Kultur

Billy Wilder

Foto: Alan Light CC-by-sa-2.0

Ein preußischer Wiener in Hollywood



Er hat über 60 Filme gedreht, darin ließ er Audrey Hepburn weinen, Marlene Dietrich schreien und Marilyn Monroe singen. Mit sechs Oscars und zahlreichen Nominierungen ist er einer der erfolgreichsten Regisseure aller Zeiten. Eine Filmlegende: Billy Wilder. Vor fast siebzig Jahren drehte er seinen ersten Film, vor dreißig seinen letzten – lebendig sind sie alle noch. Über das unvergessliche Werk eines vielschichtigen Mannes.

Foto (Ausschnitt): Alan Light CC BY 2.0

Billy Wilders Grabstein auf dem Westwood Village Memorial Park Cemetery. Foto (Ausschnitt): Alan Light CC BY 2.0

Billy Wilder – das war der kleine Mann mit der großen schwarzen Brille. Wache Augen schauten dahinter hervor. Fast immer umspielte ein Lächeln seine Lippen. Wilder wurde 1906 als Sohn jüdischer Eltern mit dem Namen Samuel Wilder geboren. Er wuchs in Wien auf. Mit zwanzig Jahren zog er nach Berlin und arbeitete dort als Drehbuchautor.

1933 musste Wilder vor den Nazis aus Deutschland fliehen. Er ging nach Amerika und begann bald seine Karriere als Filmregisseur. Für den Filmjournalisten Friedemann Beyer sind Wilders Werke trotzdem europäisch geprägt. „Selbstverständlich hat Billy Wilder all das, was er an Handwerk in Hollywood gelernt, wie Schwamm aufgesogen. Von daher war er ein durch und durch amerikanischer Regisseur. Auf der anderen Seite hat er diesen typischen europäischen und auch jüdischen Humor mit nach Amerika gebracht und sehr viel kulturellen Hintergrund. Und insofern ist Billy Wilder die perfekte Symbiose von europäischer Tradition, amerikanischem Regiehandwerk – und das führt zu diesem ganz besonderen Stellenwert den Billy Wilder heute in der Weltkinematografie innehat.“

Wilders Filme sind wie Popcorn – für das Kino unverzichtbar. Sie leben von geistreichen Dialogen und plötzlichen Wendungen. Sie erzählen von Liebe und Verbrechen, aber vor allem von den Menschen. Stilbildend wirkte Billy Wilder im Bereich der Komödie und im Drama. Der Durchbruch gelang ihm mit Werken wie Sunset Boulevard, Eins, zwei, drei oder Manche mögen´s heiß. Aus letzterem stammt der berühmte Satz „Nobody is perfect“.

Foto (Ausschnitt): Johannes Vogel (talk), CC BY-SA 3.0

Billy Wilder Foto (Ausschnitt): Johannes Vogel (talk), CC BY-SA 3.0

Das gilt auch für die Protagonisten in Wilders Filmen. Sie sind zynisch, verzweifelt, naiv oder despotisch – ganz gewöhnliche Leute mit Fehlern und Schwächen. Wilder enthüllt diese menschlichen Schwächen und Abgründe durch schwarzen Humor. Zum Beispiel in Eins, zwei, drei von 1961. Der Film zeigt den mühsamen Arbeitsalltag eines amerikanischen Unternehmers in Berlin.

In Eins, zwei, drei stehen die Figuren exemplarisch für drei politische Systeme – Kapitalismus, Nationalsozialismus und Kommunismus. Wilder zerlegt sie alle. Den Zeigefinger lässt er dabei in der Hosentasche. „Billy Wilder war jemand, der über den politischen Systemen und über den Ideologien stand. Er hat sich nur für das Menschliche interessiert. Er hat einen sehr analytischen, einen kritischen, scharfen Blick auch auf die Menschen und ihr Verhalten geworfen. Aber das hat er in unterhaltsame Geschichten, in unterhaltsame Dialoge, in witzige Dialoge verpackt. Und er hat es immer verstanden, bestimmte Zeittendenzen eben auch in seine Drehbücher mit hineinzuweben“, so Friedemann Beyer.

Wilder war beispielsweise einer der ersten Regisseure, der heftige Kritik am Hollywood-System übte. In Sunset Boulevard, aus dem Jahr 1950, erzählt er die Geschichte von Norma Desmond, einer alternden Filmdiva. Sie will nicht wahrhaben, dass ihre Zeit als großer Star vorbei ist, und wird wahnsinnig.

Den Zuschauern war Billy Wilder immer einen Schritt voraus. Er wollte nie zu viel verraten. Die oberste Wilder-Regel hieß: Du sollst nicht langweilen! Der Regisseur wollte sein Publikum verunsichern, es lachen lassen, ihm Furcht einjagen oder den Spiegel vorhalten. Wilder selbst war so unterhaltsam wie seine Filme und sehr facettenreich. Beyer sagt es so: „Billy Wilder war ein sehr neugieriger Mensch, er war ein sehr witziger Mensch, er war ein sehr dialektischer Mensch, das heißt, er hat auch einen unglaublichen Wortwitz an den Tag gelegt. Er war ein Mensch, der sehr liebenswert sein konnte, der aber, wenn es darum ging, gute Filme abzuliefern, unerbittlich sein konnte, also sehr streng: der preußische Wiener.“

Foto (Ausschnitt): Lienhard Schulz, CC BY-SA 3.0
Gedenktafel an Billy Wilders ehemaligem Wohnhaus Viktoria-Luise-Platz 11 in Berlin-Schöneberg. Foto (Ausschnitt): Lienhard Schulz, CC BY-SA 3.0

Es war immer Wilders Ziel, kommerziell erfolgreiche Filme zu produzieren. Deshalb taten ihn frühere Kritiker oft als reinen Unterhalter ab. Später aber trat der künstlerische Wert seiner Werke zunehmend in den Vordergrund. Denn erst mit dem Abstand der Jahre wurde klar: Billy Wilder hat es geschafft, ganz spezielle Entwicklungen und Tendenzen seiner Zeit zu erfassen und in etwas Zeitloses zu verwandeln. Noch heute bringen seine Filme die Menschen zum Lachen, Staunen, Nachdenken oder Träumen.

Andrin Schumann

Copyright: Goethe-Institut Prag
April 2012

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