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Kollektive Irrationalität
„Der Dumme ist der, der Angst hat“

Die brasilianische Aktivistin und Forscherin ist dafür, mehr Wissen über Themen, die Angst oder Wut auslösen, zu verbreiten, damit die Menschen aufhören, Differenz einfach auslöschen zu wollen.

Von Yasodara Cordova

Für mich ist kollektive Dummheit schwer zu definieren, weil man dabei leicht eine Trennung aufmacht zwischen den Erleuchteten und den Ignoranten. Und der Dumme ist dem Intelligenten, Gebildeten, Edlen unterlegen – da ziehe ich es vor, den Dummen als jemanden zu verstehen, der Angst hat. Ich weiß nicht, ob Dummheit der treffendste Begriff ist.  Ich könnte statt dumm sagen „schockstarr“. Kollektive Dummheit ist ein zeitweiliger Zustand einer bestimmten Gruppe, ein momentaner Zustand, ausgelöst durch Wut, Hass oder große Angst. Für mich ist das dumme Kollektiv eine Gruppe, die Hilfe braucht, weil sie Angst hat, etwas zu verlieren oder auf eine Weise ihrem Schicksal überlassen wird. 

Beim Nachdenken über kollektive Dummheit kommt mir eine Situation in den Sinn: Menschen im Hinterland, die Homosexuelle lynchen, weil sie sie für Gesandte des Teufels halten, die Unglück über die Ortschaft oder in die Gemeinschaft bringen, in der sie leben. Noch so ein Kontext, in der sich kollektive Dummheit manifestiert, ist die in Brasilien um sich greifende Angst vor Religionen afrikanischen oder indigenen Ursprungs.
 

Kirchen, Regierungen, Schulen, Schamanen

Mögliche Strategien, solchen Fällen zu begegnen, bieten Initiativen von Institutionen, die hinsichtlich eines Konsens innerhalb der Gemeinschaft etwas zu sagen haben. Kirchen, Regierungen, Schulen und selbst Schamanen oder Gruppen und Leader jeder Art – diese Institutionen müssten das Wissen über angstbesetzte oder Wut auslösende Themen fördern und zum Ablegen der Ängste auffordern. Sie müssten Differenzen beilegen helfen, damit die Menschen nicht einfach auf die Auslöschung des „Anderen“, das sie beunruhigt, setzen. Die einzige Methode, die Ignoranz zu beenden, ist, die Angst, etwas nicht unter Kontrolle zu haben, aus der Welt zu schaffen.  

Situationen kollektiver Dummheit sind Frucht einer kollektiven Angst, die zu Wut führen kann, ja zur Verzweiflung. Die einzige Art, mit der sich kollektiver Dummheit begegnen lässt, ist sicherzustellen, dass keine Gefahr besteht. Das ist bei irrationaler, tief verwurzelter Angst überaus schwierig, aber genau dafür sind Wissen und Bildung da. Wissen und Bildung sind wirkungsvolle Werkzeuge zur Veränderung der Einstellung eines Kollektivs, das mithilfe derselben Werkzeuge aber auch dumm gemacht werden kann. Wenn die Dummheit strukturell bedingt und in bestimmten Teilen der Bevölkerungen fest verankert ist, dann besteht Anlass, Politiker und Anführer zu wählen, die Minderheiten vertreten, damit die Forderung nach Veränderung aufkommt.

Dieser Brief zum Thema „Kollektive Dummheit“ wurde von Yasodara Cordova verfasst und während des gleichnamigen Workshops vorgelesen, der 2020 im Rahmen des Programms Tramas Democráticas in virtueller Form stattgefunden hat. 

 

Tramas Democráticas verbindet Initiativen und Institutionen in Südamerika und Deutschland, die demokratische Praktiken und Werte stärken. Das Netzwerk an beteiligten Institutionen wird stetig weiter ausgebaut

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