Band des Monats
Casper

Nahaufnahme des Künstlers im Profil mit Schatten
Casper | © Christian Alsan

Auch vor erfolgreichen Hip Hop-Künstlern machen Selbstzweifel keinen Halt. Benjamin Griffey, alias Casper, versucht gar nicht erst, seine tristen Gemütsphasen zu überspielen. Der Wahlberliner mit Wurzeln sowohl in Bielefeld als auch in den Südstaaten der USA ist in der Szene als „Emo-Rapper“ bekannt. Seit seinem ersten Soloalbum Hin zur Sonne überzeugt er mit einem Genre-Mix aus Rap und Rock.

zweierlei provinzwurzeln

Benjamin Griffey wird 1982 in Lemgo, in der Nähe von Bielefeld, geboren. Als Sohn einer Deutschen und eines amerikanischen Soldaten wächst er danach bis zum 11. Lebensjahr in Augusta, im Bundesstaat Georgia, auf. 1993 trennt sich seine Mutter von ihrem zweiten Ehemann und beschließt, zurück in ihre Heimat zu gehen. Sie zieht mit Casper und seiner jüngeren Schwester zurück nach Deutschland. Seine Erfahrung des überraschenden Aufbruchs und Neuankommens verarbeitet Casper im Song Hin zur Sonne auf dem gleichnamigen ersten Soloalbum (2008). Mittlerweile lebt der Künstler in der deutschen Hauptstadt. Sein Bezug in die Südstaaten der USA bleibt durch den Kontakt zu seinem Vater dennoch bis heute bestehen. Verweise auf die Dixie-Kultur finden sich auch in der Videoreihe zum Album Hinterland (2013).

symbiose aus hip hop und hardcore

Im Deutschrap Periodensystem des Bayerischen Rundfunks ist Casper in der Sektion des „Emo-Rap“ zu finden. In Interviews spricht er selbst teilweise von „Postrock“. Sein Repertoire ist weit aufgestellt und so sind es auch seine Features. Von Kollegah, über Prinz Pi bis hin zu Kraftklub hat Casper schon mit diversen Künstlern zusammengearbeitet. Seine ersten professionellen Erfahrungen im Musikgeschäft machte Casper 2004 mit der Gruppe Kinder des Zorns zusammen mit den Rappern Abroo und Seperate. Danach versuchte er sich in den Metal Core Bands A Fear Called Treason und Not Now Not Ever. Den Gerüchten zufolge ist der Schreigesang dieser Zeit für seine raue Stimme verantwortlich, die mittlerweile unverkennbar ist. 2008 schlug er mit dem ersten Soloalbum Hin zur Sonne musikalisch den Weg ein, der sich zu seinem Erfolgspfad entwickeln sollte. Im Anschluss gelang ihm 2011 mit XOXO ein weiterer Durchbruch. Belohnt wurde er mit der goldenen und später sogar mit der Platin-Schallplatte. Auch sein drittes Album Hinterland (2013) wurde mit beiden Edelmetallen ausgezeichnet. Die zugehörige Club-Tour war innerhalb von Stunden ausverkauft. Dies mag auch dem Hype um die Videoreihe zu den Songs Im Ascheregen, Hinterland, Alles endet (aber nie die Musik), Jambalaya und Ariel zu verdanken sein. Die einzelnen Musikvideos zu den fünf Titeln wurden in gemischter Reihenfolge veröffentlicht und stellten sich im Nachhinein als zusammenhängende Geschichte à la Bonny und Clyde heraus. 
 

2015 gönnte sich Casper als Lil Creep mit der Gruppe Gloomy Boyz einen Ausflug in Richtung Trap Hip Hop. Das Video zu Keiner zeigt den Rapper vermummt auf der Rückseite eines Trucks, im Hintergrund Schüsse und aggressive Beats. Sein neuestes Album Lang lebe der Tod erschien mit einem Jahr Verspätung im Herbst 2017. Verschiedenste Theorien kursieren seither um die Gründe der Verzögerung. Teilweise deutet Casper selbst an, dass die Arbeit am Album ihm enorm viel abverlangte und er daher körperlich als auch seelisch gezwungen war, vor der Veröffentlichung eine Pause einzulegen. Im Interview mit der Süddeutschen im September 2017 beschreibt er die Situation:

„Es war auch schon vieles fertig, aber dann hatte das Ganze ein irres Ausmaß an Wahnsinn, Hysterie und Stress erreicht und ich hatte das Gefühl: Ich will das nicht mehr! Ich bin nicht euer Popstar, ich bin nicht euer Heiland, ich bin nicht euer Prügelaffe. Ich hatte die Schnauze voll.“

vom leben in der wohnwagensiedlung und dem verfall der gesellschaft

Nicht nur in Hin zur Sonne lässt Casper die Öffentlichkeit an seiner Vergangenheit teilhaben. In den Liedern Hinterland und Grizzly Lied erzählt er von seiner Kindheit in den Südstaaten. Diese verbrachte er eine Zeit lang in den ärmlichen Verhältnissen einer Wohnwagensiedlung. Eine andere Gruppe seiner Songs handelt dagegen weniger von persönlichen Erlebnissen. In Der Druck steigt, Blut sehen, Sirenen oder auch Alles ist erleuchtet zeichnet Casper die Dystopie einer Gesellschaft, in der wir seiner Meinung nach scheinbar schon jetzt leben. Dabei arbeitet er mit ausgeklügelten Referenzen wie zum Beispiel auf den Roman 1984 von George Orwell, in dem ein Weltuntergangsszenario beschrieben wird. Im Interview mit der Süddeutschen kommentiert der Bielefelder:

„Es geht nicht mehr darum, wie schlimm etwas ist, sondern um die Frage, wie man selbst möglichst effektiv die Sensationsgier der Leute befriedigen kann. Die Sendung mit der besten Quote wäre tatsächlich die, bei der ein Kandidat am Ende stirbt. Der krasseste Skandal bekommt am meisten Aufmerksamkeit.“

Verstärkt durch den Aufruhr um die Verzögerung des letzten Albums Lang lebe der Tod (2017) kursiert außerdem immer wieder das Thema Depression im Zusammenhang mit Caspers Texten. Andeutungen finden sich in Liedern wie Kontrolle, Schlaf und Flackern, Flimmern wieder. Fest steht, dass Benjamin Griffey alias Casper, die deutsche Hip Hop Szene seit seinem ersten Album 2008 erfolgreich bereichert und eine breite Fan-Basis darauf hofft, dass er den negativen Aspekten des Künstlerdaseins weiterhin genug Durchhaltevermögen entgegensetzen kann.
 
 

DISKOGRAPHIE:

2004: Rap Art War
2006: Die Welt hört mich
208: Hin zur Sonne
2011: XOXO
2013: Hinterland
2017: Lang lebe der Tod

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