Meinhofs Kolumnen:
 
Zu Frauen

Aus  « Falsches Bewußtsein » :
“So werden beispielsweise in einem Automobilwerk die Frauen, die Türen polieren, schlechter bezahlt als die Männer, die Dächer polieren; Arbeitgeberbegründung: Das Dachpolieren erfordere einen anderen Druck als das Türenpolieren.”
 
Aus « Die Frauen im SDS oder In eigener Sache » :
“Sie [die Frauen] haben klargestellt, daß die Unvereinbarkeit von Kinderaufzucht und außerhäuslicher Arbeit nicht ihr persönliches Versagen ist, sondern die Sache der Gesellschaft, die diese Unvereinbarkeit gestiftet hat. [...] Als die Männer darauf nicht eingehen wollten, kriegten sie Tomaten an den Kopf. [...]  Die Reaktion der Männer… zeigte, daß noch erst ganze Güterzüge von Tomaten verfeuert werden müssen, bis da etwas dämmert.”
 
Zur Politik im Schatten des Nationalsozialismus
Aus « Ein Mann mit guten Manieren »:
 “[...] ein Recke, ein Germane, ein Vollblutarier, Erzeuger vieler Kinder mit zwei Ehefrauen, denen er beiden mehr oder weniger treu war. [...] die Aufklärung über den Nationalsozialismus findet durch seine Anhänger statt, nicht durch seine Gegner.
 
Aus « Hitler in Euch »:
“Die Antwort auf Konzentrationslager liegt nicht in ihrer Abschaffung, sondern liegt in der totalen Gewährleistung politischer Freiheit für politische Gegner. [...] Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus kann nicht durch antifaschistische Sandkastenspiele nachgeholt werden, weder für die nachgewachsene Generation noch für die Älteren.”
 
Zu Gewalt und Kriegsverbrechen
 Aus « Dresden »:
“Wenn es eines Beweises bedürfte, daß die Völker von den kriegsführenden Regierungen selbst mißbraucht werden, selbst degradiert werden zu Vorwand und Oper der angewandten Barbarei—Dresden wäre der Beweis.”
 
Aus « Napalm und Pudding »
“Nicht Napalmbomben auf Frauen, Kinder und Greise abzuwerfen, ist demnach kriminell, sondern dagegen zu protestieren. [...] Es gilt als unfein, mit Pudding und Quark auf Politiker zu zielen, nicht aber, Politiker zu empfangen, die Dörfer ausradieren lassen und Städte bombardieren.”
 
Zu den Medien
Aus “Aktenzeichen XY—aufgelöst” :
“Die von der Sendung ausgehende Suggestion aber dürfte dem Befürfnis vieler entgegenkommen, aus der Rolle des Befehlsempfängers im Beruf und des Konsumenten in seinem Privatleben einmal herauszukommen, aus der permanenten Ohnmacht, Spielball zu sein, nicht Subjekt des eigenen Lebens, sondern Objekt fremder Interessen. Das Gefühl, einflußlos zu sein, daß die oben ja doch machen, was sie wollen, das Gefühl der Isolation in der eigenen Wohnstube…”
 
Zu Protest und Widerstand
Aus « Vom Protest zum Widerstand »:
“’Protest ist, wenn ich sage, das und das paßt mir nicht. Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, daß das, was mir nicht paßt, nicht länger geschieht. Protest ist, wenn ich sage, ich mache nicht mehr mit. Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, daß alle andern auch nicht mehr mitmachen.’”
 

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