Leben

Bücher und Senioren zurück im Spiel

Foto: © Petra PospěchováFoto: © Petra Pospěchová
Michaela Vojtková von der Gruppe KupBook, Foto: © Petra Pospěchová

Die Gruppe KupBook verteilt in tschechischen Cafés Boxen mit antiquarischen Büchern. Bestückt werden sie mit Bücherspenden von Senioren. Der Erlös finanziert deren Freizeitaktivitäten.

Alles fing mit einem Stapel Bücher an, der sich im Prager Seniorenzentrum Elpida sammelte. „Mein Freund Jáchym hatte schon länger mit Elpida zusammengearbeitet, also fragten sie ihn, ob er eine Idee hat, wie man diese Bücher interessant und gut verwenden könnte“ – so beschreibt Michaela Vojtková die Geburtsstunde des Projekts KupBook, zu Deutsch etwa „KaufBuch“. Nun läuft das Projekt bereits das zweite Jahr, und die von alten Menschen aussortierten Bücher liegen in 27 Cafés in ganz Tschechien zum Kauf aus. Der Erlös geht an das Seniorenzentrum Elpida.

Bücher mit Geschichte

Das Prinzip von KupBook ist einfach: Senioren bringen Bücher, die nicht mehr in ihre Wohnung passen oder die sie nicht mehr lesen, ins Seniorenzentrum Elpida. Von dort verteilen Michaela Vojtková und ihre fünf Kollegen sie an Cafés und andere Geschäfte, wo jeweils eine eigens dafür hergestellte Bücherbox mit einer integrierten Kasse steht. Der Basispreis für ein Buch beträgt 20 Kronen (weniger als 1 Euro), einige Kunden geben auch mehr. „Die Boxen hat eine kleine Tischlerei hergestellt – für die zweite Serie haben sie sich eine kleine Innovation ausgedacht. Jetzt können wir die Kassen besser leeren“, erklärt die 20-jährige Michaela Vojtková, die vor allem die Verteilung neuer Bücher an die verschiedenen Cafés erledigt. Ihre Kollegen kümmern sich um die Reklame in sozialen Netzwerken und die Gestaltung von Werbematerialien.

Wohin genau eine neue Fuhre Bücher geht, können potenzielle Kunden auf Facebook erfahren, ebenso wer die Bücher gespendet hat. Das soziale Netzwerk macht aus einem anonymen Antiquariat eine persönliche Angelegenheit: „Frau Zabloudilová kommt zum Englischunterricht zu uns, sie hat sich entschlossen, uns die Bibliothek ihrer verstorbenen Mutter Milena Towarnická, einer Tänzerin im Švandovo Theater, zu schenken.“ Die Gründer von KupBook wollten von Anfang an Bücher mit Geschichte verkaufen. Man muss nur ein paar Bände durchgehen, und die Geschichte springt einen von selbst an. Man kann dann versuchen sich vorzustellen, wer wohl an Weihnachten 1951 das Buch mit der Widmung "Meiner lieben Mutti" eingepackt haben mag...

Eine weitere Attraktion für Gäste

Als Antiquariat, das über viele tschechische Städte verteilt ist, zieht KupBook natürlich weitere Veranstaltungen an, etwa das Projekt 100 Gramm Bulgakow. Dafür besuchte das Team von KupBook zum Beispiel das Festival United Islands of Prague oder die Messe Knihex. Die Bücher werden dabei an einem Stand nach Gewicht verkauft, 100 Gramm Lesestoff kosten 20 Kronen. Manchmal stehen die Bücher kistenweise zum Verkauf, und auf manchen Veranstaltungen sogar ganz neue Bücher. So hat KupBook hat zum Beispiel Teile des Bestandes einer aufgelösten Buchhandlung in Vsetin gespendet bekommen oder einen Teil der Produktion des Labyrinth Verlags. Mittlerweile sind schon Hunderte von Büchern durch die Boxen von Kupbook gewandert.

„Anfangs war es manchmal schwer, die Cafébetreiber zur Adoption einer unserer Bücherboxen zu überreden. Wir sind immer noch auf der Suche nach weiteren Cafés. Zur Zeit müssen wir drei Boxen unterbringen“, berichtet Michaela Vojtková. Sie selbst hat beispielsweise die Kooperation mit dem Prager Café Al Cafetero arrangiert – sie wohnte in der Nachbarschaft, also hat sie den Eigentümer angesprochen. „Die Box ist eine weitere Attraktion für unsere Gäste, viele kommen regelmäßig wegen der Bücher wieder. Ich selbst kaufe mir gelegentlich auch etwas“, sagt der Betreiber des Cafés, Karel Gregor. In seinem Al Cafetero ist die Auswahl größer als anderswo. Anstelle der Boxen haben sie hier eine klassische Bibliothek, in der sich eine vielfältige Mischung aus Belletristik, Kriminalromanen und Fachbüchern aneinanderreiht. „Ich habe für mich einen Robin Cook gefunden. Meine Frau und ich haben uns ein älteres Handbuch für Datschen- und Wochenendhausbesitzer gekauft“, zählt Gregor seine Ausbeute auf. Eine Dame aus der Nachbarschaft habe ihm sogar mal eine ganze Kiste voller Bücher gebracht.


Im Archiv, auf Ausstellungen, zwischen Brettern

Ansonsten werden die Regale einmal im Monat von KupBook aufgefüllt. Was keinen Anklang gefunden hat, wird ins Auto geladen und in eine andere Box gebracht. Und weil die Fundstücke in ihrem Kreislauf auch durch die Hände von Kunststudenten gehen, landen manche Bücher nicht direkt beim Leser, sondern in einer Fachbibliothek. „Wir haben neue Bücher von Frau Macháčkova, die in eine Einzimmerwohnung zieht. Einige von ihnen ergänzen die Sammlung des Archivs der Bildenden Künste, die anderen senden wir in unseren Boxen wieder in den Umlauf “, informieren die Seiten von KupBook. „Unter den Büchern befinden sich manchmal echte grafische Schmuckstücke. Wir haben auch schon eine Ausstellung mit interessanten Umschlägen gemacht“, erklärt Michaela Vojtková.

Das Geld, das durch den Bücherverkauf eingenommen wird, hilft der Organisation Elpida bei der Finanzierung des Gemeinschaftszentrums und deckt die Kosten einer Vielzahl von Kursen für Senioren. Auch eine Telefonseelsorge wird damit finanziert oder eine Zeitschrift für den ältesten Teil der Bevölkerung. Um all das zu ermöglichen, haben die Designstudenten die Boxen so entworfen, dass die Produktionskosten niedrig bleiben. „Am Anfang hatten wir fünf Vorschläge – unsere eigenen und die von Freunden. Wir haben versucht, den schönsten, aber auch den praktischsten Entwurf zu wählen“, erinnert sich die Designstudentin Vojtková. Im Umlauf sind derzeit Boxen aus Birkenholz sowie eine zweite Version, die ein Schreiner aus Spanplatten hergestellt hat. „Wir haben Fördergelder von Stiftungen erhalten und wollten, dass diese für so viele Boxen wie möglich reichen – so suchten wir nach einer billigen Alternative zu Massivholz“, sagt Michaela Vojtková.

Am meisten beschäftigt die Organisatoren heute der Vertrieb: Oft liefern Bekannte und Freunde der Gründer die Bücher aus, wenn ihre Wege sie an teilnehmenden Cafés vorbeiführen. Gleichzeitig sammelt die Gruppe rund um KupBook Geld für weitere Boxen. „Letztes Jahr haben wir 10.000 Kronen (etwa 370 Euro) für Elpida gesammelt. Wir würden uns wünschen, dass die Summe in diesem Jahr höher ist. Wir haben genug Bücher, man muss sie nur irgendwo anbieten können.“

Petra Pospěchová
ist freie Journalistin und Foodbloggerin. Sie lebt in Prag. Ihr Lieblingsbuch ist „Como. 30 Tage“ von Srđan Valjarević.

Übersetzung: Tatyana Synková

Oktober 2015
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