Es ist eines der größten Theater-Ereignisse des Jahres in Kinshasa: Die internationale Kompagnie Gintersdorfer/Klaßen zeigt „Mobutu choreografiert“. Im Interview erzählt die Choreographin Monika Gintersdorfer, wie das Stück entstanden ist und wie das transnationale Team arbeitet.
Monika, wie seid ihr darauf gekommen, ein Stück über Mobutu zu machen?
Monika Gintersdorfer: Wir mochten die kongolesische Musik aus Francos Zeiten, es heißt ja, dass es unter Mobutu eine große Förderung von Musik und Musikern gegeben hat. Selbst die Mitglieder der Nationalversammlung mussten regelmäßig singen – allerdings nicht nur aus Liebe zur Musik, sondern um Mobutu zu verehren. Der Lobgesang ist somit eine angesagte Form geworden, die in den Nachtclubs weiterlebt. Als unser Kompagnie-Mitglied Franck Yao ein Buch mit Abbildungen von Mobutu in die Hand bekam, war er von seinem eigenwilligen Chic sehr angetan. Wir wollten im Stück herausfinden, wie künstlerischen Formen der Repräsentation mit einer repressiven Politik einhergehen.
Wie habt ihr das Stück erarbeitet? Was war der Beitrag der TänzerInnen?
Unter anderem haben wir versucht, die Stile Mobutus – also den traditionellen und mystischen Chef, den Leoparden, das ‚stylishe‘ Mannequin, den Staatschef im Abacost –
in tänzerische Bewegung zu übersetzen. Die verschiedenen Legitimationen seiner Autorität werden in seinem Kleidungs- und Auftrittsstil verkörpert – er erschafft damit Hybride der Repräsentation, die sich auch bei anderen Kulturen wie z.B. dem so genannten Mao-Kittel bedienen.
Arbeiten seit 10 Jahren in der Kompagnie zusammen: Performer Franck Edmond Yao aus der Elfenbeinküste und die österreichische Regisseurin Monika Gintersdorfer
Im Stück spielt Dorine Mokha aus Kisangani mit, dazu kommt Hervé Kimenyi aus Kigali. Warum diese Zusammensetzung aus ivorischen, deutschen, ruandischen und kongolesischen KünstlerInnen?
Wir waren bei zwei Ausgaben des Festivals „Connexion Kin“ vom KVS nach Kinshasa eingeladen. Dort haben wir kongolesische Darsteller und ihre Arbeiten kennengelernt. Der Schauspieler Papy Maurice Mbwiti fand unsere Arbeit interessant. Er hat es „Theater des Risikos“ genannt, weil wir mit einem System der freien Rede operieren: Wir kennen die Argumentationen einer jeden Figur auf der Bühne, aber wir legen den Wortlaut nicht fest, so dass die Darsteller_innen während der Aufführung noch spontane Entscheidungen treffen können. Wenn wir ein Thema behandeln, versuchen wir Akteure im Team zu haben, die direkte Bezüge zum und Einblick in das Thema haben. Es wäre seltsam, ein Stück über Mobutu ohne kongolesische Performer zu machen.
Unser Stammteam besteht seit zehn Jahren aus Ivorern und Deutschen, wir haben immer eine transnationale, diskursive Herangehensweise und versuchen die verschiedenen Blickwinkel nicht zu vereinheitlichen.
Wie funktioniert diese interkulturelle Herangehensweise im Detail?
Wir arbeiten viel mit Übersetzungsprozessen, zweisprachig, manchmal dreisprachig, wir stellen interkulturelle Vergleiche an und stellen Differenzen fest in der individuellen Wahrnehmung der Performer_innen. Einigkeit gibt es selten, es ist diskursives Theater mit Tanzelementen.
Was erwartet ihr euch von den Aufführungen in Kinshasa?
Wir haben nur einen kurzen Aufenthalt in Kinshasa, aber uns interessieren die Reaktionen des kongolesischen Publikums, die ja die Mobutu-Spezialisten sind. Bisher konnten wir das Stück in Deutschland und in Brüssel zeigen.
Die Fragen stellte Gitte Zschoch
Seit 2005 arbeiten die Regisseurin Monika Gintersdorfer und der bildende Künstler Knut Klaßen mit einem deutsch-ivorischen Team an Theater-, Tanz- und Filmprojekten. Die Performer – Tänzer, Sänger, Schauspieler und manchmal auch Rechtsexperten – sind ein Kollektiv widerspruchsfreudiger Individualisten, die sich Themen auf diskursive und vehement physische Art nähern. Gastdarsteller aus dem Kongo, Ruanda und den Niederlanden ergänzen das Team.