Interview
Rebecca Sampson, Photographin

Rebecca Sampson portrait
© Rebecca Sampson

Die Ausstellung zum Fotoprojekt „Apples for Sale“ hat im Goethe-Institut Zypern große Resonanz gefunden – obwohl es um indonesische Hausmädchen in Hongkong geht. Wie erklären Sie sich das große Interesse an einem so fernen Thema?

Ich freue mich sehr über die große Resonanz sowie über die schöne Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Zypern. Die wunderbare Idee, meine Arbeit mit dem eindrucksvollen Film über philippinische Hausangestellte auf Zypern von Maren Wickwire zusammen zu präsentieren, kam von Karin Varga, der Leiterin des Goethe-Instituts Zypern. Der Schlüssel zum Erfolg vor Ort liegt mit Sicherheit an der Verknüpfung zu der Situation der Hausangestellten auf Zypern. Auch wenn Hongkong weit weg ist, die Situation der Arbeitsmigrantinnen ist doch in vielen Punkten ähnlich. Manchmal kann man sich auf ein konfliktbehaftetes Thema leichter einlassen, wenn der Zugang über einen Umweg stattfindet. Die Ausstellung ermöglicht dem Betrachter zudem einen Perspektivenwechsel, denn die Frauen erzählen auch ihre eigenen Geschichten in Bild und Text. 

Sehen Sie Parallelen zwischen dem Leben der Hausmädchen in Hongkong und in Zypern – oder vielleicht weltweit? 

Die Ausgangssituation, die Frauen dazu bringt ihre Familien zurück zu lassen, um Geld im Ausland als Arbeitsmigrantinnen zu verdienen, ist weltweit sehr ähnlich. Die Umstände, denen sie dann vor Ort ausgesetzt sind unterscheiden sich mitunter stark. Diskriminierung, Geringschätzung, Schutzlosigkeit und Ausbeutung sind sicherlich für fast alle Hausangestellten an der Tagesordnung. In Hongkong, der aktuell teuersten Stadt der Welt, kommt ein extremer Platzmangel hinzu. Viele der Frauen müssen auf schmalen Matten neben der Waschmaschine oder im Flur schlafen. Wer Glück hat, schläft in einer fensterlosen drei Quadratmeter Kammer. Im arabischen Raum ist die Lage für Hausangestellte am prekärsten. Dort arbeiten sie unter sklavenähnlichen Bedingungen und die Zahlen bezüglich Misshandlungen sprengen jegliche Vorstellungskraft. Unter welchen Bedingungen die Hausangestellten auf Zypern arbeiten, kann ich leider nicht einschätzen. Zypern hat allerdings mit einem monatlichem Gehalt von 309 Euro einen der niedrigsten Löhne in West-Europa.

Wie lange dauert es, so viel Vertrauen aufzubauen, um als Außenstehende in diese Parallelwelt einzudringen?

Bei dieser Arbeit hat es zum einen sehr lange gedauert, da die Hausangestellten in Hongkong nur an einem Tag in der Woche eigenständig das Haus verlassen dürfen - im Regelfall der Sonntag. Zudem müssen sie in der Wohnung des Arbeitgebers wohnen und dürfen niemanden mit in die Wohnung nehmen. Auf der anderen Seite waren die indonesischen Frauen sehr aufgeschlossen, neugierig und haben mich sehr schnell aufgenommen. Für den Hauptteil der Arbeit war ich letztendlich vier Monate vor Ort. Das klingt erst mal lange, aber ich hatte keinerlei Kontakte und es waren nur 16 Sonntage, an denen ich die Hausangestellten treffen konnte.

Wo verwischen die Grenzen bei dieser Arbeit zwischen Beobachtung und Anteilnahme?

Bei vielen meiner Projekte trete ich aus der rein beobachtenden Rolle heraus und werde zum Teil des Geschehens. Das war bei meiner Arbeit zum Thema Essstörung ganz besonders der Fall. Bei Apples for Sale spiele ich viele Rollen. Ich bin Beobachterin, die aber zeitgleich selber von den Frauen beobachtet wird. Für jedes zweite Bild, das ich aufgenommen habe, existiert eine Gegenaufnahme der Frauen von mir. In den sozialen Netzwerken der indonesischen Hausmädchen Community kursieren viele Videos, die mich bei der Arbeit und allem was dazu gehört zeigen. Die ausgesprochene Fotografiebegeisterung der Community sorgte auch dafür, dass ich öfter unfreiwillig vom Beobachter zum Auftragsfotograf wurde. Denn das Medium Fotografie ermöglicht den Frauen ihre eigene Realität zu erschaffen und diese Inszenierung über die sozialen Netzwerke in die Heimat zu verschicken.

Welche Wirkung kann ein solches Projekt zwischen Kunst und Fotoreportage in unserem Zeitalter der Bilderflut heute noch entfalten?

Ich persönlich glaube nach wie vor an die Kraft von Bild und Text. Aber was diese Kraft dann wiederum für eine Wirkung hat, würde ich lieber den Betrachter beantworten lassen. 

Sie waren mehrfach in Zypern, um im Goethe-Institut Nikosia die jährliche Ausstellung junger deutscher Fotografie „Gute Aussichten“ zu eröffnen. Kamen Ihnen hier auf der Insel auch Ideen für neue Projekte?

Zypern ist für mich ein ganz besonderer Ort. Gleich bei meinem ersten Besuch vor fünf Jahren habe ich mich ein bisschen in die Insel verliebt. Immer wenn ich mich in den Flieger Richtung Larnaka setze, überfällt mich ein Gefühl von aufgeregter Begeisterung. Zypern hat unheimlich viele Geschichten, Gesichter und Stimmungen. Würde sich mal eine Möglichkeit für eine Künstlerresidenz ergeben, wüsste ich gar nicht wo ich anfangen würde, bei all den inspirierenden Gegensätzen.