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Ultraschall to go

Foto: © Yonina Eldar | Signal Acquisition Modeling and Processing LabFoto: © Yonina Eldar | Signal Acquisition Modeling and Processing Lab
Professor Yonina Eldar: „Es gibt so viele Experten, die sich mit Kommunikation und Gaming befassen, aber Ultraschall-Geräte hat die Digitalisierung scheinbar noch nicht erreicht.“

Bisher mussten Patienten immer zum Arzt, um eine Sonografie, also einen Ultraschall-Scan, zu bekommen. Jetzt nicht mehr: Eine neue Methode, Ultraschallbilder zu digitalisieren, ermöglicht Medizinern an Notfallstellen oder in unterentwickelten Gebieten auch aus der Ferne zu Hilfe leisten.

Vor einigen Jahren wussten Professor Yonina Eldar und ihr Team des Signal Acquisition Modeling and Processing Lab (SAMPL) der Technion University in Israel nicht viel über Medizintechnik. Das Labor entwickelt innovative Datenerfassungs- und Verarbeitungsmethoden. Beginnend mit einem theoretischen Modell entwickelten Eldar und ihr Team einen Ansatz, der es ermöglicht, hohe Datenraten wesentlich herunterzutakten. Niedrige Datenraten machen es möglich, die Bearbeitungszeit zu reduzieren und schließlich auch den Stromverbrauch und die Kosten zu senken.

Dann aber kontaktierte Professor Eldar ein Kollege. Er wollte einen Weg finden, um die Datenerfassungs- und Verarbeitungsmethoden des SAMPL-Labors für die Sonografie anzuwenden. Bei einem Ultraschall-Scan wird ein hochfrequenter Ton in den Körper gesendet, wo er das Gewebe der Organe trifft. Dieses reflektiert einen einen Teil des Tons. Eine Sonde fängt diese Signale auf und überträgt sie per Kabel an einen großen Computer. Die Geschwindigkeit, mit der der Schall in das Gewebe geschickt wurde, und die Zeit, bis das Echo zurückkehrt, übersetzt der Computer in Bilder in Sepia und Weiß – ähnlich derer von Babys im Mutterleib, wie wir sie alle kennen. Außer zur Untersuchung von ungeborenen Babys können Ultraschallbilder auch Aufschluss geben über den Blutfluß, und sie können zur Beurteilung von Herzproblemen und zur Erkennung von Tumoren verwendet werden. Die Sonografie ist bei Medizinern beliebt, da es sich um eine strahlungsfreie, nicht-invasive Methode zur Beurteilung von Strukturen im Körper handelt.

Die Digitalisierung hat Ultraschall-Geräte noch nicht erreicht

Aber bislang benötigte man für hochwertige Ultraschall-Scans schwere und sehr teure Maschinen. „Ich war überrascht, zu sehen, dass die heutigen Ultraschall-Geräte in ihrem Kern immer noch ganz ähnlich sind wie die vor 30 Jahren “, sagt Prof. Eldar. „Es gibt so viele Algorithmus-Experten, die sich mit Kommunikation und Gaming befassen, aber die Ultraschall-Geräte hat die Digitalisierung scheinbar noch nicht erreicht.“ Die meisten der Komponenten bei der Abbildung mittels Ultraschall sind immer noch analog und basieren auf Hardware.

Mit ihrem Ansatz zur Senkung der Taktungsrate, ohne dabei die Daten zu komprimieren, arbeiten Prof. Eldar und ihr Team daran, dass diese alten und sperrigen Geräte bald der Vergangenheit angehören werden. Bei einer niedrigeren Datenrate kann eine qualitativ hochwertige Bildverarbeitung mit Software anstelle von Hardware durchgeführt werden. Darüber hinaus ermöglicht eine niedrige Datenrate das Hochladen der unverarbeiteten Ultraschalldaten in eine Cloud, um sie ferngesteuert zu interpretieren und zu verarbeiten. Per Smartphone oder Tablet kann das Bild dann gelesen werden.

In einem zweiten Schritt entwickelt SAMPL momentan eine kleinere und tragbare Ultraschall-Sonde. Damit wird es möglich Ultraschalluntersuchungen auch außerhalb der Arztpraxis anzuwenden. Die Technologie könnte schon in wenigen Monaten für klinische Anwendungen betriebsbereit sein. Das SAMPL-Team kontaktiert derzeit Hersteller von Ultraschallgeräten für eine Zusammenarbeit. Die tragbare Sonde soll mit dem Internet verbunden sein.

Ferndiagnose an Kriegsschauplätzen und in entlegenen Gebieten

„Es gibt eine riesige Anzahl möglicher Anwendungen, sobald wir die Ultraschalldaten an die Cloud senden“, erklärt Prof. Eldar. Medizinische Dienstleistungen könnten flexibler werden. Wenn ein Krankenwagen die tragbare Ultraschallsonde an Bord hat, können die Sanitäter direkt an der Notfallstelle eine Sonografie durchführen und ihn in die Cloud hochladen. Ein Arzt in einem entfernten Krankenhaus lädt das Bild dann herunter und sendet umgehend eine Diagnose zurück. Die Rettungssanitäter können den Patienten vor Ort sofort angemessen behandeln.

Ein ähnlicher Einsatz der Sonde ist auch an Kriegsschauplätzen oder in abgelegenen Gebieten denkbar. In der Mongolei zum Beispiel leben an die 40 Prozent der Bevölkerung in ländlichen Regionen und sichern ihren Lebensunterhalt durch Viehzucht. Die geographischen Hindernisse sind enorm, wenn es darum geht, medizinische Versorgung zu erhalten. Diese Gemeinden erhalten medizinische Dienstleistungen von sogenannten Bagh Feldsher, Regierungsbeamten, die für Gesundheit zuständig sind. Diese Beamten besuchen abgelegene Hirtengemeinschaften mit dem Auto, mit von Hand angetriebenen Booten, auf Rentieren oder auch zu Fuß und stellen ihnen Impfungen zur Verfügung.

Angenommen, diese Bagh Feldster würden ferngesteuerte Ultraschallsonden bei sich tragen, dann könnten beispielsweise schwangere Frauen einen Vor-Ort-Scan ihrer ungeborenen Kinder bekommen. Ein Arzt in einem Krankenhaus in der Hauptstadt Ulaanbaatar kann das Bild dann 800 Kilometer entfernt begutachten. Falls kein Internetzugang vorhanden ist, kann der Bagh Feldsher das Bild auch später senden, sobald er auf die Cloud zugreifen kann. In jedem Fall brächte tragbare Ultraschallsonden immense Verbesserungen für diese abgelegenen, ländlichen Gemeinden mit sich.

Wenn digitale und tragbare Ultraschallgeräte die Ärztezimmer einmal verlassen und Fuß gefasst haben, wird das im Anschluss die Tür für viele andere kreative Möglichkeiten zur Verbesserung und Digitalisierung der Medizintechnik öffnen.

Copyright: Tea After Twelve
Übersetzung aus dem Englischen: Julia Miesenböck
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Dieser Text erschien bereits auf Tea after Twelve.

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