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„Mit Dolores habt ihr nicht gerechnet“

Dolores
© Ute Langkafel

„Mit Dolores habt ihr nicht gerechnet“ ist alles andere als ein Gute-Laune-Stück am Gorki in Berlin. Die Themen sind schon heftig. 

Es geht um Dolores und Ida, wobei Dolores streng genommen als Junge zur Welt kam. Die Schwester wachsen Anfang des letzten Jahrhunderts in Galizien auf und werden nach eine Karriere als Tänzerinnen Opfer des Holocausts.  Erzählt wird vom jüdischer Partisanen während und nach dem Zweiten Weltkrieg, aber meistens geht es um Dolores. Die rächt sich im Berlin des Zweiten Weltkriegs an den deutschen Machthabern und an Zivilisten für die Verbrechen, die man an Juden und Homosexuellen begangen hat.
 
Die Inszenierung fragt nicht danach, ob die Rache der Jüdin an den Nazis – hier in der Aufführung sind es deutsche Nazis – moralisch ist und ihren Zweck erfüllt, das ist schlicht ein Faktum.
 
Sicher gibt es Menschen, die sich bei jeder Neuinszenierung, jedem neuen Film oder Buch fragen, warum brauchen wir verschiedene second hand Interpretationen zum Holocaust, wo wir doch bereits die Texte von Primo Levi und Paul Celan haben.
 
Führt uns jedes weitere Werk nicht eher fort von der Wahrheit und den Fakten? Das finde Ich übrigens auch. Andererseits muss man bei der Behandlung des Holocausts verschiedene gesellschaftliche Gruppen erreichen. Und möglicherweise erreicht diese Vorstellung ein jüngeres Publikum und erfüllt dadurch ihren Zweck.
 
Die Story erfahren wir aus dem Munde verschiedener Erzähler. Dadurch erreichen auch die Racheakte von Dolores die Zuschauer wie durch einen Dämpfer – wir sehen nicht, wie jemand umgebracht wird. Vielleicht ist das notwendig, um das Publikum nicht zu sehr zu schocken.
 
An Stellen, wo ich mir gewünscht hätte, dass die Handlung auch veranschaulicht würde, springt die Choreographie ein. Wenn die Schwestern in der Inszenierung aber als berühmte Tänzerinnen dargestellt werden, hätte ich sie auch gerne in Bewegung gesehen. Die riesigen Masken machten sie zu Puppen, aber auch eine Puppe kann ja tanzen.
 
Die Band von Ted Gaier – bekannt aus der Hamburger Gruppe Goldene Zitronen -  spielt einen leicht mit Volksmusik unterlegten Rock. Mich erinnerte es stellenweise an die melancholischen Tangos, die man aus Aki Kaurismäkis Filmen kennt. Die Musik war ausgesprochen sympathisch und belebte das Geschehen auf der Bühne und half die durchaus lange, zwei Stunden andauernde Vorführung, zusammenzuhalten.
 
Dolores ist eine Figur, die Generationen miteinander verbindet, nicht so sehr mit Rache sondern mit dem ständigen Kampf. Ihr Streit sowohl als Queer und als Jüdin ist noch nicht vorbei. Auf der Bühne findet ein Wettlauf mit der Zeit statt. Aber wie die Darsteller auch sagen, der 8. Mai 1945 ist nur ein Punkt auf dem Zeitstrahl, nicht das Finish. Das heißt: die Geschichte geht ja Leider weiter. Und genau davon erzählt dieses sehenswerte Stück auch wenn es viele Fragen offen lässt.