GOETHE FILMS: SCHLINGENSIEF: Das deutsche Kettensägenmassaker/ Das Halten von Totenschädeln liegt mir nicht!

Schlingensiefs Fotoshooting Kettensägenmassaker © Filmgalerie 451

Do, 17.05.2018

18:30 Uhr

TIFF Bell Lightbox Toronto

GOEHTE FILMS
Filmreihe ko-präsentiert mit der Laser Blast Film Society & KinoVortex


Bilderstürmer, Enfant terrible, Agent Provocateur. Während viele den deutschen Filmemacher und Performance-Aktivisten Christoph Schlingensief (1960-2010) furchtlos nennen würden, sagte er kurz vor seinem vorzeitigen Tod selbst, dass er, um gute Filme machen zu können, sich denen annähern müsse, die er fürchtet. GOETHE FILMS zeigt zentrale Schlingensief-Projekte, die sich mit den Geistern von Europas Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auseinandersetzen – Faschismus, Kapitalismus, Teilung und Wiedervereinigung. Und dies in seinem gewohnten, rückhaltlosen Splatter-Style.

DAS DEUTSCHE KETTENSÄGENMASSAKER: DIE ERSTE STUNDE DER WIEDERVEREINIGUNG
(Deutschland 1990, 63 min), Regie Christoph Schlingensief, mit Irm Herman, Udo Kier (Regieassistenz), Szenenbild von Uli Hanisch (The International, Das Parfüm)
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DAS HALTEN VON TOTENSCHÄDELN LIEGT MIR NICHT! (Deutschland 2001, 45 min), 
Regie Alexander Kluge. Kulturtheoretiker Kluge in einem Telefongespräch mit Schlingensief vor dem Hintergrund einer kontroversen Hamletproduktion in Zürich, in der Fortinbras von Schlingensief selbst dargestellt ist und er Proteste durch das Casting von Aussteigern der rechtsextremen Szene ausgelöst hatte. 
 
3. Oktober 1990: der offizielle Tag der deutschen Wiedervereinigung. Feuerwerk erleuchtet den nächtlichen Himmel, die Massen singen die Nationalhymne. Doch Schlingensief schweift mit der Kamera ab – weg von all der Feierei. Lieber nimmt er die „Ossi“-Frau Clara in den Fokus, die in ihrem Trabant in das geheiligte Land, den Westen, flieht - den Ehegatten mit aufgeschlitzter Kehle zurückgelassend. Im Westen angekommen gerät sie ins Visier eines nach „Ossifleisch“ dürstenden Fleischerclans. „Das deutsche Kettensägenmassaker“ ist ein radikaler Kommentar zur deutschen Wiedervereinigung, der den kapitalistischen Markt mit dem Fleischgeschäft vergleicht. Der Film kommt am 29. November 1990 in die deutschen Kinos – Schlingensief hatte ihn innerhalb von zwei Wochen abgedreht. Neben dem zynisch-politischen Kommentar ist „Das deutsche Kettensägenmassaker“ in Zeiten der Hysterie eine blutige, provokative Hommage an Trash-Filme wie Hoopers „Texas Chainsaw Masacre“, oder Hitchcocks „Psycho“.

Das Halten von Totenschädeln liegt mir nicht!“ dokumentiert eine Telefonkonferenz zwischen Alexander Kluge und Christoph Schlingensief über dessen kontroverse Hamletproduktion in Zürich. Wir sehen Schlingensief am Telefon, begleitet von Szenen der Züricher Bühne. Für seine Produktion 2001 entscheidet er sich für eine klassische Version – macht dann jedoch einen radikalen Sprung in die Gegenwart: Das Setting aus altertümlichen Roben, Kronen und Waffen lässt er von einer Gruppe ehemaliger Extremisten stürmen, die das Stück unterbrechen und dem Publikum bekannt geben, warum sie mit ihrer Neonazivergangenheit gebrochen haben.

Christoph Schlingensief arbeitete fieberhaft über alle Genre-Grenzen hinweg: Oper, Installationskunst, Theater, Film, politischer Aktivismus, Radio, Fernsehen, und als Autor. Indem Schlingensief sowohl sich selbst in Horror, Trash, Satire und Experimentalfilm vertieft als auch sein erstauntes Publikum darin eintauchen lässt, macht er sich selbst zum Spuk als auch zum Orakel kommender Dinge – von neuen Medien-Formaten bis zum Wiederaufleben der Rechten. Hierfür wurde er bei der ICA London, der Biennale di Venezia (posthume Verleihung des Goldenen Löwen), MoMA PS1, Centre Pompidou und von anderen prestigeträchtigen Institutionen geehrt.
 
Geboren 1960 in Westdeutschland, schuf Schlingensief seinen ersten 8 mm Film im Atelier von acht Jahren. Seitdem produzierte er über 20 Filme, von denen mehrere in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut entstanden. Nachdem bei ihm 2008 Lungenkrebs diagnostiziert wurde, begann Schlingensief über seine Krankheit zu schreiben und veröffentlichte sein Tagebuch. Er starb 2010. Zu seinem Vermächtnis gehört das Operndorf Afrika, ein internationales Kunst- und Bildungsprojekt, das er zusammen mit dem preisgekrönten Berliner Architekten Francis Kéré ins Leben rief.
 
Philosoph, Autor und Regisseur Alexander Kluge (geboren 1932) und Christoph Schlingensief trafen sich erstmals 1993 beim Begräbnis des Schauspielers Alfred Edel (Das deutsche Kettensägenmassaker), der in Filmen beider mitgewirkt hatte. Sie wurden Freunde, und Kluge startete eine Produktionsreihe im TV, in der er Schlingensiefs Projekte porträtierte und in Interviews und Gesprächen untersuchte. Sie begannen mit „Das deutsche Kettensägenmassaker“ und endeten mit einer Episode von Schliengensiefs Musical „Mea Culpa“ kurz vor dessen Tod.
Der Titel des Programms „Approach those you fear“ bezieht sich auf ein Zitat von Christoph Schlingensief in einem 3sat-Fernsehinterview 2008.

Der Titel des Programms "Approach those you fear" bezieht sich auf ein Zitat von Christoph Schlingensief in einem 3sat-Fernsehinterview 2008.
 
Alle GOETHE FILMS sind freigegeben ab 18 Jahren. Provozierendes Bildmaterial!
 

Teil des Goethe-Institut Schwerpunkt Deutscher Film

Teil der Veranstaltungsreihe GOETHE FILMS: SCHLINGENSIEF: Approach Those You Fear

10.05. I 18:30 I "Die 120 Tage von Bottrop" von Christoph Schlingensief
17.05. I 18:30 I "Ausländer raus! Schlingensiefs Container" von Paul Poet
  
 
 

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