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Jugendliche in Vukovar: Wir gehören alle zur selben Generation - aber wir kennen uns nicht

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© Canva/StockSnap

Die Gesprächspartner des Portals Autonomija sind sich einig, dass sich die Situation in Vukovar hinsichtlich der interethnischen Spannungen in den letzten zehn Jahren deutlich verändert hat, besonders unter Jugendlichen. Trotzdem halten unsere Gesprächspartner Vukovar weiterhin für eine von der Politik gefesselte Stadt, in der bestimmte Faktoren die Bewältigung der Vergangenheit behindern.

„Man trennt uns von klein auf voneinander, es beginnt schon im Kindergarten. Im Kindergarten, den ich besuchte, war ein Flügel für die kroatischen Kinder vorgesehen und der andere für serbische Kinder. Wir hatten sogar separate Spielplätze. Wir haben keinen Kontakt zueinander. Wohin man auch kommt, sieht man wer, was ist, weil man uns trennt“, beschreibt die sechzehnjährige Marijana ihr bisheriges Aufwachsen in Vukovar.

Obwohl Marijana sagt, dass Nationalismus für sie ein negativ besetztes Wort sei, gibt sie zu, dass sie in einer Familie aufgewachsen ist, der nationale Zugehörigkeit viel bedeutet.

„Meine Eltern haben mir verboten einen Freund zu haben, der Serbe ist. Freundschaften sind okay, aber eine Liebesbeziehung nicht. So wird schon in der Familie eine gewisse Distanz zu anderen geübt“, erklärt Marijana und sagt, dass Spannungen in Vukovar präsent sind. Für sie spiegeln sich diese Spannungen genau darin wider, dass man nichts voneinander weiß und voneinander getrennt wird.

„Es ist eine echt unangenehme Situation, wenn man bei einigen Projekten zusammen sein muss und ansonsten getrennt wird. Wir gehören alle zur selben Generation, aber wir kennen uns gegenseitig nicht. Wie soll ich da wissen, was diese Leute von mir denken? Wir beschimpfen uns manchmal aufgrund unserer Nationalität, wenn wir uns sehen, aber wir wissen überhaupt nichts von diesen Leuten außer, dass man von ihnen als etwas Negativem redet“, erzählt Marijana.

In Vukovar besuchen kroatische und serbische Jugendliche den Schulunterricht getrennt. Sie treffen hauptsächlich vor der Schule, wo sie zumeist in Gruppen aus der eigenen Klasse zusammenstehen, oder im Flur aufeinander.

Bildungsmodelle

In Kroatien machen Angehörige nationaler Minderheiten ihren verfassungsrechtlichen Anspruch auf Bildung mittels dreier grundlegender Bildungsmodelle geltend. A, B und C.

Modell A, nach dem die Mehrheit der serbischen Schüler in Vukovar den Schulunterricht besuchen, sieht eine Schulbildung von Minderheiten vor, die völlig in der Muttersprache und -Schrift erfolgt, wobei Kroatisch Pflichtfach ist.
  
Nach Modell B erfolgt der Unterricht zweisprachig, wobei naturwissenschaftliche Fächer auf Kroatisch unterrichtet werden und sozialwissenschaftliche Fächer in der Minderheitensprache. Bei Modell C erfolgt der Unterricht auf Kroatisch, wobei es ergänzend Unterrichtsstunden gibt, die der Pflege der Kultur und Sprache der jeweiligen Minderheit dienen.

Einen ähnlichen Eindruck hat auch Marijanas Mitschülerin Milana aus der anderen Klasse. Sie sagt, dass junge Serben und Kroaten nur „hier und da“ zusammenkommen, gerade weil die meisten sich für ihre Seite entschieden haben.

„Sie positionieren sich nicht danach, wer wie ist, sondern man schaut danach, wer welcher Nationalität angehört. Das spürt man in, aber auch außerhalb der Schule, daran in welchen Club man ausgeht“, erzählt Milana und sagt, dass man in der Stadt wisse: In Dalj, einer Ortschaft bei Vukovar, gehen die Serben aus und im Klub „Madero“ in Vukovar findet man hauptsächlich Kroaten vor.

„Wenn in Dalj ein Kroate auftaucht, kann es zu einer Schlägerei und eingehauenen Köpfen kommen. Als wäre es verboten, dass sie kommen, und wir Kinder sind es, die es verbieten. Es werden absichtlich provokative Lieder gespielt. Es kommt auch vor, dass wir uns in den sozialen Netzen gegenseitig provozieren, zum Beispiel am Jahrestag der Vertreibung der Serben aus Knin oder am Gedenktag zum Fall von Vukovar. Wenn wir Serben etwas zum Gedenken posten, dann müssen wir uns von den Kroaten Vorwürfe und Beschimpfungen anhören“, erzählt sie.

Außer solchen Spaltungen hat Milana Intoleranz auch an der eigenen Haut zu spüren bekommen.

„Wenn ich in der Schule den Flur entlang gehe und etwas auf Serbisch sage, dann erwidern mir manche etwas, womit sie mein Serbisch ins Kroatische korrigieren. Das bringt mich völlig aus dem Takt. Ich verstehe diese unnötigen Kommentare nicht, ich spreche nur meine Sprache“, sagt sie und erklärt: „Ich wollte mich nie mit denen streiten. Ich sage immer: Ich liebe das Eigene und respektiere das Fremde.“

Obwohl Vukovar auch heute noch, über dreißig Jahre nach Kriegsende, mit Intoleranz und interethnischen Konflikten und Distanz gleichgestellt wird, lebten vor dem Krieg in dieser Stadt mehr als 25 nationale Gemeinschaften friedlich miteinander. Die beiden größten, Kroaten und Serben, lebten bis zum Krieg zusammen und sprachen dieselbe Sprache.
 

Früher und heute

Dieses Jahr wurde am 18. November der 31. Jahrestag des Falls von Vukovar begangen.

Die Belagerung der Stadt begann am 25. August 1991 und dauerte 86 Tage. Nach mehreren Monaten Granatenbeschuss seitens der Jugoslawischen Nationalarmee und serbischer paramilitärischer Truppen, nach über 3000 verlorenen Leben, ergaben sich die Verteidiger der Stadt. So wurde Vukovar am 18. November 1991 Teil der selbstausgerufenen Republik Serbische Krajina.

Im November 1995 wurde das „Grundabkommen über die friedliche Wiedereingliederung Ostslawoniens, Baranjas und Westsyrmiens“, bekannter als das Abkommen von Erdut, unterzeichnet. Die friedliche Wiedereingliederung des kroatischen Donauraums war ein zweijähriger Prozess der Rückführung besetzter Gebiete in die verfassungsrechtliche Ordnung Kroatiens.

Offiziell begann Sie im Januar 1996 und endete 1998, als Vukovar wieder unter kroatische Hoheit gestellt wurde. Trotzdem, auch wenn über dreißig Jahre vergangen sind, sind die Folgen dieses dreimonatigen Konflikts, der schlimmen Zerstörungen, der Belagerung, aber auch der Jahre der Trennung zwischen 1992 und 1996 in der Stadt immer noch spürbar.

Die Stadt wurde fast vollkommen wiederaufgebaut, aber bei einem Spaziergang sieht man immer noch Gebäude, die Spuren von eingeschlagenen Granaten und Beschuss tragen. Auch die Atmosphäre in der Stadt wird hinsichtlich der interethnischen Beziehungen weiterhin oft als angespannt beschrieben.

Die Aktivistin und Politikwissenschaftlerin Biljana Gaća ist zwei Jahre nach der friedlichen Wiedereingliederung aus der Vertreibung nach Vukovar zurückgekehrt. Sie war damals erst zehn Jahre alt und beschreibt ihre Erinnerung an diese Zeit als traumatisch:

„Zu der Zeit waren hier noch wenige Kroaten und die Intoleranz war auf beiden Seiten zu spüren. Ich erinnere mich gut an diese Zeit. Im Winter wird es früh dunkel und wir rannten nach Schulschluss aus der Schule, um so schnell wie möglich nach Hause zu kommen, weil man nie wusste, hinter welcher Ecke ein Idiot lauerte. Im Dunkeln war man nicht zimperlich damit, wer wen verprügelt. Es traf Mädchen genauso wie Jungen, eine schlimme Erfahrung“, erzählt Biljana Gaća.
 

Ein Schritt zurück

Erst mit dem Regierungswechsel 2009 kam es zu spürbaren Veränderungen. Nach Biljana Gaćas Worten trat die Linke an die Stelle einer nationalistischen Regierung und die Menschen konnten durchatmen. Die Cafés hörten auf streng kroatisch oder serbisch zu sein, die Straßen wurden ruhiger.

„Mit 19 habe ich zum ersten Mal ein serbisches Café betreten. Niemand sah mich komisch an, ich bestellte auf Kroatisch und die serbische Kellnerin verstand mich natürlich und bediente mich problemlos. Zu der Zeit begannen sich die Dinge spürbar zu ändern“, erinnert sich unsere Gesprächspartnerin.

Doch das wehrte nicht lange. Schon 2013 habe die Stadt Vukovar einige Rückschritte gemacht, findet sie. Nach der Volkszählung 2011 kam es wieder zum Regierungswechsel und die rechte Propaganda mehrte sich. Das wurde vor allem an der Frage der kyrillischen Schrift deutlich.

Die Volkszählung 2011 hatte gezeigt, dass in Vukovar über ein Drittel der Bevölkerung Serben waren. Das bedeutete, dass sie in Vukovar gemäß Verfassungsgesetz über die Minderheitenrechte in Kroatien Anspruch auf die amtliche Nutzung ihrer Sprache und Schrift haben.

Dennoch, obwohl die serbische Minderheit in Vukovar diesen Anspruch geltend machte, wurden anlässlich des Beginns der amtlichen Nutzung serbischer Sprache und kyrillischer Schrift 2013 die kyrillischen Schilder an öffentlichen Behörden von kroatischen Nationalisten zerstört. Außerdem fanden in Vukovar einige Proteste gegen die dortige Nutzung der serbischen Sprache und Schrift statt.

Anđelka Pejić, Journalistin des Stadtradiosenders Dunav, der auf Serbisch sendet, sagt, dass die Frage der kyrillischen Schrift auf öffentlichen Schildern ein Beispiel der Nichteinhaltung des Verfassungsgesetzes in Vukovar sei.

„Ich weiß gar nicht, wie oft der Staat Schilder aufhängen ließ und wie oft sie die Nationalisten beharrlich zerschlagen oder zerstört haben. Dieser Hass gegen die kyrillische Schrift geht mir nicht in den Kopf. Man hat sie doch nicht mit Fibeln beschossen. Das ist die Schrift einer Gemeinschaft“, sagt sie.

Die Einzeltäter seien bestraft worden, erinnert sich unsere Gesprächspartnerin, aber man habe die Schilder trotzdem aufgegeben.

„Der Staat, Brüssel, Europa - alle haben darauf geschwiegen, weil man der Ansicht war, dass es sich um unsere interne Angelegenheit handelte, die wir selbst in Ordnung bringen müssen. Die Behörden der Stadt haben versucht die Schilder einmal, zweimal, dreimal, fünfmal wieder aufzuhängen, aber letztendlich gaben sie es auf“, erzählt Anđelka Pejić.

Das sei einer der Faktoren, die zeigen, dass in Vukovar andere Regeln gelten als im Rest Kroatiens, findet sie. Schon allein deshalb, weil die verfassungsrechtlichen Ansprüche anderer Minderheiten, beispielsweise der Ungarn oder Italiener, respektiert würden, aber nicht die der Serben in Vukovar.

„Das Problem dieser Gesellschaft und dieses Staates ist, dass man so tut, als wäre Vukovar nicht Teil Kroatiens. Was ist das für ein Staat, der seine eigenen Verfassungsgesetze nicht befolgt? Vukovar wird behandelt, als wäre die Stadt eine separate Einheit und davon wird nicht abgelassen, man lässt uns nicht weiterleben. Die kroatische Gemeinschaft ist hinsichtlich der Frage Vukovars im Jahr 1991 stecken geblieben“, urteilt unsere Gesprächspartnerin.
 

„Wir trennen sie schon im Kindergarten“

Der Achtzehnjährige Kristijan Mikloš aus der Nikola-Tesla-Technikschule sagt, dass es definitiv Spannungen gebe, und dass interethnische Konflikte manchmal auch in seiner Schule vorkämen. Doch er habe den Eindruck, dass sich die Situation in letzter Zeit bessert.

„Wir hatten in der Schule neulich ein Projekt, im Rahmen dessen wir unser katholisches Weihnachten vorstellten und die Serben ihr orthodoxes Weihnachten. So haben wir es langsam geschafft, eine Brücke zu bauen, mit der wir die beiden Nationalitäten verbunden haben und langsam beginnen wir auch außerhalb der Schule, Zeit miteinander zu verbringen“, sagt Kristijan.

Die Dinge änderten sich, aber langsam, findet die Politikwissenschaftlerin Biljana Gaća, und das Bildungssystem helfe dabei nicht.

„Wir trennen sie im Kindergarten, in der Grundschule und weiterführenden Schulen, und dann erwarten wir, dass sie sich in die Arme fallen und küssen. Seit Jahren erzählt man den Kindern, dass die Kinder der anderen ethnischen Zugehörigkeit „anders“ sind. Wie soll man da erwarten, dass sie etwas miteinander zu tun haben? So geht das nicht“, sagt unsere Gesprächspartnerin.

Andererseits findet die Journalistin Anđelka Pejić, dass das Modell A, gemäß dem die Serben in Vukovar unterrichtet werden, gut ist.

„Wenn man das Modell A abschaffen würde, würde es zu Assimilierung kommen und wir würden verschwinden. Das bezieht sich auf die Geschichte, Geographie, die serbische Sprache. Wo sollen meine Kinder morgen etwas über den serbischen Helden Miloš Obilić oder die Resava-Schule lernen? Das gehört alles zu unserer Kultur und dazu, wer und was wir sind.“

Genau deshalb, findet Biljana Gaća, müssten neue Schulbildungsmodelle in Betracht gezogen, bestehende jedoch nicht abgeschafft werden.

„Die Serben haben absoluten Anspruch darauf nach dem Modell A unterrichtet zu werden, aber man muss eine Kampagne starten und die Eltern informieren. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Eltern gar nicht wissen, welche Bildungsmodelle es gibt“, sagt unsere Gesprächspartnerin. Ihrer Ansicht nach sollte man eine Versuchsklasse gründen, die auf freiwilliger Basis ethnisch gemischt wäre.

„So könnte man schrittweise, Jahr für Jahr, zeigen, dass die Kinder miteinander funktionieren können, dass es schön ist, wenn sie voneinander lernen, und nicht nebeneinander vor sich hinleben.
 

Die Idee der interkulturellen Donauschule

Die Idee, dass man in Vukovar eine Bildungsalternative, ein zusätzliches Schulmodell, anbietet gab es auch vor ein paar Jahren.

Im Jahr 2016 wollte man die interkulturelle Donauschule gründen, doch es kam nie zur Anmeldung von Schülern in diese Schule. Am Ende gab man die Idee auf, auch auf politischen Druck des Stadtrates.

Die Autoren der Studie „Eine von der Politik gefesselte Stadt“ Dinka Čorkalo Biruški, Nebojša Blanuša und Iva Kapović haben die Bewohner von Vukovar dazu befragt, wie sie es finden, dass die interkulturelle Donauschule nie eröffnet wurde.

Die Ergebnisse zeigten, dass 79 Prozent der Befragten es schade finden, dass die interkulturelle Donauschule nie eröffnet wurde.

Den Worten der Studienautoren zufolge ist das Beharren auf nur einem Bildungsmodell, dass eine dauerhafte ethnische basierte Trennung von Kindern und Jugendlichen vorsieht, etwas, was einer Politik vergangener Zeiten angehöre.

„Das momentane Bildungsmodell berücksichtigt nicht die wirklichen und vielfältigen Bedürfnisse aller Kinder und letztendlich berücksichtigt es auch nicht das Wesen der Stadt als Gemeinschaft, ihre Geschichte und kontinuierliche Multikulturalität sowie die Tatsache, dass die Aufteilung auf nur Kroaten und Serben die ethnische Vielfalt und Realität der Stadt Vukovar überhaupt nicht widerspiegelt“, besagt die Studie und fügt hinzu, dass die Ergebnisse der Studie darauf hinwiesen, dass die BürgerInnen zu neuen und anderen bildungspolitischen Maßnahmen bereit seien.
 

Studenten - eine andere Geschichte

Der Vukovarer Branislav Nudić (23) studiert an der Lavoslav-Ružička-Fachhochschule in Vukovar. Er erzählt, dass er Spannungen und eine unangenehme Atmosphäre bezüglich der interethnischen Beziehungen während der weiterführenden und der Grundschule gespürt habe. Jetzt sei es anders.

„An der Fachhochschule spürt man keine Intoleranz. Ich habe den Eindruck, dass wir darüber hinausgewachsen sind, wir sind erwachsen geworden. Ich glaube, wir haben den Nationalismus alle satt“, sagt Nudić.

Sein Kommilitone Tomislav Širić (20) aus Vukovar erzählt, dass er im Sommer vor Beginn des Studiums eine unangenehme Situation erlebt habe, als er ein serbisches Café betreten habe und ihm gesagt worden sei, er sei hier als Kroate nicht willkommen.

Doch während des Studiums habe er keine Probleme dieser Art gehabt und sagt, dass Kroaten und Serben an der Fachhochschule problemlos miteinander verkehrten.

„Ich hoffe, dass die neuen Generationen das hinter sich lassen. Ich persönlich heiße den Nationalismus nicht gut, ich bin dagegen. Was passiert ist, ist passiert. Wir sind eine neue Generation. Wir waren damals noch nicht mal auf der Welt“, sagt Širić.

Die Politologin Biljana Gaća hebt gerade die Lavoslav-Ružička-Fachhochschule, die den Namen des berühmten Vukovarers trägt, der 1939 den Chemienobelpreis erhielt, als Beispiel einer gemeinsamen Bildungsform ohne nationale Spannungen hervor.

„Die Kinder durchlaufen den Kindergarten, die Vor- und Grundschule sowie die weiterführenden Schulen komplett getrennt. Dann entscheiden sich beispielsweise ein Serbe und eine Kroatin fürs Physiotherapiestudium an der Fachhochschule. Sie gehen gemeinsam zu Vorlesungen, sitzen nebeneinander und es gibt keine Probleme. Sie verstehen einander, kommunizieren, verbringen Zeit miteinander, verlieben sich und schreiben gemeinsam Spickzettel. Man muss das System verlassen, das einen zur Trennung zwingt“, sagt Biljana Gaća.

Bildung und die Verarbeitung von Traumata seien das Grundlegende, meint sie.
 

Gemeinsame Probleme

Die Studie „Eine von der Politik gefesselte Stadt“ hat ergeben, dass über 80 Prozent der Bevölkerung Vukovars mit der bestehenden politischen Situation in der Stadt unzufrieden sind. Geleitet wird die Stadt von Bürgermeister Ivan Penava aus der rechtsgerichteten Partei Domovinski pokret (Heimatbewegung). Die Studie besagt, dass bei den meisten BürgerInnen der Stadt das Gefühl des Gefangenseins vorherrscht.

Zu den größten Problemen gehört für sie laut Studie an erster Stelle die Jugendabwanderung. Die Einwohnerzahl der Stadt Vukovar ist der letzten Volkszählung von 2021. zufolge in nur einem Jahrzehnt von 27683 auf 23175 zurückgegangen. Des Weiteren plagt die Bevölkerung ein Mangel an Arbeitsplätzen, die Trennung der Kinder im Kindergarten und in den Schulen, die schlechte politische Lage, der generelle national gespaltene Charakter der Stadt sowie die Korruption.

Die Studie hat gezeigt, dass das negative Bild der Stadt in der Öffentlichkeit den Bewohnern sehr nahe geht. Sie sind bereit zur Bewältigung der kriegerischen Vergangenheit und haben ein starkes Verlangen nach Veränderungen in der Kommunalpolitik und ein ausgeprägtes Gefühl, national gespalten zu sein.

Die Autoren der Studie schlussfolgern: Die BürgerInnen von Vukovar teilen, ungeachtet ihrer ethnischen Zugehörigkeit, das Gefühl des Gefangenseins – dieses Gefühl verursachen nicht nur die lokalen Entscheidungsträger und deren schlechte Politik sowie das entmutigende politische Klima, sondern auch die Traumata des Krieges, die an die Jugend weitergegeben werden.

Die Journalistin Anđelka Pejić ist der Ansicht, dass die Menschen bereit sind für einen Neuanfang und stimmt zu, dass die Vukovarer, sowohl Serben als auch Kroaten, viele gemeinsame Probleme haben.

„Arbeitslosigkeit, die Abwanderung der Jugend – packen wir das gemeinsam an“, schlussfolgert sie.

Der Beitrag ist im Rahmen des Projekts Media Incubator in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut entstanden. Die Goethe-Institute aus Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Rumänien und Nordmazedonien unterstützen mit diesem Projekt gesellschaftlich verantwortungsvollen Journalismus.