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Residenzprogramm „Resonancias“ wird ausgedehnt auf chilenische Künstler*innen und zwei neue Residenzorte

Von Alejandra Villasmil
 

Base Tsonami Valparaíso © Mit freundlichen Genehmigung von Base Tsonami Valparaíso Zwischen Oktober und Dezember 2021 führen das Goethe-Institut Chile und das Institut Franҫais du Chili die zweite Version des Residenzprogramms Resonancias durch, eine Partnerschaft, die die Beziehungen zwischen Chile, Deutschland und Frankreich durch künstlerische Forschung und Praxis auf chilenischem Territorium in Zusammenarbeit mit auf Künstler*innenresidenzen spezialisierten Institutionen, die für einen interdisziplinären Ansatz offen sind, stärken und gleichzeitig sozialen Impact durch Austausch vor Ort mit den local communities erzielen will.

An dem ersten, in 2020 mitten in der Pandemie gestarteten Projekt waren zehn, über eine offene Ausschreibung ausgewählte Künstler*innen aus Frankreich und Deutschland beteiligt, die an unterschiedlichen Orten von Zentralchile bis im hohen Norden des Landes, einschlieβlich der Metropolregion Santiago, Feldforschungen durchgeführt haben. Einige dieser Residenzen sind noch mitten in der Durchführung auf Grund der Verzögerungen durch die pandemiebedingten Einschränkungen des grenzüberschreitenden Verkehrs.

Auch in dieser zweiten Phase wird Resonancias wieder vom Deutsch-Französischen Kulturfonds gefördert. Neu hinzu kommt dieses Mal die Teilnahme von chilenischen Künstler*innen und zwei neuen Residenorten, sowie die Unterstützung des chilenischen Kulturministeriums [Ministerio de las Culturas, las Artes y el Patrimonio de Chile (MINCAP)]. Das Goethe-Institut Chile und das Institut Franҫais du Chili werden somit die internationale Ausschreibung organisieren, das Programm koordinieren und die Residenzen der französischen und deutschen Künstler*innen finanzieren, während das MINCAP die Finanzierung der nationalen Künstler*innen übernimmt.

Für die Gestaltung und Durchführung der einzelnen Residenzen stehen in dieser zweiten Auflage von Resonancias sechs Residenzorte in ganz Chile zur Verfügung: in Antofagasta, ISLA, fester Bestandteil der Kunstbienale SACO; in Valparaíso, BASE, Teil des Festival de Arte Sonoro Tsonami und Casa Espacio BuenosAires 824-FIFV des Festival Internacional de Fotografía Valparaíso (FIFV); in Santiago, NAVE, eine auf die darstellenden Künste ausgerichtete Einrichtung; in Pucón, Bosque Pehuén von der Stiftung Fundación Mar Adentro für Naturschutz und Umwelt; und in Punta Arenas die Universidad de Magallanes.

Für diese zweite Auflage wurde wieder eine offene Ausschreibung organisiert, die mit fast 140 eingegangenen Bewerbungen (verglichen mit den 52 von 2020) sehr erfolgreich war. Davon wurde eine Vorauswahl von 30 Projekten getroffen, die anschlieβend in gemeinsam mit allen angeschlossenen Projektpartnern durchgeführten Interviews evaluiert wurden. Auf diese Weise wurden schlieβlich 15 Projekte ausgewählt, die im Rahmen einer jeweils einen Monat dauernden Residenz realisiert werden.

In ihrer Rolle als Host werden die Partnerorganisationen den Residenten*innen Unterkunft und einen Arbeitsplatz für ihre Forschungsarbeiten stellen, sowie den Kontakt zur lokalen Szene und den örtlichen Gemeinschaften herstellen. Ebenso begleiten sie die Resident*innen und unterstützen sie bei der Organisation und Durchfühung diverser Aktivitäten.

Ziel von Resonancias ist die Förderung von praktischer und theoretischer Forschung über Fragestellungen zum Territorium, letzteres verstanden als ein natürliches und kulturelles Ökosystem, aber auch als Austragungsort sozialer Kämpfe und geopolitischer Konflikte. Dabei sollen die Künstler*innen die Beziehungen und Spannungen zwischen Kunst und Wissenschaft, Umwelt und Artivism, Gerechtigkeit und Partizipation von Bürger*innen und Communities mit einem multidisziplinären Ansatz, der bildende und darstellende Künste, Klangkunst und Film, sowie andere Wissensbereiche miteinander verbindet, untersuchen.
Residencia Fundacion Mar Adentro © Mit freundlicher Genehmigung von Residencia Fundacion Mar Adentro NEUE PROJEKTPARTNER IM ÄUßERSTEN SÜDEN CHILES

Diese neue Auflage von Resonancias zeichnet sich durch die Erweiterung ihres geographischen Aktionsradius auf den äuβersten Süden Chiles aus mit Hilfe neuer Projektpartner in den Regionen Araucanía und Magallanes.

In Palguín Alto (Pucón) hat die Stiftung Fundación Mar Adentro (FMA) ihren Standort. Es handelt sich um eine gemeinnützige Organisation, die das Ziel verfolgt, kollaborative Erfahrungen zu generieren, die Kunst und Wissenschaft miteinander verbinden, um auf diese Weise Lernprozesse, Bewusstsein und Aktionen für den Umweltschutz zu fördern. Ihr Residenzprogramm Bosque Pehuén ist als multidisziplinäre Forschungsstation konzipiert und ausgerichtet auf die Förderung von Initiativen zur Erhaltung der Wälder und die Sensibilisierung hinsichtlich der Bedeutung der Wälder und ihrer verschiedenen ökologischen, akustischen, visuellen, historischen, kulturellen und konzeptuellen Dimensionen. So soll zur Entwicklung einer kritischen und bewussten Sichtweise der Beziehung zwischen dem Menschlichen und dem Nicht-Menschlichen beigetragen werden. In diesem Sinne sind die an der Residenz teilnehmenden Künstler*innen nach ihrem Engagement für Umwelt und die Weitergabe und Vermittlung von Wissen an das Territorium ausgewählt worden.

„Unsere Motivation uns als Stiftung dem Residenznetzwerk anzuschlieβen, liegt darin, dass alle Mitglieder die Arbeit mit der zeitgenössischen Kunst aus dem Territorium heraus begreifen. Wir brauchen den Kontakt zwischen den verschiedenen Einrichtungen, und dieses Programm eröffnet die Möglichkeit zusammenzuarbeiten und voneinander zu lernen, dass Schnittstellen zwischen einigen unserer Programme und Kollaborationen zwischen den teilnehmenden Projekten und Künstler*innen entstehen”, sagt Maya Errázuriz, Verantwortliche für Kunst und Veröffentlichungen der Stiftung FMA.

Und sie fährt fort: „Dieses Programm hat uns auch die Gelegenheit geboten, eine internationale Ausschreibung durchzuführen, die aber zugleich auch viel stärker regional ausgerichtet ist—fokalisiert auf das Territorium der Region Araucanía—, was auch die lokalen Netzwerke, die wir hier vertiefen wollten, gestärkt hat. Wir sind gespannt auf die Synergien, die aus der diversen Gruppe von Künstler*innen, die wir dieses Jahr ausgewählt haben, entstehen können, aber auch darauf, zu sehen, wie wir unter den verschiedenen Programmpartnern langfristig auf bestimmte gemeinsame Ergebnisse hinarbeiten, ein Thema, das wir schon eingehender mit NAVE diskutiert haben."

Vom 25. Oktober bis zum 22. November werden folgende Künstler*innen als Resident*innen bei Bosque Pehuén zu Gast sein: Charlène Guillaume (Frankreich), die sich mit der Alterität der Tiere und der Begegnung mit den unsichtbaren Präsenzen, die den Wald – den Bosque Pehuén – bewohnen, auseinandersetzen wird; Lina Gómez (Kolumbien – lebt in Deutschland), die untersuchen wird, wie die unsichtbaren Bewegungen des Territoriums einen Tanz generieren oder ‘spekulieren’ können und Fernando Matus (Chile),  der Werke schaffen wird, die die klangliche Biodiversität aufnehmen und interpretieren sollen, wobei auch andere, nicht klangliche Elemente sichtbar gemacht werden wie der Druck des Windes und die Bewegung, die er in den Pflanzen hervorruft, die Flugrichtung der Vögel, das Flattern, die Bewegung der Wolken, unter Anderem.
Sede Universidad de Magallanes © Mit freundlicher Genehmigung von der Universidad de Magallanes Ein weiterer Projektpartner im Süden Chiles, der zur zweiten Version von Resonancias dazustöβt, ist die Universidad de Magallanes (UMAG) über ihr Kunstforschungsprogramm Emergencias del Bentos, in dem die eingeladenen Künstler*innen -in Zusammenarbeit mit zwei Studierenden der Universität im Rahmen eines Praktikums- eine Untersuchung durchführen sollen über Unterwasserlebensräume  und die im „bentos” (Meeresgrund) von Magallanes vorkommenden Lebensgemeinschaften.

„Wir suchen nach einem Ansatz, der sich um eine Überwindung des Anthropozentrismus bemüht, jener Perspektive, bei der das Meer vom Festland aus betrachtet und dabei nur die Oberfläche gesehen wird. Wir hoffen, dass die Resident*innen zukunftsfähige Perspektiven entwerfen können, die im aktuellen Kontext des Umweltnotstands aus den reinsten Gewässern des Planeten hervorgehen”, sagt Rafael Cheuquelaf, Koordinator des Bereichs Kunst und Kulturen der UMAG.

Die Universität hat bereits mit dem Goethe-Institut Chile im Rahmen des Residenzpprogramms Magallanes 2020 zusammengearbeitet, an dem sich Schriftsteller*innen und Medienkünstler*innen beteiligt haben, die sowohl vor Ort als auch in den wissenschaftlichen Einrichtungen dieser Hochschule, wie dem Labor für Makroalgen des Instituto de la Patagonia gearbeitet haben. 

In Punta Arenas wird vom 2. bis 30. November Michelle-Marie Letelier (Chile – lebt in Deutschland) am Residenzprogramm teilnehmen. Ihr Konzept untersucht die Aquakultur und den Impact der Lachsindustrie; die anthropozentrische Ausbeutung und Manipulation lebender Meeresressourcen, sowie die Koexistenz und den allmählichen Verlust althergebrachten Wissens im heutigen Kontext.

Weitere Resident*innen sind Julie Pichavant (Frankreich) mit einem Konzept, das Forschung, den Entwurf einer Performance und einen Dokumentarfilm über den Extraktivismus und die Privatisierung des Wassers umfasst, und Franco Oviedo (Chile), der mit Hilfe einer bewohnbaren Halle, das Gefühl vermitteln will, in die Tiefen des Meeres abgetaucht zu sein.
Casa Espacio Bs As 824 - FIFV © Mit freundlicher Genehmigung von Casa Espacio Bs As 824 - FIFV VALPARAÍSO ALS ZENTRALER HAFEN

Zwei weitere Projektpartner des Residenznetzwerks Resonancias befinden sich in Zentralchile, in der chilenischen Hafenstadt Valparaíso: BASE (Teil des Festivals für Klangkunst Tsonami), und Casa Espacio BsAs 824 des Internationalen Fotografiefestivals Valparaíso (FIFV). Beide Institutionen waren bereits als Host bei der ersten Ausgabe des Programms dabei.

Die Residenz bei Casa Espacio BsAs 824, die vom 3. Oktober bis 2. November stattfindet, ist auβerdem Teil des Programms der Version 2021 des Festivals FIFV, die sich mit dem Thema des Nuevo Habitar[1] auseinandersetzt auf der Grundlage folgender Fragen: How can we re-inhabit our capacity to dream? How can we re-inhabit our common territories?

So befasst sich Laura Fiorio (Italien – lebt in Deutschland) mit dem Begriff des Nuevo Habitar im Rahmen einer kollektiven Reflexion über die Begriffe Utopie und Nicht-Ort. Mit ihrem Projekt will sie aus einer postmodernen Perspektive der menschlichen Geographie mit dem urbanen Raum und dem kollektiven Gedächtnis verbundene Probleme untersuchen.

Javiera Veliz (Chile) fragt sich „was leitet das Meer?” mit dem Ziel, den gröβten Hafens Chiles -diesen zugleich so nahen und so fernen Raum- zu ergründen und mit ihm zu interagieren, mit Hilfe eines Projekts, das Bild, Ton und Bewegung fusioniert. Bruno Roy (Frankreich) wiederum, der acht Jahre teils in Guatemala, teils in Ecuador gelebt hat, wird sich weiter mit der lateinamerikanischen Identität auseinandersetzen und Fotoessays entwickeltn, deren Protagonist*innen Valparaíso und seine Bewohner*innen sind.

Zwischen dem 25. Oktober und dem 21. November wird das Klangkunstfestival Tsonami, in seiner Residenzeinrichtung BASE Amelie Agut (Frankreich) mit ihrem Projekt Echoes Valparaíso aufnehmen. In ihrem poetischen und wissenschaftlichen Forschungsprojekt wird sie sich mit der klangliche Identität der Stadt Valparaíso und deren klanglichen Phänomene auseinandersetzen und diese in einen Dialog treten lassen. Desweiteren Peter Simon (Deutschland), der in Valparaíso die in den Mauern der Stadt eingeprägten Spuren der menschlichen Existenz suchen wird, um hörbar zu machen, was nicht mehr sichtbar ist und somit nicht bekannt ist. Damit bewegt sich sein Projekt zwischen der Naturwissenschaft/Physik und der Magie/Metaphysik. Isabel Baeza (Chile) wiederum wird eine audiovisuelle Exploration durchführen, die aus der Beobachtung und der sinnlichen Verbindung mit der Welt der Algen besteht.
Enterrar las banderas en el mar (SACO8) © Miguel Braceli ERKUNDUNG DER WEITEN WÜSTE DES NORDENS

ISLA, ein auf Forschung und Kreation ausgerichteter Residenzort in der Atacamawüste, wird das Operationszentrum in Antofagasta sein für die Künstler Daniela Zorrozua (Frankreich – lebt in Deutschland) und Maximilian Brauer (Deutschland), begleitet von dem chilenischen Künstler Javier González Pesce als Kurator. Sein Projekt Learning from Atacama: Wild Wild South, an dem zwischen dem 12. November und dem 12. Dezember gearbeitet werden soll, basiert auf der Beobachtung und Studie der Atacamawüste durch das Prisma ihrer Züge und den Lithiumabbau. Eine Untersuchung, die sich auf die Interaktion mit den Lokführern und dem Personal des Bahnunternehmens stützt und in Videos und Fotografien umgesetzt wird.

NAVE

Bei der Ausschreibung für die zweite Auflage von Resonancias gingen für NAVE keine Bewerbungen ein. Die Einrichtung wird damit zwar keine Resident*innen bei sich aufnehmen, wird sich aber trotzdem an dieser Version als Instanz für Dialog und Begegnung beteiligen, in der sich bis zum Abschluss des Programms alle Projektpartner von Resonancias treffen werden, um über Herausforderungen, Management, sozialen Impact und andere mit den Residenzen im Allgemeinen und mit Resonancias im Besonderen zusammenhängende Themen zu reflektieren. Dieses Treffen wird auβerdem die Programme weiterführen, die NAVE auf der Grundlage seines Ersten Internationalen Residenztreffens entwickelt hat. Im Rahmen dieses Treffens haben Residenzzentren aus Deutschland, Frankreich und Lateinamerika im virtuellen Format über einen Zeitraum von drei Monaten Erfahrungen ausgetauscht, wobei Resonancias als Fallstudie vorgestellt wurde.


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[1] Habitar = wohnen, bewohnen (Anm.d. Ü)
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