Bitte lächeln!

Foto: © Lenka KožuchováFoto: © Lenka Kožuchová
Lenka Kožuchová fotografierte für ihr „Buch des Lächelns“ jeden Tag ein lächelndes Gesicht – ein Jahr lang.

Das „Buch des Lächelns“ zeigt 365 Portraits in Schwarz-Weiß, um die menschliche Seele für jeden Tag des Jahres von ihrer schönsten Seite zu zeigen – dazu eine Fotografin, die sich wie ein kleines Kind freut.

Unter dem Motto „Mit einem Lächeln verdirbst du nichts“ versuchte Lenka Kožuchová aus Přerov jeden Tag die Schönheit eines menschlichen Gesichts einzufangen, natürliche Schönheit, die man im Lächeln eines jeden von uns entdeckt.

Lenkas Fotoprojekt startete scheinbar unauffällig Ende des Jahres 2014, als sie damit begann, das gewöhnliche Leben mit ungewöhnlichen Aufnahmen zu dokumentieren. Beim Blick durch ihre Spiegelreflexkamera Amálka bemerkte Lenka damals, dass die Menschen auf der Straße nur sehr selten lächeln und entschied sich, diesen „grauen“ Trend zu ändern. Ab dem 1. Januar 2015 sprach die Französischstudentin deshalb zuerst ihre Familie und Freunde an, schließlich sogar fremde Leute, und bat sie um ein Lächeln. Sie stieß zwar auch auf Ablehnung, die zahlreichen positiven Reaktionen überwiegten jedoch. Das Ergebnis von Lenkas Entschluss, die Welt zum Lächeln zu bringen, ist das Buch des Lächelns (Kniha úsměvů), eine Fotosammlung, die jeden Tag um ein Bild wuchs. Denn Lenka hat nicht „auf Vorrat“ fotografiert, sondern jedem Tag ein Lächeln gewidmet.

Im Frühjahr 2016 meldete Lenka ihr Projekt auf Crowdsourcing-Portal Hithit an, wo ihr geplantes Buch innerhalb von 45 Tagen von 194 Leuten unterstützt wurde. Lenka bekam so insgesamt 76 379 Kronen (etwa 2800 Euro). Im November wird das Buch präsentiert. Zur beliebtesten Belohnung für die Unterstützung wurde die Danksagung im Buch, die Lenka schließlich an alle vergab, die zur Realisierung ihrer Idee beigetragen hatten. Doch einige Unterstützer wollten anonym bleiben. Lenka findet ohnehin, dass nicht die Namen wichtig seien, sondern der Gedanke und die Botschaft: Die Menschen sollen ihre Angst ablegen vor einem Lächeln und davor, schön zu sein.

Innere Schönheit, Selbstliebe, Selbstlob

Die Fotos auf Facebook oder auf der Internetseite Každy den s úsměvem ( Jeden Tag ein Lächeln) zeigen nichts Außergewöhnliches, sondern Bescheidenheit, Offenheit und Aufrichtigkeit. Und Schönheit. Etwas, was in jedem von uns ist. Die Fragen, die Lenka stellte und die sie zusammen mit den Antworten zu jeder Fotografie schrieb, verraten uns oftmals, wie viel Angst wir vor Selbstliebe und Selbstlob haben, wie wenig wir uns freuen und wie oft wir einen Anlass zum Lächeln übersehen. Antoine de Saint-Exupéry sagte angeblich, dass die innere Schönheit des Menschen mit den Augen unsichtbar sei. Das Buch des Lächelns überzeugt uns davon, dass diese Schönheit sichtbar ist, und dass sie sich in den Augen widerspiegelt, wenn jemand lächelt.


Zu den Ländern, in denen Lenka mit ihrer Kamera nach lächelnden Gesichtern suchte, gehören die Niederlande, die Slowakei, Polen und auch Deutschland, wo die Fotografin dieses Jahr bereits zum dritten Mal ihre Ferien verbrachte. In den Kleinstädten und auch in München mussten ihr Freunde und Bekannte auf Englisch helfen, trotzdem erinnert sich Lenka gern an diese Momente: „Die Deutschen lachen mehr als wir.“ Das ungekünstelte Lächeln ihrer „Fotomodelle“ bekam Lenka durch witzige Fragen, aber auch durch die lockere Atmosphäre beim Fotografieren und das Entgegenkommen ihrerseits, nicht zuletzt auch durch ihr eigenes Lächeln, das Brücken zwischen einander fremden Menschen bildet. Das tschechische Lächeln sei genauso schön und herzlich wie das deutsche, aber wir müssen lernen, es noch öfter zu tragen, meint Lenka. „Manchmal war es anstrengend, vor allem sonntags, wenn ich nicht so viele Leute getroffen habe. Aber manchmal waren es einfach nur Momente zwischen Freunden oder absolut unbekannten Leute, die ungeplant entstanden sind und die im Buch nicht fehlen dürfen.“

„Das Buch des Lächelns“ in die Welt

Ein Jahr ist ein relativ langer Zeitraum und das Buch des Lächelns wurde bald zu einem Bestandteil von Lenkas Leben. Es bereicherte sie nicht nur um Erfahrungen mit Fotografie, sondern auch um eine Menge neuer Bekannter und einiger Freunde, mit denen sie bis heute im Kontakt steht. Beim Betrachten der Portraits erinnert sich Lenka immer noch an die Situationen und Gespräche mit den Menschen auf dem Foto. Lenka überraschte es, wie viele Leute positiv auf ihre Anfrage reagierten und dann für sie posierten.

Ende des vergangenen Jahres veröffentlichte Lenka die letzte so entstandene Fotografie und begann mit der Arbeit an der grafischen Gestaltung und der Publikation des Buches. „Ich wollte weiterfotografieren, aber es war dann schon ein bisschen anstrengend – ich verbrachte eine Menge Zeit mit meiner Kamera und am Computer.“ Lenkas „Kampf um ein Lächeln“ war auch in einigen Medien zu finden und ihre Fotos wurden auf zwei Ausstellungen im Coworking Přerov und im Rahmen der Dny MUzy auf der Masaryk-Universität in Brno gezeigt, wo sie selbst studiert und sogar eine Abstimmung der Ausstellungsbesucher gewannen. Wie es nach der Veröffentlichung ihres Buches weiter geht, steht für Lenka fest: „Fotografieren. Vielleicht ein neues Projekt.“ Davon abgesehen hat die begabte Fotografin der Studentenzeitung MUNI einen Wunsch – einige Exemplare vom Buch des Lächelns sollten auf der Welt verbreitet werden und in Cafés und Galerien als wandernde Bücher Freude machen.

Blanka Datinská
Übersetzung: Julia Miesenböck

Copyright: jádu | Goethe-Institut Prag
November 2016
Links zum Thema

Überall auf der Welt leben Menschen für eine bessere Zukunft. Wir sammeln ihre Geschichten und zeigen, was heute schon möglich ist. jadumagazin.eu/zukunft

Weitere Beiträge zum Thema

Ein Dorf verschwindet vor den Augen
Der Doktor der Philosophie Ondrej Čechvala besuchte mit dem Fotoapparat das Dorf, in dem er als Kind seine Ferien verbracht hatte. Hat sich das Leben dort verändert oder nur seine Wahrnehmung?

Entdecke und interpretiere
Malte aus Berlin arbeitet auf der ganzen Welt. Mit seiner Kamera ist er vor allem in Asien unterwegs. Ein Interview über Maltes Liebe zum Reisen und welche Rolle dabei die Fotografie spielt.

Verschwommene Vergangenheit
Der Fotograf Lukáš Houdek widmet sich der Vertreibung der Sudetendeutschen. Über die Ausstellung „Du musst Johann vergessen“ im Kloster Speinshart in der Oberpfalz.

Das Ungewöhnliche im Gewöhnlichen
„Es macht mir Spaß, die Realität zu verändern“, sagt der 19-jährige Fotograf-Autodidakt Martin Faltejsek aus Lanškroun.  

Ich bin nicht außergewöhnlich
Mit der 24-jährigen Kunststudentin und Fotografin Hana Svobodová über ihre Haltung zum eigenen Werk und zu sich selbst.

Themen auf jádu

Gemischtes Doppel | V4

Vier Kolumnisten aus der Slowakei, Tschechien, Polen und Ungarn schreiben über die Bedeutung Europas, Rechtspopulismus, nationale Souveränität, gesellschaftlichen Wandel, die Arroganz des westlichen Blicks – und brechen damit staatliche und gedankliche Grenzen auf. Mehr...

Heute ist Morgen
Oder ist es umgekehrt?! Und war nicht auch gestern schon mal Morgen? In was für einer Welt wollen wir gerne leben? Und wie lange wollen wir warten, bis sie Wirklichkeit wird? Mehr...

Im Auge des Betrachters
… liegt die Schönheit. Da liegt aber auch die Hässlichkeit – und alles dazwischen. Als Betrachter sind wir jedoch nur selten allein. Und als Betrachtete sowieso nicht. Mehr...

Dazugehören
Seit gesellschaftliche Akteure jeder Couleur ihre Forderung nach Integration einem Mantra gleich herunterbeten, gerät viel zu oft in Vergessenheit, dass Integration ein individueller Prozess ist, der auch von uns selbst etwas verlangt. Mehr...

Themenarchiv
Ältere jádu-Schwerpunkte findest du im Themenarchiv. Mehr...