Debatte Games & Politics - Das Anspielen

Sunset © Auriea Harvey & Michaël Samyn (Tale of Tales), 2015

21.06.2019 um 19:00 Uhr

KCB Podroom, Knez Mihailova 6

Computergames aus Perspektive von Anthropologie und Bildung, von Kulturwissenschaften und Kreativen Industrien

Teilnehmer*innen: Anja Zlatović, Isidora Todorović und Uroš Krčadinac, Vitomir Višnjić

Im Rahmenprogramm zur Ausstellung „Games and Politics“ möchten wir eine Debatte über die Bedeutung und über die gesellschaftliche Rolle von Video-Spielen in der Welt von heute anstoßen. Unsere Diskussion strebt dabei keine definitiven Antworten auf alle aufgeworfenen Fragen an, sie möchte lediglich auf einige wichtige Themen aus der anthropologischen und kulturwissenschaftlichen Perspektive sowie aus Perspektive von Bildung und von Kreativen Industrien hinweisen und damit sowohl die Fachkreise als auch eine breitere Öffentlichkeit zu intensiveren Debatten über die Bedeutung von Spielen und über ihren Einfluss auf die Gesellschaft motivieren.
 
Anja Zlatović, Anthropologin am Forschungsinstitut für Ethnologie und Anthropologie Belgrad, wird die wichtigsten Ansätze bei der ethnologischen und anthropologischen Erforschung von Spielen vorstellen und die interessantesten Ideen skizzieren, die dabei bis dato eine bedeutende Rolle gespielt haben. Im Gespräch mit anderen Teilnehmer*innen wird sie sich des Weiteren mit der Rolle von Spielen im Alltag der Spieler*innen auseinandersetzen und darauf hinweisen, was man daraus über die heutige Gesellschaft sowie über Politik, Religion und Kultur lernen kann. Ana Zlatović wird dabei versuchen zu erklären, warum die Games als Medium für unsere Gesellschaft so wichtig sind, und wie sie uns dabei helfen könnten, unsere Gesellschaft besser zu verstehen. Sich mit Spielen zu beschäftigen, ist eben kein bloßes Spiel mehr, sondern ein ernstzunehmendes wissenschaftliches Thema.
 
Isidora Todorović wird ihre eigenen Erfahrungen als Dozentin, Autorin von politischen Spielen und Medientheoretikerin mit den anderen Diskussionsteilnehmer*innen teilen. Obwohl es in der Praxis bestätig werden konnte, dass Spiele zu einer spürbaren Beschleunigung und Erleichterung des Lernprozesses beitragen, werden sie im Bildungsprozess keinesfalls flächendeckend eingesetzt, unter anderem deswegen, weil viele davon ausgehen, Games würden sich als Unterrichtsmethode nur für kleine Kinder eignen. Als Medientheoretikerin weist Isidora Todorović außerdem auf das Problem der Politisierung von Spielen hin, und zwar zum Zwecke der Aufrechterhaltung eines manipulativen sozioökonomischen Systems. Sie setzt sich mit der mehrheitlich korporativen Herkunft von kommerziellen Spielen auseinander und beleuchtet diese kritisch. In ihrer Eigenschaft als Autorin von politischen und künstlerischen Spielen kann Isidora Todorović zudem den subversiven Zugang der Künstler*innen näher erklären, die Computer-Spiele zum Zwecke der Gesellschaftskritik oder als eine Art Bildungsplattform benutzen, um einen öffentlichen Dialog anzustoßen, oder um soziale, politische und wirtschaftliche Probleme zu mappieren. Damit erweitern die Künstler*innen ihre eigenen Tätigkeitsfelder und erhalten dadurch die Möglichkeit, ein breiteres Publikum zu erreichen.
 
Uroš Krčadinac ist Dozent für Digitale Kunst und für Computerwesen an der Fakultät für Medien und Kommunikation Belgrad. Bei der Debatte im Kulturzentrum Belgrad wird er u. a. über sein Verständnis von Computer-Spielen im Kontext der interaktiven Kunst und Literatur und von Digital Humanities reden. In welchem Kontext sind Video-Spiele am besten zu verstehen? Als künstlerisches Medium, als technisches Produkt, als Meme, als Teil der Unterhaltungsindustrie, als eine Möglichkeit für subversives Handeln und für kritische Reflexion oder als eine Synthese aller anderen Kunstgattungen, von der bildenden Kunst und Literatur, über Film, bis zu Comics? Warum gelten selbst schlechte Romane als Kunst, während Computer- bzw. Video-Spiele um einen solchen Status noch kämpfen müssen? Für Uroš Krčadinac stellt sich außerdem die Frage nach der Rolle von Computerspielen in einer gamefizierten Welt, in der alles zu einem vom Konkurrenzdenken bestimmten Spiel mutiert ist, bei dem man um Punkte und um Geld kämpfen muss?
 
Vitomir Višnjić, Architekt und konzeptueller Künstler, arbeitet bei MadHead-Games und kann somit über seine Erfahrungen bei der Entwicklung von kleineren und größeren Computer-Spielen berichten und auf die vielfältigen Talente hinweisen, über die man als Spiele-Entwickler verfügen muss. Um ein solches multimediales Projekt zu verwirklichen, sind unterschiedlichste Kenntnisse und Skills notwendig. Dies gilt für jeden Schritt bei diesem Prozess: von der Vorproduktion mit regen Diskussionen und mit den ersten Entwürfen, über die zentrale Phase, bis zur Postproduktion. Darüber hinaus möchte Vitomir Višnjić bei der Diskussion die Frage eröffnen, warum die Entwicklung von Video-Spielen oft weder als Beruf noch als Kunst verstanden wird, und wie man dies ändern könnte.
 

Anja Zlatović ist Promotionsstudentin an der Universität Athen und wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Ethnologie und Anthropologie Belgrad. In ihrer Forschungsarbeit fokussiert sie sich aktuell auf Untersuchungen zum Thema Sterbeprozess im Internet. Darüber hinaus gilt ihr Interesse der digitalen Anthropologie im Allgemeinen, der Cyber-Anthropologie, den Neuen Medien und der Kunst. Auf dem Gebiet Video-Spiele fokussiert sie sich auf digitale Identitäten und auf die Übertragung von Phänomenen wie Kultur, Gemeinschaft, Religion und Politik in virtuelle Welten.
 
Isidora Todorović arbeitet als Dozentin an der Kunstakademie Novi Sad, an der sie zuvor ihr Diplom- und ihr Master-Studium erfolgreich abgeschlossen hatte. Derzeit leitet sie das Institut für Neue Medien an ihrer Alma Mater. In ihren Arbeiten setzt sich Isidora Todorović mit dem technischen, kulturologischen und politischen Kontext der Kunst auseinander. Als Ausdrucksmittel setzt sie dabei oft das politische und das soziale Spiel, interaktive Installationen und gesellschaftlich engagierte Projekte ein. Ihre Arbeiten wurden bei diversen Festivals der digitalen Kunst im In- und Ausland ausgestellt. Isidora Todorović’ preisgekröntes Spiel „One Good Day“ macht die Spieler*innen auf die Probleme von Novi Sad aufmerksam. Indem sie das Spiel auf ihren Android-Handys spielen und dabei in der realen Welt die wichtigsten Lokalitäten in Novi Sad besichtigen, werden die Spieler*innen über die Hintergründe von politischen Kämpfen informiert, die dort ausgetragen worden sind oder dort immer noch ausgetragen werden.
Das besondere Interesse von Isidora Todorović gilt den biopolitischen Theorien, dem Postfeminismus und der DIY-Kultur. Aktuell unterrichtet die junge Dozentin Digitale Kunst an der Kunstakademie Novi Sad, veröffentlicht Texte über das politische Umfeld der Technik, veranstaltet Kulturevents, die den Zusammenschluss zwischen Kunst und Technologie feiern, und stellt dem Publikum die Neue-Medien-Szene in ihrer Stadt vor. Darüber hinaus ist sie auch als freischaffende Künstlerin aktiv.
 
Uroš Krčadinac wurde 1984 in Pančevo (Serbien) geboren. In seiner Arbeit versucht er, die eigenen Erfahrungen auf dem Gebiet Daten-Visualisierung, Computerwissenschaften, Animationsfilm, Literatur, interaktive Kunst und Design miteinander zu verknüpfen, um sie dann in ein neues Ganzes einfließen zu lassen. Sein Studium an der Fakultät für Organisationswissenschaften der Universität Belgrad schloss Uroš Krčadinac mit einer Promotionsschrift auf dem Gebiet Computerwissenschaften ab. Er ist der Entwickler von Synesketh, einer Software-Bibliothek für Erkennung und generative Visualisierung von Gefühlen. Darüber hinaus ist er Koautor, Illustrator und Mitherausgeber des Reisebuches „Bantustan“, in dem er seine dreimonatige Abenteuer- und Erkundungsreise durch Afrika beschreibt. Das Buch ist bereits in der dritten Auflage erschienen. Hauptberuflich arbeitet Uroš Krčadinac als Dozent für Digitale Kunst und Computerwissenschaften an der Fakultät für Medien und Kommunikation  Belgrad und ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Design-Seminar am Forschungs- und Bildungsförderungszentrum Petnica (Valjevo, Serbien). Seine Arbeit stellt er auf zahlreichen Kunstfestivals und wissenschaftlichen Konferenzen vor und publiziert sie in renommierten wissenschaftlichen Zeitschriften. Zu diesen Festivals, Konferenzen und Zeitschriften zählen u. a.: International Digital Media and Arts Association, Creative Review, VisualComplexity.com, Filmfest Dresden, Re:publica, IEEE Transactions on Affective Computing und IEEE Transaction on Human-Machine Systems.
 
 
Vitomir Višnjić
Sein Studium an der Architektonischen Fakultät Belgrad schloss Vitomir Višnjić zuerst mit einem Diplom- und danach mit einem Master-Abschluss ab. Seit 2015 arbeitet er bei MadHead-Games als konzeptueller Künstler. Er war an der Entwicklung mehrerer HOPA-Games beteiligt und hat selbständig ein Computer-Spiel mit dem Titel „Adam Wolf“ veröffentlicht. Seit 2017 ist er an der Entwicklung des Spiels „Pagan Online“ beteiligt, die seit April 2019 im Early Access bei Stream erhältlich, der weltweit beliebtesten Plattform für Spiele. Im Mittelpunkt seiner Arbeit stehen kreative und originelle Lösungen für visuelle Fragen und Probleme. Damit spielt er eine wichtige Rolle in den frühen Phasen der Game-Entwicklung und hat einen großen Einfluss auf die visuelle Identität des jeweiligen Spiels. Bei der Produktion ist er für kreative Lösungen bei jedem Aspekt des Spieles verantwortlich, z. B. für Figurendesign, Szenografie, Waffendesign usw. Zu seinen Interessen gehören: digitale und traditionelle Kunst, aktuelle politische Trends, Geschichte sowie Film, Animation und Comics.
 
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