Stefano Zangrando

Grußwort Stefano Zangrando

Lieber Herr Lehmann,
liebe Frau Keilholz-Rühle,
sehr geehrte Damen und Herren,

als ich vor 10 Jahren zum ersten Mal nach Berlin kam, um meine Sprachkenntnisse zu verbessern – ich hatte jahrelang in der Schule Deutsch gelernt, danach aber eine fast ebenso lange Pause gemacht –, war ich zwar angeblich gut in puncto Grammatik, konnte aber nicht einmal verstehen, was die Roboterstimmen in der U-Bahn immer wieder ausriefen – “einsteigen bitte, zurückbleiben bitte” – geschweige denn in der S-Bahn, in der das Gesagte von leibhaftigem, einheimischem Personal kam.

Das habe ich erst dann verstanden, als ich mit allen Sinnen in die deutsche Sprache eingetaucht war. Zur Dekodierung und Einordnung der tausenden alltäglichen Eindrücke und Informationen war unter anderem mein Besuch des Goethe-Instituts wesentlich. Ich bewunderte meine Lehrerinnen – als Erste Frau Jänisch, Gabi –, wie sie uns Schülern die deutsche Sprache und Kultur beizubringen wussten, indem sie uns zugleich die Befangenheit nahmen. Ich erahnte die große Professionalität hinter ihrer lockeren Haltung, konnte jedoch das Geheimnis ihres Könnens nicht ergründen.

Während des ersten Kurses las ich erstmals seit vielen Jahren wieder ein Buch auf Deutsch. Es handelte sich um den „Besuch der alten Dame“ von Friedrich Dürrenmatt. Wir lasen den Text in der Klasse und gingen dann alle zusammen ins Deutsche Theater, um das Stück anzuschauen. Ehrlich gesagt, konnte ich erst später, als ich als DAAD-Stipendiat erneut nach Berlin kam und fast wöchentlich das DT besuchte, tatsächlich ermessen, was für ein Ensemble ich damals vor Augen hatte.

Das zweite Buch war die Millennium-Ausgabe eines Langenscheidt-Wörterbuchs, das ich im Sonderangebot bei Karstadt am Hermannplatz kaufte; den Tipp bekam ich von Petra, der jungen und netten Frau, die damals hinter der Bank in der Mediothek arbeitete.

Das dritte Buch schenkte mir wenig später die ebenso nette und unermüdliche „Kundenberaterin“ Frau Metzger, die sich während meines Aufenthaltes so geduldig um meinen Praktikumsplatz gekümmert hatte. Diesmal ging es um deutsch-italienische Beziehungen: Friedrich Christian Delius’ „Spaziergang von Rostock nach Syrakus“. Als ich im Jahr 2008 als Stipendiat an der Akademie der Künste das Glück hatte, den Autor persönlich kennenzulernen, habe ich ihm gleich erzählt, wie ich zuerst von seinem Werk erfahren habe.

Unter den Mitgliedern, mit denen ich mich in der Akademie unterhalten durfte, war auch Uwe Timm, dessen „Johannisnacht“ ich als mein viertes Buch in deutscher Sprache von meinem lieben Freund Thorsten Keiser – vor 10 Jahren Zivildienstleistender hier im Haus – geschenkt bekam. Dem ehemaligen Kaffeeverteiler Thorsten verdanke ich übrigens einen großen Teil meiner sprachlichen Fortschritte in den Jahren danach, sowie zahlreiche Anregungen zum weiteren Kennenlernen der deutschen Kultur.

Mein größter Förderer an der Akademie war allerdings ein Autor, der mir besonders lieb ist. Meinem Freund und Mentor Ingo Schulze und seinem Werk verdanke ich nämlich vorrangig alles Schöne und Wichtige, was mir im Umgang mit der deutschen Literaturwelt begegnet ist. Dass ich irgendwann seine Bücher übersetzen würde, konnte ich mir vor 10 Jahren gar nicht vorstellen – nicht, als ich mit der auf Empfehlung meines Reiseführers gekauften italienischen Ausgabe der „Simple Storys“ nach Berlin kam; nicht, als mir Frau Metzger den Tipp für eine Lesung von diesem Ingo Schulze im British Council hier um die Ecke gab; nicht einmal, als Ingo selbst mir irgendwann plötzlich sagte: „Probiere es doch mal, vielleicht wirst Du sogar mein Übersetzer.“

Nun haben Sie, sehr geehrte Damen und Herren, einen Überblick über die vielen Gründe, weshalb es für mich heute eine so große Ehre ist, dem Goethe-Institut Berlin meinen herzlichsten Glückwunsch für seinen 50. Geburtstag aussprechen zu dürfen. Wobei dieser Glückwunsch sich auch an die vielen Teilnehmer wendet, die Sprachkurse in diesem Haus besuchen und schließlich die Zielgruppe des qualitativ so hochstehenden Unterrichts – dessen Geheimrezept mir bisher immer noch unbekannt ist – bilden. Ihnen wünsche ich ein ebenso unvergessliches und unauslöschliches Erlebnis im Goethe-Institut Berlin, wie ich es erfahren durfte.

Vielen Dank.