Die Errichtung einer Stadt
Moderne Architektur in Bogotá

Torres del Parque (Rogelio Salmona)
Torres del Parque (Rogelio Salmona) | Foto: Gabriel Corredor Aristizábal, 2017

Mitte des 20. Jahrhunderts war die kolumbianische Hauptstadt unter dem Einfluss verschiedener Vertreter der Moderne, die aus Europa eingewandert waren, ein Architekturlabor. Was in dieser Zeit gebaut wurde, sollte das Stadtbild für immer verändern. Bilder von einem Rundgang zu prägenden Bauten in Bogotá.

Die moderne Architektur erreichte Kolumbien Mitte der dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts – fast zwei Jahrzehnte später als Europa, erklärt Luis Albarracín. Er ist Architekt an der Nationalen Universität von Kolumbien und organisiert Stadtrundgänge, bei denen die Architekturgeschichte Bogotás vermittelt wird. Später, in den sechziger und siebziger Jahren, habe sich verbreitet, was uns als „internationaler Stil“ bekannt sei.

Die Universidad Nacional spielte in diesem Prozess eine zentrale Rolle. Mit dem Ziel, die Modernisierung des Staats architektonisch auszudrücken, wurden mehrere Gebäude der Universitätsstadt – bekannt als „Weiße Stadt“ – vom deutschen Architekten Leopoldo Rother entworfen, der an der Bauhaus-Bewegung beteiligt gewesen war. Andere Campus-Gebäude wiederum wurden vom Italiener Bruno Violo sowie den beiden Deutschen Erich Lange und Ernesto Blumenthal entworfen. Außerdem wurde an der Universität die erste Fakultät für Architektur in Kolumbien gegründet; davor hatten die kolumbianischen Architekten in Europa studiert oder sie waren ausgebildete Ingenieure. Große Meister wie Rother unterrichteten an der Fakultät, sodass die ersten Generationen kolumbianischer Architekten aus der Bewegung der Moderne hervorgingen. Alberto Wills Ferro, Absolvent des ersten Jahrgangs, entwarf Kolumbiens Nationalbibliothek, die ein Bild vom Übergang von der neoklassizistischen Tradition mit Elementen des Art déco zur modernen Architektur liefert.

Aus den folgenden Generationen sollten zwei große Namen hervorgehen: Rogelio Salmona und Germán Samper Gnecco. Beide studierten an der Universidad Nacional und im Pariser Atelier des legendären Schweizer Architekten Le Corbusier, der Kolumbien selbst fünfmal besuchte. Beide trugen auf grundlegende Weise zum Umbruch in der kolumbianischen Architektur bei, indem sie sich an den Prinzipien der modernen Architektur orientierten: Samper durch die Konsolidierung des internationalen Stils und Salmona mit einem persönlicheren Stil, mit dem er organische Formen erforschte und Backsteine für die Fassadengestaltung einsetzte.

Die moderne Architektur entstand in Kolumbien nicht „spontan aus einer kollektiven gesellschaftlichen Bewegung heraus“, wie es Silvia Arango beschreibt, Kolumbiens wichtigste Architekturhistorikerin. „Sie wurde von einer Gruppe ausgebildeter Architekten eingeführt, die namentlich identifizierbar sind. Es bedeutete einen wahrhaftigen und radikalen Bruch mit der bisherigen Architektur: Nach dem Eindringen der Moderne in unsere Städte gab es kein Zurück mehr.“

Die Bilder unserer Fotoreportage zeigen die verschiedenen Etappen der modernen Architektur in Bogotá – vom direkten Einfluss des Bauhaus-Stils bis zur Entwicklung autonomerer Stile.
 

  • Nationalbibliothek (Alberto Wills Ferro) Foto: Gabriel Corredor Aristizábal, 2017

    Nationalbibliothek (Alberto Wills Ferro)

    Ferro schloss sein Studium an der Universidad Nacional im Jahre 1932 ab, als der Fachbereich Architektur noch zur Fakultät für Ingenieurwissenschaften gehörte. Seine Abschlussarbeit bestand im Gebäude der Nationalbibliothek. Sie wurde 1938 eingeweiht und war ein Pionierbau der modernen Architektur in Kolumbien: Obwohl sich Ferro von der historistischen und neoklassizistischen Tradition zu entfernen versuchte, sind in der Gestaltung und symmetrischen Komposition noch gewisse Züge des Art déco zu erkennen.

  • Nationalbibliothek (Alberto Wills Ferro) Foto: Gabriel Corredor Aristizábal, 2017

    Nationalbibliothek (Alberto Wills Ferro)

    Die Nationalbibliothek ist ein freistehendes Gebäude mit großen Fenstern an den beiden Fassaden. In der Mitte sorgt ein Dachfenster für Tageslicht. Die Bibliothek umfasst annähernd zwei Millionen Bände, darunter fast alle Bücher, die seit 1830 in Kolumbien gedruckt wurden, sowie Manuskripte und andere Dokumente, die zum nationalen Kulturerbe gehören, und außerdem eine Sammlung von Seltenheiten und Kuriositäten der Buchkunst.

  • Gebäude der Ingenieurwissenschaften, Universidad Nacional (Bruno Violi - Leopoldo Rother) Foto: Gabriel Corredor Aristizábal, 2017

    Gebäude der Ingenieurwissenschaften, Universidad Nacional (Bruno Violi - Leopoldo Rother)

    Erbaut zwischen 1949 und 1942, markiert es wegen seiner nüchternen Formen, des großzügigen Vorbaus und der symmetrischen Fassade mit ihrer komplexen Anordnung verschiedener Fensterensembles einen Meilenstein in der modernen Architektur Bogotás. Dank der Fenster erhellt Tageslicht die Seminarräume, Korridore und seitlichen Treppenaufgänge des Gebäudes.

  • Gebäude der Ingenieurwissenschaften, Universidad Nacional (Bruno Violi - Leopoldo Rother) Foto: Gabriel Corredor Aristizábal, 2017

    Gebäude der Ingenieurwissenschaften, Universidad Nacional (Bruno Violi - Leopoldo Rother)

    Kammförmig angelegt, treten aus dem Hauptblock nach hinten vier Schiffe in Nord-Süd-Ausrichtung hervor. In der Mitte verbindet eine Granittreppe das zweite und dritte Stockwerk, wo sich die Bibliothek und die Büros der Verwaltung befinden.

  • Alte Druckerei, Universidad Nacional – Aktuelles Architekturmuseum (L. Rother) Foto: Gabriel Corredor Aristizábal, 2017

    Alte Druckerei, Universidad Nacional – Aktuelles Architekturmuseum (L. Rother)

    An diesem Gebäude lässt sich beispielhaft das Anliegen der modernen Architektur ablesen, praktische Bedürfnisse mit einem schlichten, aber interessanten Design zu befriedigen. Ursprünglich wurde es von Rother entworfen, um die Druckerei der Universidad Nacional unterzubringen. In seinem großzügig konstruierten Inneren, das dazu gedacht war, Maschinen, Arbeitern und Material genügend Raum zu geben, wurden später Seminarräume und Säle eingebaut.

  • Alte Druckerei, Universidad Nacional – Aktuelles Architekturmuseum (L. Rother) Foto: Gabriel Corredor Aristizábal, 2017

    Alte Druckerei, Universidad Nacional – Aktuelles Architekturmuseum (L. Rother)

    An der Hauptfassade (Norden) dienen große Fenster mit schmalen Betonzwischensäulen dazu, dass sich das Licht auf gleichmäßige Weise im gesamten Inneren verteilt. Dieses Gebäude bedeutete einen Umstieg von weißen Wänden auf den Gebrauch von Backsteinen, ebenso wie eine Neuerung beim Umgang mit Raum und Volumen, wobei die Geometrie, inspiriert von den musikalischen Formen, die Schwerkraft herauszufordern scheint.

  • Hotel Continental (Vicente Nasi) Foto: Gabriel Corredor Aristizábal, 2017

    Hotel Continental (Vicente Nasi)

    Vicente Nasi kam in Turin zur Welt und absolvierte sein Architekturstudium an der Universidad Nacional von Kolumbien. Das Hotel Continental wurde 1948 gebaut, doch im ursprünglichen Entwurf waren Geschäfte und Büros vorgesehen. Als die Außenmauern standen, wurde der Plan für das Innere abgeändert, um das Gebäude in ein Hotel zu verwandeln und die Teilnehmer der neunten Panamerikanischen Konferenz zu empfangen.

  • Hotel Continental (Vicente Nasi) Foto: Gabriel Corredor Aristizábal, 2017

    Hotel Continental (Vicente Nasi)

    In seiner schmucklosen und rationalen Architektur hat das Gebäude vor allem gerade Linien und Symmetrie vorzuweisen, die mit den Krümmungen der Avenida Jiménez kontrastieren. Mitte der fünfziger Jahre erweiterte die Firma Cuéllar, Serrano, Gómez das Gebäude durch den Anbau einer vorspringenden Fensterfront zur Ostseite. Nach jahrzehntelanger Vernachlässigung wurde das Hotel 2008 renoviert und erweitert.

  • Wohnkomplex Antonio Nariño (Esguerra, García Merlano, Suárez, Meléndez und Gutiérrez) Foto: Gabriel Corredor Aristizábal, 2017

    Wohnkomplex Antonio Nariño (Esguerra, García Merlano, Suárez, Meléndez und Gutiérrez)

    Der Wohnkomplex Antonio Nariño mit seinen 14 Gebäudetürmen (acht mit je 13 und sechs mit je fünf Stockwerken) wurde 1952 eingeweiht. Er veränderte das Wohnmodell der Mittelschicht von Bogotá und leitete die Epoche des multifamiliären Zusammenlebens im in horizontales Privateigentum aufgeteilten Hochhaus ein. Dank eines Systems von Trägern und Stützen aus Stahlbeton stellte der Komplex technisch und in puncto Baumaterialien eine Pionierleistung dar.

  • Wohnkomplex Antonio Nariño (Esguerra, García Merlano, Suárez, Meléndez und Gutiérrez) Foto: Gabriel Corredor Aristizábal, 2017

    Wohnkomplex Antonio Nariño (Esguerra, García Merlano, Suárez, Meléndez und Gutiérrez)

    Die 789 Wohnungen sind von weitläufigen Grünanlagen, Spazierwegen, Geschäften, einer Schule und einem Theater umgeben. Ihre Gestaltung beruht auf einer Nachahmung des Wohnkomplexes Tusschendijken, der in den fünfziger Jahren im niederländischen Rotterdam existierte, und folgt eben den Konzepten der Internationalen Kongresse Moderner Architektur, die Le Corbusier 1945 auf die Unité d’Habitation in Marseille verwandte.

  • Planetarium von Bogotá (Pizano, Pradilla, Caro und Restrepo) Foto: Gabriel Corredor Aristizábal, 2017

    Planetarium von Bogotá (Pizano, Pradilla, Caro und Restrepo)

    1968 beauftragte das Amt des Bürgermeisters von Bogotá die Firma Pizano, Pradilla, Caro und Restrepo mit dem Bau des Bezirksplanetariums. Es war die Zeit des Wettlaufs ins All zwischen den USA und der Sowjetunion und so gedachte man mit dem Planetarium die allgemeine Begeisterung auszunutzen, um den Bürgern Astronomie und Wissenschaft näherzubringen. Der Projektor aus deutscher Herstellung von der Firma Zeiss in Oberkochen ist noch immer in Gebrauch.

  • Planetarium von Bogotá (Pizano, Pradilla, Caro und Restrepo) Foto: Gabriel Corredor Aristizábal, 2017

    Planetarium von Bogotá (Pizano, Pradilla, Caro und Restrepo)

    Das Planetarium befindet sich zur einen Seite des Parks der Unabhängigkeit hin wenige Meter von der Plaza de Toros, der Stierkampfarena entfernt. Das Gebäude ist organisch und kreisförmig angelegt, mit Fenstern rund um die Kuppel in der Mitte. Der Wettlauf ins All, Symbol der Moderne, reflektiert sich in der Gebäudekonstruktion mit seinen zwei Stockwerken und einer Terrasse, von wo aus Himmelsbetrachtungen stattfinden.

  • Hotel Tequendama (Cuellar-Serrano-Gómez) Foto: Gabriel Corredor Aristizábal, 2017

    Hotel Tequendama (Cuellar-Serrano-Gómez)

    Dieser 18-stöckige Bau wurde in den Jahren 1950 und 1951 errichtet, was gemessen am Zeitraum einen großen technologischen Fortschritt für Kolumbien bedeutete. Mit der Standardisierung von Bauelementen, Innovationen beim Material sowie der Rasterbauweise der Etagen hielt der sogenannte „internationale Stil“ Einzug in die kolumbianische Architektur. 1970 wurde ein Anbau eingeweiht, der die Kapazität des Hotels verdoppelte.

  • Hotel Tequendama (Cuellar-Serrano-Gómez) Foto: Gabriel Corredor Aristizábal, 2017

    Hotel Tequendama (Cuellar-Serrano-Gómez)

    Die rational-nüchtern gehaltene Fassade des Hotels Tequendama besteht vollständig aus Backsteinen. Es war das erste Gebäude im Ensemble des sogenannten „Centro Internacional“. Obwohl das Hotel Tequendama architektonisch nicht übermäßig hervorsticht, verwandelte sich diese Zone innerhalb des städtischen Ambientes in eine Attraktion, da ein und dieselbe Fläche zu unterschiedlichen Zwecken (Wohnen, Büros, Freizeit, Geschäfte) genutzt wurde und auf einem erhöhten Erdgeschoss öffentlicher Raum geschaffen wurde.

  • Bibliothek Luis Ángel Arango (Germán Samper) Foto: Gabriel Corredor Aristizábal, 2017

    Bibliothek Luis Ángel Arango (Germán Samper)

    Dieser Bau wurde seit 1958 in mehreren Etappen errichtet. Mit seinen 44.000 Quadratmetern ist er eines der wichtigsten kulturellen Orte in Kolumbien. Aktuell verfügt die Bibliothek über mehr als zwei Millionen Bände, elf Lesesäle, Computer- und Pausenräume sowie über einen Konzertsaal, den der Architekt Germán Samper als sein wichtigstes Werk betrachtet.

  • Bibliothek Luis Ángel Arango (Germán Samper) Foto: Gabriel Corredor Aristizábal, 2017

    Bibliothek Luis Ángel Arango (Germán Samper)

    Die Bibliothek bietet viel Raum, aber bei der Höhe richtete sich Sampers Firma an den mehrheitlich kolonialen Nachbargebäuden aus. Die Verwendung von Holz und Marmor verleihen ihr eine Nüchternheit, die immer noch Gültigkeit besitzt. Die strategische Beleuchtung im Inneren verleiht jedem Bereich seinen eigenen Charakter.

  • Avianca-Turm Foto: Gabriel Corredor Aristizábal, 2017

    Avianca-Turm (Germán Samper)

    Dieser erste kolumbianische Wolkenkratzer wurde für die kolumbianische Fluggesellschaft Avianca gebaut. Mit 42 Stockwerken und 161 Metern Höhe war er bei seiner Einweihung 1969 das höchste Gebäude Südamerikas und ein Symbol der internationalen Architektur des Landes. Am 23. Juli 1973 brach im 13. Stock ein Feuer aus, durch das vier Menschen ums Leben kamen und 63 verletzt wurden. Die Gebäudestruktur erlitt jedoch keine größeren Schäden.

  • Avianca-Turm (Germán Samper) Foto: Gabriel Corredor Aristizábal, 2017

    Avianca-Turm (Germán Samper)

    Den Entwurf lieferte die Firma von Germán Samper Gnecco, der seinen Studienabschluss an der Nationalen Universität erworben und in Le Corbusiers Atelier gearbeitet hatte. Das Gebäude der Avianca sollte Unabhängigkeit ausstrahlen und unter den Nachbarbauten hervorstechen. Auffällig sind seine geometrische Schlichtheit und die nackte Betonaußenwand.

  • Torres del Parque – Parktürme (Rogelio Salmona) Foto: Gabriel Corredor Aristizábal, 2017

    Torres del Parque – Parktürme (Rogelio Salmona)

    Erbaut zwischen 1968 und 1970, gehören diese Wohngebäude zu den herausragendsten Architekturattraktionen Bogotás und zu den Meisterwerken ihres Architekten Rogelio Salmona. Ihr Stil harmoniert mit dem der benachbarten Plaza de Toros und betont gleichzeitig die Geographie der hier ansteigenden Berge im Osten der Stadt. Salmona kostete es fünf Jahre Arbeit, diesem Projekt eine Form zu geben. Dafür gilt es als Höhepunkt der kolumbianischen Architektur der sechziger Jahre sowie in seiner persönlichen Stilentwicklung.

  • Torres del Parque – Parktürme (Rogelio Salmona) Foto: Gabriel Corredor Aristizábal, 2017

    Torres del Parque – Parktürme (Rogelio Salmona)

    Die „Torres“ sind nicht nur ein Architekturprojekt, sondern ein stadtplanerischer Meilenstein. Die drei Hochhäuser und öffentlichen Flächen wurden mit dem Material gebaut, das in den Fassaden dieser Zone vorherrschend ist: Backstein. Neben dem 37-stöckigen Wohnturm in der Mitte scheinen die beiden anderen stufenweise in einer Spiralbewegung abfallenden Gebäude die Plaza de Toros zu umarmen. Die Parktürme wurden so errichtet, dass der Blick auf die Berge im Osten unversperrt bleibt.

Top