Filmvorführung und Diskussion GENERATIONEN

Reframing the real © GRANNY PROJECT

Fr, 27.09.2019 –
So, 29.09.2019

Goethe-Institut China

Partner: DOK Leipzig, Pure Movies
Gäste: Bálint Révész, Diego Alvarez Serrano, Yang Pingdao, Zhang Mengqi
Moderation: Ralph Eue (DOK Leipzig), Yu Yaqin (Pure Movies)
Sprache der Filme: Originalsprache mit chinesischen und englischen Untertiteln
Sprache der Diskussionen: Chinesisch, Englisch
Ort: Goethe-Institut China
Adresse: Originality Square, 798 Art District, Jiuxianqiao Road No. 2, Chaoyang District, Beijing
Eintritt frei


Viele Faktoren wie Zuwanderung und Migration, moderne Arbeitsrhythmen, Bildung und Altersversorgung haben die Familienstrukturen in der heutigen Gesellschaft weitgehend umgestaltet: Familien, bei denen vier Generationen unter einem Dach leben, sind im heutigen China schon eine Rarität, während die familiären Strukturen immer vielfältiger und differenzierter werden. Damit stehen sie aber auch vor ganz neuen Problemen und Herausforderungen.
                                                                                                                                     
Kennst du deine Familiengeschichte? Wie gehst du mit den Beziehungen zwischen verschiedenen Generationen um? Wie kann man zwischen Verantwortlichkeiten und Pflichten unterscheiden? Wie gehst du mit Konflikten um? Und wie mit Isolation? Kann in einer Familie alles vergeben werden? Wie gelingt der Übergang in die späte Lebensphase? Was können Familienmitglieder eigentlich wirklich tun?
 
In Kooperation mit DOK Leipzig und Pure Movies veranstaltet das Goethe-Institut China vom 27. bis 29. September 2019 eine Reihe von Dokumentarfilmvorführungen und Diskussionen mit dem Titel „Reframing the Real: Generationen“. Acht internationale Dokumentarfilme beschäftigen sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit Fragen der Familie und der Beziehung zwischen den Generationen. Wir freuen uns, Filmemacher*innen und Gäste aus China, Deutschland, Mexiko und Ungarn bei der Veranstaltung begrüßen und zu Diskussionen mit dem Publikum einladen zu können.

 

Programm

 
27. September 2019
Filmvorführung „Rivers and My Father“

Zeit: 19:30 - 21:00
Regie: Li Luo | China | 2010 | 70 Min

Inhalt: „Rivers and My Father“ von Luo Li ist eine subtile Kombination aus Dokumentar- und Spielfilm, der von der Kindheit seines Vaters inspiriert wurde. Dank der originellen Strukturierung von Ton, Bild und Erzählung lässt Li uns erahnen, auf welch vielfältige Weise Erinnerung funktioniert.
 
 
28. September 2019

 
Filmvorführung „AMÉRICA“ mit Einführung

Zeit: 13:00 - 15:00
Regie: Erick Stoll, Chase Whiteside | USA | 2018 | 76 Min
2018 DOK Leipzig - Internationales Programm 
 
Die äußerste Schicht besteht aus Küssen und Berührungen. Ein Film, eingehüllt in Zärtlichkeit, umgriffen von Gesten der Innigkeit, Empfindsamkeit und Herzlichkeit. Diego und seine beiden Brüder sind nach Colima, in den Westen Mexikos, zurückgekehrt, um ihre 93-jährige Großmutter zu pflegen. América heißt diese alte Frau mit den träumenden Augen und dem warmen Lächeln, die abends von den Brüdern ins Bett gebracht und zugedeckt wird, die morgens von ihnen gewaschen und angekleidet wird, die mittags von ihnen umsorgt, beschützt, umtanzt wird. Der Vater der Brüder sitzt im Gefängnis, die ökonomische Situation ist prekär und die Arbeit, die anfällt, ist uferlos. Aber die Würde des Menschen und das Gesetz der Verantwortung sind unhinterfragbar, unhintergehbar. Niemals – und koste es, was es wolle, koste es Geld, Zeit, Kräfte oder eine Schlägerei – würden Diego, Rodrigo und Bruno ihre Großmutter in ein Altersheim bringen.
 
Über einen Zeitraum von drei Jahren begleiteten die US-amerikanischen Regisseure Erick Stoll und Chase Whiteside die Familie und legen mit diesem intimen Film ein Debüt vor, das mehr ist als ein Dokument der Verantwortungsethik. Es ist, so müsste man es nennen, ein Beweisstück für den Humanismus. (Text:  Lukas Stern)
 
 
Filmvorführung „RIVER OF LIFE“ mit Einführung

Zeit: 15:10 – 17:10
Regie: Yang Pingdao | China | 2014 | 103 Min

Inhalt: Ich hatte bereits geahnt, dass meine Großmutter, die mich großgezogen hat, bald sterben würde. Seit fast 13 Jahren denkt sie ständig an ihren ältesten Sohn, der vor ihr verstorben ist. Er war mein Vater. Wie meinem Vater gegenüber fühle ich mich auch jetzt machtlos. Das Einzige, was ich tun kann, ist, ihr noch vor ihrem Tod eine Geschichte unserer Familie zu widmen – über ihr Leben, über das meines Großvaters und über mich selbst. Meine Tochter wurde vier Monate nach dem Tod ihrer Großmutter geboren, es war ihnen nicht vergönnt, einander in dieser Welt zu begegnen. Meine Großmutter hatte sich vor ihrem Tod Sorgen um ihre Urenkelin gemacht und es bedauert, sie nicht mehr sehen zu können.

Also drehte ich diesen Film, der eine Konstante unseres Lebens beschreibt: den Generationenwechsel, den Wandel der Zeiten, wo das Alte durch Neues ersetzt wird, wie zum Beispiel Bräuche und Rituale. Wenn meine Tochter groß ist, möchte ich, dass sie sich diesen Film sehr genau anschaut. Ein Mensch muss die Geschichte seiner Familie verstehen.

Yang Pingdao wurde in der Provinz Guangdong geboren und studierte Filmregie an der National Academy of Chinese Theatre Arts. Zurzeit arbeitet er als Regisseur für Filme und Werbespots sowie als Drehbuchautor. Parallel dazu schreibt er auch Romane. Seine Werke wurden mehrfach ausgezeichnet. Seine bekanntesten Filme sind „Spring of Yangchun“ (2006), „My Family Tree“ (2008), „One Day as Usual“ (2012) und „Ehuang Mountain“ (2013).
 
 
Filmvorführung „GRANNY PROJECT“ mit Einführung

Zeit: 17:15 – 19:00
Regie: Bálint Révész | Ungarn | 2017 | 90 Min
2017 DOK Leipzig - Next Masters Wettbewerb
Ausgezeichnet mit dem MDR Filmpreis; Nominiert für Young Eyes Film Award

Inhalt: Wie funktionieren Erinnerungen? Wie können Erfahrungen von Generation zu Generation weitergegeben werden? Wie verändert das Erzählen das Erlebte? Gemeinsam mit ihren Großmüttern machen sich drei junge Männer auf die Suche nach ihrem historischen und persönlichen Erbe. Da sind die britische Spionin mit dem staubtrockenen Humor, die ungarische Kommunistin, die den Holocaust überlebt hat, und die deutsche Tänzerin, deren Blick zurück sich als der schwierigste erweist.
 
Im Unterschied zu vielen Dokumentarfilmen der letzten Jahre, die sich aufs Gesprächsformat konzentrierten und ihre Protagonist*innen auf ein Plateau der Ehrfurcht hoben, arbeitet „Granny Project“ ganz anders: verspielt, konfrontativ, manchmal auch albern, Momente später dann wieder ehrlich und emotional. Ein unkonventioneller Versuch der Enkelgeneration, Fragen, die ihre Eltern in den 1960er Jahren auf die Straße trieben, auf einer anderen Ebene erneut zu stellen. Dieser Film sucht jedoch weder die Gegnerschaft noch will er anklagen. Vielmehr ist er der vielleicht naive, aber nicht minder notwendige Versuch, den anderen zu verstehen. Spätestens, als die drei Großmütter gemeinsam mit ihren Enkeln und diversen Dolmetschern am Tisch sitzen wird deutlich, dass mindestens zweierlei nötig ist, um Vergangenheit und Gegenwart wirklich miteinander in Kontakt zu bringen: ein aufrichtiges Interesse am Gegenüber und eine gute Übersetzung. (Luc-Carolin Ziemann)
 
Bálint Révész begann als Kinderdarsteller in der Filmindustrie zu arbeiten und begab sich dann auf die andere Seite der Kamera. Seitdem hat er in einer Reihe unterschiedlicher Rollen gearbeitet: als Redakteur, Autor, Produzent und Regisseur. 2012 schloss er sein Studium an der Universität Brighton ab und gründete seine eigene Produktionsfirma, Gallivant Film. Seither entwickelt er Spiel- und Dokumentarfilme und scoutet Projekte für internationale Koproduktionen. Révész konzentriert sich auf Filme, die umstrittene Themen behandeln, wobei er anspruchsvolle Methoden einsetzt. An seinem ersten Dokumentarfilm, „Granny Project“, der nun bei Festivals gezeigt wird, arbeitete er sieben Jahre lang. Der Film wurde bei DOK Leipzig uraufgeführt und gewann den MDR-Preis. Révész ist der Produzent von „Another News Story“, ein Film über Journalist*innen, die die Flüchtlingskrise in sieben Ländern dokumentieren, der in diesem Jahr bei Wettbewerben wie KVIFF, ZFF und IDFA gezeigt wurde. In Zusammenarbeit mit dem BAFTA-nominierten Joshua Loftin finalisiert er einen hybriden, poetisch-dokumentarischen Film, „LFD-Hope“. Er ist auch ein Mitglied des Teams hinter „Dreampire“, des ersten globalen audiovisuellen Traum-Archivs, das in Berlin, London, Jakarta und Budapest ausgestellt wurde.

 
Q&A und Diskussion
Zeit:19:00 – 20:00
Gäste: Bálint Révész, Diego Alvarez Serrano, Yang Pingdao, Ralph Eue
Sprache: Chinesisch, Englisch
Eintritt frei
 
 
29. September 2019
 

Filmvorführung „MANIVALD“

Zeit: 15:00 – 15:15
Regie: Chintis Lundgren | Estland, Kroatien, Kanada | 2017 | Animationsfilm | 13 Minuten
2017 DOK Leipzig - Internationaler Wettbewerb Kurzfilm 

Inhalt: Manivald, ein Fuchs, wird 33. Er ist überqualifiziert, arbeitslos und eher fantasielos und lebt mit seiner überheblichen pensionierten Mutter. Er verbringt seine Zeit damit, Klavier zu lernen, während sie seinen Kaffee kocht und seine Socken wäscht. Es ist ein leichtes, aber kein gutes Leben. Ihre ungesunde Co-Abhängigkeit ändert sich, als die Waschmaschine kaputt geht und Toomas ins Spiel kommt, ein abenteuerlustiger, sexy Wolf, der nicht nur die Waschmaschine, sondern auch ihr Leben repariert.
 
Mit typisch absurdem estnischem Humor und Lundgrens fehlerbehafteten, aber liebenswerten anthropomorphen Charakteren kombiniert „Manivald“ das Surreale und Herzliche, um eine sehr aktuelle Geschichte über eine emotional unterernährte Generation zu erzählen, die auch als Erwachsene noch mit den Eltern zusammenlebt. „Manivald“ macht sich lustig über die manchmal ungesunden Beziehungen zwischen Eltern und Kindern, wobei der Film gleichzeitig die Freiheiten der Unabhängigkeit, Selbstfindung und inneren Wachstums zelebriert.

 
Filmvorführung „LOOKING LIKE MY MOTHER”
 
Zeit: 15:20 – 16:40
Buch und Regie: Dominique Margot | Schweiz | 2016 | 78 Min
2016 DOK Leipzig - Next Masters Competition
 
Inhalt: Eine audiovisuell verspielte Spurensuche: Die Filmemacherin schaut zurück in die eigene Biographie als Tochter einer depressiven Mutter und stellt sich ihrer Angst, krank zu werden wie sie.
 
In LOOKING LIKE MY MOTHER schaut die Filmemacherin Dominique Margot zurück in die eigene Biographie als Tochter einer depressiven Mutter und stellt sich ihrer Angst, krank zu werden wie sie. Sie erzählt von ihrer Ohnmacht als Kind, ihrer Wut als Teenager und ihrem späten Verstehen, wie viel Mut die Mutter brauchte, um einfach nur weiter zu atmen.

LOOKING LIKE MY MOTHER ist eine Konfrontation mit dem Dasein, eine Reise zum eigenen Lebenssinn. Ein audiovisuell verspielter Film über komplexe Familienbande und die Versöhnung mit der unterdessen verstorbenen Mutter.

 
Filmvorführung „Self-Portrait with Three Women“ mit Einführung und Q&A

Zeit: 16:45 – 19:00
Regie: Zhang Mengqi | China | 2010 | 70 Min
Crossing Festival, CCD Workstation, October, 2010 (Premiere); Taiwan International Documentary Film Festival, 2010; 5th Yunnan Multi Culture Visual Festival (YUNFEST);
YAMAGATA International Documentary Film Festival, 2011
 
Inhalt: In diesem Jahr wurde ich 23 – das Alter, in dem Frauen mit Träumen schwanger werden. Doch auch wenn wir unsere eigenen Träume pflegen, müssen wir die Lasten der Träume von zwei anderen Frauen tragen. Dieser Film begann mit meiner eigenen Suche, um dann in der Geschichte meiner Mutter und ihrer Mutter zu münden – drei Generationen von Frauen, die in ganz unterschiedlichen Zeiten aufgewachsen sind. Als Opfer einer unterdrückenden Ehe hoffte meine Großmutter, meine Mutter würde eine schöne, perfekte Ehe führen können. Als meine Mutter ihrerseits zum Opfer wurde, übertrug sie diese Hoffnungen auf mich. Die Ehe mag der Traum eines jeden Mädchens sein, aber sie ist auch das Ende dieser Träume.
 
Zhang Mengqi, geboren 1987, absolvierte 2008 die Tanz-Akademie an der Minzu University und lebt als freie Tänzerin / Choreografin und Dokumentarfilmerin in Peking. Zu ihren jüngsten Arbeiten zählen „Selbstporträt und Dialog mit meiner Mutter“ (2009), „Selbstporträt und sexuelle Selbsterziehung“ (2010), „Selbstporträt mit drei Frauen“ (2010) und „Selbstporträt: 47 km“ (2011).

 
Filmvorführung „THE PRINCIPAL WIFE“ mit Einführung
 
Zeit: 19:00 – 20:30
Regie: Hester Overmars | Niederlande | 2018 | 70 Min
2018 DOK Leipzig - Internationaler Wettbewerb 
 
Inhalt: Wie man der eigenen Familiengeschichte auf die Spur kommt, obwohl niemand offen darüber sprechen will, zeigt „The Principal Wife“ auf beeindruckende und berührende Weise. Im Mittelpunkt steht dabei die 38-jährige Malerin Marijke van der Meulen, deren Mutter Aagje sie und ihre Familie verließ, um sich einer christlichen Sekte anzuschließen, als die Tochter acht Jahre alt war. Aagje wurde zur Frau des Sektenführers, der seine Anhänger manipulierte und den man später unter anderem wegen Kindesmissbrauchs verurteilte. Marijke selbst entging zwar den Übergriffen, wird aber bis heute von den traumatischen Erinnerungen an diese Zeit verfolgt, ohne genau zu wissen, was eigentlich vorgefallen ist.
 
Mit ihren Fragen stößt sie auf eine Mauer des Schweigens. Widerwillig lassen sich Familienmitglieder und Freunde auf ein Gespräch ein, wollen allerdings anonym bleiben. Marijke akzeptiert. Fortan konzentriert sich die Kamera komplett auf sie und zeigt, wie sich Emotionen und Ängste, Wut und Trauer auf ihrem Gesicht Bahn brechen. Flankiert von ihren eigenen künstlerischen Arbeiten wird aus der kreativen Notlösung ein filmischer Glücksfall. Nur selten ist es einem Film auf so intensive und packende Weise gelungen, dabei zu sein, wenn ein Mensch die eigene Lebensgeschichte nachvollzieht und dem Geschehenen einen Sinn gibt. Am Ende steht nur noch eine Gesprächspartnerin auf Marijkes Liste …  (Text: Luc-Carolin Ziemann)

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