Kamerun
Englischsprachige Literatur: Eine Bilanz

Littérature_au_Cameroun
Littérature_au_Cameroun | Foto: V_MacViban

Die Anfänge

1959 brachte Ibedan University Press Sankie Maimos I am Vindicated heraus, welches die erste literarische Veröffentlichung eines englischsprachigen Kameruners wurde. Dies ebnete den Weg für weitere englischsprachige Schriftsteller Kameruns, wie Mbella Sonne Dipoko, Jedida Asheri, Kenjo Jumbam und Nsanda Eba. Das bedeutet jedoch nicht, dass es vor 1959 keine englischsprachige kamerunische Literatur gab. Joyce Ashuntantang führt in seiner Arbeit Landscaping Postcoloniality an, dass Schriftsteller wie Vincent Nchami bereits 1949 Geschichten für den BBC schrieben.
Sankie Maimos' Veröffentlichung erschien ein Jahr nach Chinua Achebes Publikation "Okonkwo oder Das Alte stürzt (Things Fall Apart)" von 1958, einer der ersten afrikanischen Romane, der weltweit von Literaturkritikern gelobt wurde. Von Anfang an hatte Nigeria einen großen Einfluss auf den englischsprachigen Teil Kameruns wie auf andere Länder Afrikas auch. "Okonkwo oder Das Alte stürzt"zeigte die Dringlichkeit, sich zu Wort zu melden und den kolonialen Diskurs zu hinterfragen.

Unterschiedliche Generationen

Die Onitsha-Marktliteratur zeichnet sich ebenfalls in ihrem Einfluss auf die englischsprachige Literatur Kameruns ab, hier gewinnen soziale Themen und selbst Streitschriften an Wichtigkeit. Die meisten Literaturkritiker, so Ashuntantang und Ambanasom, sind sich jedoch darin einig, dass jene erste Periode englischsprachiger kamerunischer Literatur von 1959 bis 1984 hauptsächlich das „Aufeinandertreffen“ Afrikas und Europas und den Kampf der Kulturen thematisiere. Bücher jener Epoche sind oftmals Reaktionen auf den Kolonialismus und auf die dominierende Präsens der Besatzer und den Einfluss der christlichen Religion. Beispielhaft hierfür sind: Kenjo Jumbams Roman "The White Man of God (1980)", Joseph Ngonwikuos Roman "Taboo Love (1980)", Jedida Asheris Roman "Promise (1969)", Linus Asongs Roman "Crown of Thorns (1990)", Nsanda Ebas Roman "The Good Foot (1977)", Azanwi Nchamis Roman "Footprints of Destiny (1985)" und Sankie Maimos Theaterstück "Sov-Mbang the Soothsayer (1968)".

Die Wechselwirkung der Literaturen beider Teile Kameruns ist lange kreativer Impuls gewesen, was ein wesentliches Charakteristikum der zweiten Phase englischsprachiger kamerunischer Literatur darstellt. Im Vorwort eines aktuellen Sammelbandes englischsprachiger kamerunischer Dichtung beschreibt Juliana Makuchi Nfah-Abbenyi die „offenen“ Verse als Spiegelbild eines postkolonialen Unbehagens, einer oktroyierten Vereinigung, die erneut vor ihrer Auflösung stehe. Andere sehen in jener fragilen Konstellation ein heilendes Potenzial zur Aussöhnung. Englischsprachige kamerunische Literatur stellt das sogenannte "englischsprachige Problem" ("The Anglophone Problem") in den Mittelpunkt, welches die Ängste einer an den Rand gedrängten Bevölkerungsschicht ohne Eingliederung und ohne volle Bürgerrechte bezeichnet. Für Ashuntantang beginnt jene Phase Mitte der achtziger Jahre und dauert bis hin zum Jahr 2003. Es sei die Antwort auf etwas, das Emmanuel Fru Doh als "horizontalen Kolonialismus" (horizontal colonialism) bezeichnet.

Nach der Niederlage Deutschlands nach dem Ersten Weltkrieg übernahmen Großbritannien und Frankreich Kamerun als Kolonialmächte. Nord- und Südkamerun fielen an Großbritannien, das restliche Gebiet an Frankreich. Der französische Teil Kameruns erhielt 1958 das Recht zur Selbstverwaltung und 1960 seine Unabhängigkeit. 1961 entschied sich die Zukunft des englischen Teils Kameruns über eine Urabstimmung. Der nördliche Teil wurde Nigeria angegliedert, der südliche Abschnitt vereinigte sich mit dem französischen Teil Kameruns. 1972 wurde Kamerun eine Vereinigte Republik, zehn Jahre darauf eine Republik.

Der Schriftsteller und Literaturkritiker Oscar Labang stellt Autoren aus jener geschichtlichen Phase in den Vordergrund, welche der Vereinigung grundsätzlich kritisch gegenüberstanden, da der englischsprachige Teil Kameruns unter vielen Nachteilen und Unterdrückungen zu leiden hatte. Nalova Lyonga bezeichnet jene Periode in "Le Degré Zero…Deconstructing Victimhood" als „Zeit der Schikane“. Dennoch bleibt jener historische Abschnitt nicht gänzlich auf den sogenannten horizontalen Kolonialismus beschränkt, da gerade postkoloniale Themen wie Geschlechterrollen, Andersartigkeit, Einordnungen und Mischformen deutlicher hervortreten. Beispielhaft hierfür sind: Bole Butakes Theaterstücke And Palm Wine Will Flow (1990), Shoes and Four Men in Arms (1999), Bate Besongs Theaterstücke Beast of No Nation (1990), Requiem for the Last Kaiser (1991), Victor Epie Ngomes Theaterstück What God Has Put Asunder (1992) und Babila Mutias Theaterstück Before this time, Yesterday (1995).

Die dritte Phase, die noch andauert, wird vor allem geprägt durch Autoren wie Alobwed’Epie, Nkemgong Nkengasong, Oscar Labang, Makuchi, Francis Nyamnjoh, Rosemary Ekosso, Dibussi Tande, Joyce Ashuntantang, Johnnie MacViban, Kangsen Feka Wakai, Lum Loiusa, Mbuh Tennu Mbuh, Eunice Ngomkum, John Ngong Kum, Wirndzerem G. Barfee, Giftus Nkam, Dzekashu MacViban, Bernice Angoh, Fon Tuma und Violla Allo. Die Veröffentlichungen aus dieser Periode sind geprägt durch postmoderne Einflüsse, so werden unter anderem Feminismus und die Diaspora thematisiert.

Heutiger Stand und Herausforderungen

Eine Reihe an Konferenzen und Zeitschriften ebneten der Entwicklung und der Verbreitung englischsprachiger kamerunischer Literatur den Weg. Hier sei besonders die Literaturtagung am Goethe-Institut in Jaunde im Jahre 1993 genannt, deren Verlauf von Bayreuth African Studies 30 in Zusammenarbeit mit WEKA N0.1 noch im gleichen Jahr veröffentlicht wurde. Ein Jahr darauf veranstaltete die Universität von Buea eine Tagung, deren Ergebnisse 1996 in einer Sonderausgabe von Epasa Moto erschienen. Von Bedeutung sind weiterhin die 3L-Konferenz 1999 an der Universität von Jaunde sowie verschiedene Tagungen des Vereins englischsprachiger kamerunischer Schriftsteller (ACWA - Anglophone Cameroon Writers’ Association).

Im Hinblick auf die englischsprachige kamerunische Literatur sind folgende Zeitschriften und Magazine lesenswert: ABBIA, The Mould, WEKA, PalaPala, Ngoh Nkuoh Review und Epasa Moto. Bakwam ist das einzige Online-Magazine, welches englischsprachige kamerunische Literatur sowie Schriftwerke aus anderen Teilen der Welt präsentiert.

Eine Bilanz zur Entwicklung englischsprachiger kamerunischer Literatur wäre unvollständig ohne einen Blick auf bevorstehende Herausforderungen. Oscar Labang bemerkt vor allem den Mangel an Fürsprechern sowie die noch unzureichende Präsenz im Internet. Weitere Aufgaben bestehen in der Verbreitung der Literatur, der Schaffung von angemessenen Beschreibungen und der adäquaten Besprechung der Veröffentlichungen.

Anmerkungen

  • Nfah-Abbenyi, Juliana Makuchi. “Einführung.” Englischsprachige kamerunische Dictung (“Preface.” Anglophone Cameroon Poetry) 13 Nov 2013.
  • Labang, Oscar C. “Betrayed Bond of Brotherhood: Dzekashu MacViban’s Scions of the Malcontent.” 5 Nov 2013.
  • Lyonga, Nalova. “Le Degré Zero…Deconstructing Victimhood.” Englischsprachige kamerunische Literatur (Anglophone Cameroon Writing). eds. Lyonga, Nalova, Bole Butake and Eckhard Breitinger. Bayreuth: University of Bayreuth, 1993.

Weitere Lektüre

  • Ambanasom, Shadrack. Education of the Deprived: A Study of Four Cameroonian Playwrights. Yaounde: Yaounde University Press, 2003.
  • Ambanasom, Shadrack. The Cameroon Novel of English Expression: An Introduction. Bamenda; Agwecam, 2007.
  • Ambe, Hilarious. Change Aesthetics in Anglophone Cameroon Drama and Theatre. Bayreuth African Studies 2007.
  • Ashuntantang, Joyce B. Landscaping Postcoloniality: The Dissemination of Cameroon Anglophone Literature. Bamenda; Langaa RPCIG, 2009.
  • Labang, Oscar C. ImagiNation: Theorizing the Nation in Postcolonial Anglophone Cameroon Poetry. Yaounde; Miraclaire Academic Publications, 2012.