Ein neuer Journalismus ohne Ressortgrenzen

Participantes de la Beca Gabriel García Márquez de periodismo cultural, Cartagena, Colombia, 2013

Das Netzwerk Iberoamerikanischer Kulturjournalismus der Stiftung Neuer Iberoamerikanischer Journalismus (FNPI) setzt auf herausragende Leistungen und öffentliches Engagement von Journalisten im Zeitalter umfassender Veränderungen des Kulturbegriffs.

Es gibt bloß einen Journalismus. Trotz allen technologischen Fortschritts, aller neuen Erzählweisen und tiefgreifenden Veränderungen der Informationsindustrie ist und bleibt der Journalismus, was er schon immer war: ein Weg für Leute, die sich, von unersättlicher Neugier angetrieben, der Auffassung verpflichtet fühlen, dass Information eine öffentliche Dienstleistung darstellt.

Wer diesen Weg einschlägt, kann seine Aufmerksamkeit auf die unterschiedlichsten Dinge richten. Die einen interessieren sich mehr für Politik und die Funktionsweisen von Staat und Regierung, andere für Wissenschaft, Gesundheit und Umwelt oder für die verwickelten Beziehungen von Wirtschaft und Finanzen, wieder andere für künstlerische Hervorbringungen und Ausdrucksweisen, an denen sich gesellschaftliche Entwicklungen ablesen lassen.

Die Lehrer der FNPI – der Stiftung Neuer Iberoamerikanischer Journalismus – halten nichts von journalistischen Ressortgrenzen. In den Worten der argentinischen Journalistin Leila Guerriero: „Kulturjournalismus, das gibt es nicht … Wirklich gute Kulturjournalisten können über alles schreiben.“ Ähnlich unverblümt drückt sich der Spanier Miguel Ángel Bastenier aus: „Wer sich bei mir als Kulturjournalist vorstellt, kann gleich wieder gehen. Als Journalist muss man sich für alles zuständig fühlen.“ Und beide haben recht, es gibt nur einen Journalismus, ganz egal in welchem Ressort. Beide verweisen aber auch darauf, was das Besondere eines Journalisten ausmacht, der über kulturelle Dinge berichtet: Er muss jemand sein, der über alles schreiben kann und sich für alles zuständig fühlt.

Participantes de la Beca Gabriel García Márquez

Deshalb unterstützt die FNPI Journalisten, die die Kultur aus einem möglichst breiten Blickwinkel betrachten und sich mit den dynamischen Entwicklungen beschäftigen, die sich aus den Aktivitäten einer Kulturindustrie ergeben, welche sich zunehmend massenwirksamer und verfeinerter Mittel bedient. Die Nutzung der immer reichhaltigeren kulturellen Angebote im Internet und das aufmerksame Verfolgen der unterschiedlichen kulturpolitischen Debatten im iberoamerikanischen Raum ist für solche Journalisten eine Selbstverständlichkeit.

Héctor Feliciano, Journalist aus Puerto Rico und Lehrer an der FNPI, erläutert, dass es darum geht, „den Journalismus aus dem Korsett der kulturellen Institutionen zu befreien“ und die Begeisterung für das Geschichtenerzählen wachzuhalten. Was zählt, sind aus Sicht der FNPI Journalisten, die ihre Aufmerksamkeit etwa bei einem Konzert nicht nur auf die musikalische Darbietung richten, sondern – wie Leila Guerriero es 2011 bei einem Seminar in Mexiko über neue Wege des Kulturjournalismus formulierte – auch darauf, „was für Strümpfe der Pianist anhatte“.

Auf kulturellem Gebiet fördert die FNPI bewusst die kollegiale Zusammenarbeit, die Entwicklung eines gemeinsamen Regelwerks, das Zusammengehörigkeitsgefühl einer Gruppe von Leuten, die sich für alles begeistern, was mit Sprache, genauer Recherche und sorgfältiger Erforschung der geheimen Antriebskräfte von Künstlern, Universitätsleuten, Akteuren sozialer Bewegungen oder sonstigen in der Öffentlichkeit auftretenden Persönlichkeiten zu tun hat, die bewusst oder unbewusst zur Konstruktion, Veränderung, Erneuerung und Vermischung des Kulturbegriffs im weitest möglichen Sinne beitragen.

 Participantes de la Beca Gabriel García Márquez

Deshalb verpflichtete die FNPI sich auch 2010 bei einem Seminar über Journalismus und Kultur im Rahmen des 3. Iberoamerikanischen Kulturkongresses im kolumbianischen Medellín, ein Netzwerk iberoamerikanischer Journalisten aufzubauen, das hochwertige kulturjournalistische Arbeiten wie auch den Informationsaustausch zwischen Journalisten aus Lateinamerika und von der Iberischen Halbinsel befördern soll.

Dieses Vorhaben nahm 2011 auf der Grundlage eines Kooperationsabkommens zwischen der FNPI und dem Verband Andalusischer Kulturjournalisten als „Netzwerk Iberoamerikanischer Kulturjournalismus“ konkret Gestalt an und existiert seither mit Mitteln von Organisationen wie dem mexikanischen Conaculta, dem kolumbianischen Kulturministerium und dem Kultursekretariat Barranquilla.

Ziel dieses Netzwerks ist es, eine Plattform für den Austausch über journalistisches Arbeiten zu kulturellen Themen im iberoamerikanischen Raum bereitzustellen. Diese soll der Informationsverbreitung über Quellen, Veröffentlichungen, Fortbildungs- und Arbeitsangebote und Forschungsvorhaben zu kulturellen Themen dienen. Vor allem aber sollen sich hier Aktivitäten bündeln, die das Ziel verfolgen, spanisch- und portugiesischsprachige Kollegen in Verbindung zu bringen, ihre Zusammenarbeit an konkreten Projekten zu befördern und zur Diskussion darüber anzuregen, was Kulturjournalismus sein kann, wie er sich am besten ausüben lässt und welche gesellschaftliche Bedeutung ihm heute zukommt.

Täglich aktualisiert, stellt dieses Netzwerk seinen Mitgliedern und allen übrigen Nutzern verschiedene Hilfsmittel zu Verfügung, als da wären fachspezifische Nachrichten, Veranstaltungskalender, Hinweise auf Ausschreibungen, eine Auswahl von Reportagen und anderen Formen von erzählerischem Journalismus, Links zu Informationsquellen und Online-Aktivitäten. All dies um zur Verbesserung der Reichweite und Wirksamkeit kulturjournalistischer Aktivitäten ein immer dichteres Geflecht aus Persönlichkeiten und nützlichen Arbeitswerkzeugen entstehen zu lassen.

 Seminario Nuevas Rutas para el Periodismo Cultural

Beratend unterstützt wird diese Arbeit von mehreren Journalisten und Lehrern der FNPI, die selbst als Kulturjournalisten tätig sind, sich bei ihrem Schreiben aber im erwähnten Sinne grundsätzlich „für alles zuständig“ fühlen. Zu ihnen gehören einige der leidenschaftlichsten und engagiertesten journalistischen Erzähler von beiden Seiten des Atlantiks: Héctor Feliciano (Puerto Rico), Verfasser des Buches El museo desaparecido (Das verschwundene Museum) und Lehrer an der FNPI; Gumersindo Lafuente (Spanien), Leiter von PorCausa.org und ebenfalls Lehrer an der FNPI; Alfonso Armada (Spanien), Leiter von FronteraD; Mario Jursich (Kolumbien), Chefredakteur der Zeitschrift El malpensante; Juan Boido, Cheflektor von Random House Mondadori Argentinien; Patricio Fernández (Chile), Chefredakteur der Zeitschrift The Clinic; Paulo Werneck (Brasilien), Herausgeber der Kulturbeilage Ilustrísima der Tageszeitung Folha de São Paulo; Leila Guerriero (Argentinien), Journalistin, Lektorin und Lehrerin an der FNPI; Julio Villanueva Chang (Peru), Chefredakteur der Zeitschrift Etiqueta Negra; und Jaime Abello Banfi, Leiter der FNPI.

Mittlerweile lassen sich Überlegungen und Erkenntnisse, die sich aus den von der FNPI und den mit ihr verbundenen Organisationen durchgeführten kulturjournalistischen Aktivitäten ergeben, nirgendwo so schnell und unterhaltsam verbreiten wie im Rahmen des Netzwerks Iberoamerikanischer Kulturjournalismus.

Dem Netzwerk ist es auch zu verdanken, dass das bei diesen Aktivitäten zusammengetragene Wissen heute jedermann zur Verfügung steht – ein reichhaltiger Schatz an ethischen und praktischen Hilfsmitteln und Anregungen für den beruflichen Alltag: Teilnehmerberichte, Videos, Referenzen, Ratschläge von Lehrern und weitere Unterlagen finden sich auf den Sonderseiten zu Veranstaltungen wie dem Seminar über neue Wege des Kulturjournalismus, das 2011 und 2012 in Mexiko stattfand; den Seminaren über Journalismus und Kultur in Barranquilla im Jahr 2013; oder dem Gabriel García Márquez-Stipendium für Kulturjournalismus, das im März 2014 zum zweiten Mal im kolumbianischen Cartagena stattfand, mit 15 Teilnehmern aus zehn verschiedenen Ländern Amerikas, Europas und Asiens. Das Netzwerk Iberoamerikanischer Kulturjournalismus steht damit bereit für Beiträge und Ideen von Journalisten aus allen Teilen Iberoamerikas.