Kulturzentrum Belgrad | Ausstellung RESSOURCE UTOPIA

Milica Stojšić © Milica Stojšić

Do, 04.07.2019 –
Do, 25.07.2019

Kulturni centar Beograda

Workshopleiter: Andreas Rost

 
Eröffnung: 04.07.2019 um 20:00 Uhr

Kuratorenführung: 05.07.2019 um 18:00 Uhr
Mit Kurator Andreas Rost


Workshopteilnehmende und Autoren: Danica Trajković, Dušan Novaković, Aleksandar Pavlović, Irena Nikolić, Milica Denković, Petar Vakić, Milica Stojšić, Marija Piroški

Die Ausstellung Ressource Utopia entstand als Ergebnis eines Workshops in Belgrad und in einem virtuellen Raum mit 8 TeilnehmerInnen im Zeitraum vom April 2018 bis Juni 2019, geleitet durch den deutschen Fotografen Andreas Rost, organisiert vom Goethe-Institut Belgrad und dem Kulturzentrum Belgrad.

There Are Thousands of Alternatives! 

„There is no alternative - TINA“ sagen seit Margaret Thatcher die Politik, die Ökonomie, die Wirtschaft und die Wissenschaft über unsere Gegenwart. Nach dem Sieg der neoliberalen Revolution können wir Menschen uns eher das Ende der Welt vorstellen als ein Ende des Kapitalismus. (Fredric Jamson) Die Zukunft wird allmählich ausgelöscht und nur noch Pessimisten, Träumer und Künstler entwickeln Sehnsüchte nach einem Ausweg, einer Utopie, die einen Raum für das Unmögliche in der Welt darstellt.  

Gegen diesen Trend der Zeit stellen sich nun junge Künstlerinnen und Künstler in Belgrad. Sie wollen die Kräfte, die im utopischen Denken liegen entdecken, freisetzen und weitergeben. Die Arbeiten muten fragmentarisch an, sie sind eher Sammlungen, die sich erweitern lassen, als abgeschlossene Einheiten. Es werden keine fertigen Utopien gezeigt, vielmehr werden Räume dargestellt, in denen solche entstehen könnten, es werden Möglichkeiten untersucht für die Entstehung von Utopien oder das Aufscheinen von Utopien in einem Mikrokosmos.

Am Anfang aller Bemühungen steht das Medium-WEISS - das weiße Blatt Papier, das weiße Segel, das weiße Lacken. Milica Stojšić rettet das Medium-WEISS vor allzu schneller Vereinnahmung durch oberflächliche Begrifflichkeiten wie: rein, hell oder leer, indem sie das WEISS in seinen vielfältigsten Erscheinungsformen zeigt. Ihre Achtsamkeit gegenüber der nur scheinbaren Leere schafft einen realistischen Raum, den der Betrachter mit seinen Utopien füllen kann. 

Die Arbeit von Dušan Novaković zeigt die monumentalen Überreste einer zu Recht verworfenen Utopie. An fast vergessenen Orten und abseits tagespolitischer Zumutungen offenbart sich dem forschenden Geist eine Schönheit, die sich nur in der Abwesenheit vom Menschen verwirklichen kann. 

Petar Vakić zeigt das glückliche Funktionieren einer Utopie in einem Mikrokosmos, die vielleicht nur deshalb funktioniert, weil sie abseits der großen Zentren der Aufmerksamkeit realisiert wird. Im Verborgenen und nur dort können Utopien bereits heute schon Wirklichkeit werden. 

Irena Nikolić verweist mit ihrer Arbeit auf die Zwiespältigkeit von Utopien. Weiträumig, ästhetisch faszinierend und kühn zeigt sich Vision eine autogerechte Stadt. Jedoch was im letzten Jahrhundert eine erstrebenswerte Utopie gewesen ist offenbart sich heute als katastrophale Fehlplanung.  

Aleksander Pavlović nutzt das Medium Zeitung, um seine Utopien vor zu stellen. Ein Medium, das inzwischen historisch geworden ist, weil es von der Utopie des freien Internets überholt wurde. Auf diese Weise setzt er einen dialektischen Kontrapunkt und stellt die für diese Ausstellung sehr wichtige Frage, ob Utopien überhaupt noch zeitgemäß sind. 

Milica Denković findet ihr Utopia im urbanen Raum. Diese von Architekten als Stadtmöbel bezeichneten Stitzgelegenheiten haben ihre ursprüngliche Funktion ebenfalls an das Internet abgegeben. Heutzutage trifft man sich nicht mehr vor dem Haus, man trifft sich im Internet. Gleichwohl, ohne Orte für gemeinschaftliche Handeln kann keine Utopie entstehen und man weiss nicht, ob die Stadtmöbel nicht eines Tages doch wieder genutzt werden. 

Marija Piroški fotografiert Arbeiter, ganz einfach und ohne Tricks, aber sehr überzeugend. Lange Zeit ist die Arbeiterklasse der Adressat vor allem linker Utopien gewesen. Nun da sich die Arbeiter von den linken Visionen abwendet haben wurde festgestellt, dass die Linke die Menschen gar nicht kannte für die sie vorgab Politik zu machen. Es lohnt sich also genau hin zu sehen. 

Danica Trajković weiß um die Schönheit des Träumens und somit um die Wichtigkeit der Imagination für die Utopie.

Die künstlerischen Handschriften in dieser Ausstellung sind sehr unterschiedlich. Es wird digital oder analog gearbeitet, dokumentiert oder montiert, farbig oder schwarz-weiß.  Die Art und Weise wie wir uns etwas vorstellen (imaginieren), bedingt die Art und Weise, wie wir Politik machen. Die Einbildungskraft ist politisch, das muss man sich klarmachen. In bestimmten Momenten ist Politik ohne Einbildungskraft nicht machbar. Dem TINA-Prinzip steht der Ausruf „TATA!“ gegenüber (There Are Thousands of Alternatives). Zu einer Ausstellung vereint kann man die unterschiedlichen künstlerischen Positionen auch als ein Statement gegen die Vereinzelung in der Welt und gegen die Fragmentierung der Welt lesen. 

Ich bedanke mich bei Milica Stojšić, Dušan Novaković, Petar Vakić, Irena Nikolić, Aleksandar Pavlović, Milica Denković i Danica Trajković für die Teilnahme am Projekt, für ihre großartigen Kunstwerke und für ihr innovatives Gestalten. Außerdem danke ich Marija Piroški, Sunčica Šido und Frank Baumann für die freundschaftliche und kreative Zusammenarbeit. Mein besonderer Dank jedoch gilt dem Projektpartner Kulturzentrum Belgrad und Vesna Danilović für die personelle, finanzielle und logistische Unterstützung. 

Andreas Rost, Berlin, 2019


Andreas Rost (Weimar1966) ist Fotograf, Kurator, Universitätsprofessor und Fotoexperte des ifa-Institut für Auslandsbeziehung in Stuttgart, Träger des Aenne-Biermann-Preises. Er lebt und arbeitet in Berlin.

 

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