FUTURE PERFEKT
„Antika“: Vom Radiohörer zum Moderator

Lamia al-Adel ist die zweite im Bunde bei „Itnin Sahab“. So sind bei „Antika“ verschiedene Stimmen der Gesellschaft repräsentiert .
© Toka Belal

Mit Alltagssprache und einem breiten Themenspektrum erreicht Radio „Antika“ junge Hörer. Sie setzen sich manchmal auch selbst hinter das Moderatorenmikrophon.

„Hallo Leute, wir haben euch schon vermisst, aber jetzt sind wir wieder für euch da! ‚Alles löst sich mit Streit, nur für die Ehe braucht man Einigkeit‘ – so, jetzt wisst ihr natürlich, um welches Thema es in der Sendung geht…“ – so klingt eine Einleitung von Itnin Ashab (Zwei Freunde), einem Programm auf Radio Antika, das das Moderatorenduo Mustafa al-Dsuki und Lamia al-Adal präsentiert.

Radio Antika ist ein Projekt der Arab New Media Institution. Das Radio setzt seinen Schwerpunkt auf Bildungs- und Förderprogramme und unterstützt junge Initiativen und Themen, die sowohl für die ägyptische Geschichte und Tradition wie auch die Gegenwart relevant sind. Dabei werden verschiedene wirtschaftliche, politische, soziale und kulturelle Fragen angesprochen, die ägyptische und arabische Bürger gleichermaßen betreffen. So thematisiert das Programm zum Beispiel gesellschaftliche Normen und Traditionen von früher und heute oder soziale Probleme. Außerdem bietet der Sender eine Plattform für lokale Künstler, die in Interviews vorgestellt werden. In allen Sendungen sprechen die Moderatoren die ägyptische Umgangssprache, mit der sich die Jugend am stärksten identifiziert.


Die Anfänge des Programms


Gründer von Radio Antika ist Muataz Salim. Der 28-Jährige arbeitete vor dem Projekt beim Fernsehen in der Programmredaktion und moderierte. Nach zwei Jahren in diesem Bereich entschied er sich, seinen Traum wahr zu machen und sich aktiv für den Wandel in den ägyptischen Medien einzusetzen. Die traditionellen Programme sprechen die arabische Hochsprache und dienen oft der Regierungspropaganda. So gründete er ein Internetradioprogramm, obwohl das Medium Internetradio damals in Ägypten nicht so populär war, wie andere Onlineangebote.

Bevor er den Online-Radio-Sender gründete bewarb sich Salem bei anderen Radiostationen – ohne Erfolg. Dann überlegte er, sein eigenes Projekt zu starten, mit dem er nicht nur eine Alternative zu den traditionellen Medien schaffen, sondern auch zeigen wollte, dass die Jugend alle Hindernisse überwinden kann, wenn sie nur will. Salem wollte aber den anderen Radiosendern, die seine Mitarbeit abgelehnt hatten, keine Konkurrenz machen. Er „wollte beweisen, dass es junge Menschen gibt, die Dinge verändern können“. Deshalb gründete er den Sender IKS-Video.

Als IKS-Video (X-Video) seine Ausstrahlung begann, hatte das Internetradio in Ägypten gerade Hochkonjunktur. Im Nildelta wurden unter dem Dach der Arab New Media Institution, einer Kooperation junger Menschen aus Ägypten, Libyen, Tunesien und Algerien zwei weitere Radiosender gegründet – Saqia al-Delta (Wasserrad im Delta) und Yallah Shabab (Auf geht`s Leute). Diese Sender schlossen sich zur sogenannten Allianz der Radios der zentralen Deltaregion zusammen.

IKS-Radio trat der Allianz bei, doch als es nicht so lief, wie man es sich vorgestellt hatte, zog sich erst Saqia al-Delta und dann Yallah Shabab zurück. Nun lag das Projekt vollständig in den Händen Salems, der entschied, den Namen der Allianz in Radio Antika zu ändern. Dieser Sender sollte sich von Anfang an in der ägyptischen Umgangssprache an seine Zuhörer wenden und nicht „verlauten lassen, was eine weitere offizielle Quelle berichtetet hatte“, wie Salem sarkastisch und die Moderatoren traditioneller Radiosender nachahmend in seinem besten Hocharabisch erklärt. Im lokalen Dialekt fügt er hinzu: „So reden die Leute auf der Straße doch nicht… Die Leute wollen jemanden hören, der wie sie ist.“
 
  • Das Programm von Radio „Antika“ beschäftigt sich mit einer Vielzahl von Themen, von Wirtschaft und Politik über Gesellschaft bis zu Kultur. So behandelt es beispielsweise Fragen des sozialen Umgangs früher und heute, Freundschaft und gesellschaftliche Probleme oder stellt lokale Künstler vor. „Antika“ ist jung und lebendig und seine Moderatoren verwenden die ägyptische Umgangssprache. ©Toka Belal & Ahmed el-Saadani
    Das Programm von Radio „Antika“ beschäftigt sich mit einer Vielzahl von Themen, von Wirtschaft und Politik über Gesellschaft bis zu Kultur. So behandelt es beispielsweise Fragen des sozialen Umgangs früher und heute, Freundschaft und gesellschaftliche Probleme oder stellt lokale Künstler vor. „Antika“ ist jung und lebendig und seine Moderatoren verwenden die ägyptische Umgangssprache.
  • Die Idee für „Radio Antika“ stammt von Muataz Salem (28 Jahre), der „die traditionelle Form der Medien ändern und Radio für den Mann von der Straße machen“ wollte. ©Toka Belal & Ahmed el-Saadani
    Die Idee für „Radio Antika“ stammt von Muataz Salem (28 Jahre), der „die traditionelle Form der Medien ändern und Radio für den Mann von der Straße machen“ wollte.
  • Salem erzählt: „Ich wollte beweisen, dass es da draußen junge Menschen gibt, die die Dinge ändern können.“ So entstand zunächst der Radiosender „IKS-Video“. ©Toka Belal & Ahmed el-Saadani
    Salem erzählt: „Ich wollte beweisen, dass es da draußen junge Menschen gibt, die die Dinge ändern können.“ So entstand zunächst der Radiosender „IKS-Video“.
  • „IKS-Radio“ trat der „Radioallianz der zentralen Deltaregion“ bei, doch als sich die Sender „Saqia al-Delta“ und „Yallah Shabab“ zurückzogen, lag das Projekt allein in den Händen Salems, der den Namen der Allianz in „Radio Antika“ änderte. (Bild zeigt Karim Hassan, Tontechniker bei „Antika“) ©Toka Belal & Ahmed el-Saadani
    „IKS-Radio“ trat der „Radioallianz der zentralen Deltaregion“ bei, doch als sich die Sender „Saqia al-Delta“ und „Yallah Shabab“ zurückzogen, lag das Projekt allein in den Händen Salems, der den Namen der Allianz in „Radio Antika“ änderte. (Bild zeigt Karim Hassan, Tontechniker bei „Antika“)
  • „Antika“ ist es wichtig, junge Menschen zu Wort kommen zu lassen. So moderiert zum Beispiel Mustafa al-Dsuki das Programm „Itnin Sahab“, bei dem mehrere Personen über Beziehungen diskutieren. Es geht zum Beispiel um Liebe, Hochzeit und Freundschaft. ©Toka Belal & Ahmed el-Saadani
    „Antika“ ist es wichtig, junge Menschen zu Wort kommen zu lassen. So moderiert zum Beispiel Mustafa al-Dsuki das Programm „Itnin Sahab“, bei dem mehrere Personen über Beziehungen diskutieren. Es geht zum Beispiel um Liebe, Hochzeit und Freundschaft.
  • Lamia al-Adel ist die zweite im Bunde bei „Itnin Sahab“. So sind bei „Antika“ verschiedene Stimmen der Gesellschaft repräsentiert. ©Toka Belal & Ahmed el-Saadani
    Lamia al-Adel ist die zweite im Bunde bei „Itnin Sahab“. So sind bei „Antika“ verschiedene Stimmen der Gesellschaft repräsentiert.
  • Seit der Gründung von „Radio Antika“ vor vier Jahren ist Salem vielen Problemen begegnet, so zum Beispiel bei der Suche nach Mitarbeitern (Moderatoren, Reportern und Entwicklern), dem Erhalt von Genehmigungen und – wie so häufig – bei der Finanzierung. ©Toka Belal & Ahmed el-Saadani
    Seit der Gründung von „Radio Antika“ vor vier Jahren ist Salem vielen Problemen begegnet, so zum Beispiel bei der Suche nach Mitarbeitern (Moderatoren, Reportern und Entwicklern), dem Erhalt von Genehmigungen und – wie so häufig – bei der Finanzierung.
  • Der Enthusiasmus viele junger Menschen, die bereit waren sich auch ohne Medienerfahrung auf die Arbeit bei „Antika“ einzulassen, half Salem dabei, einige Schwierigkeiten zu überwinden. Er bildete die jungen Leute selbst aus und machte aus Anfängern Radioprofis. ©Toka Belal & Ahmed el-Saadani
    Der Enthusiasmus viele junger Menschen, die bereit waren sich auch ohne Medienerfahrung auf die Arbeit bei „Antika“ einzulassen, half Salem dabei, einige Schwierigkeiten zu überwinden. Er bildete die jungen Leute selbst aus und machte aus Anfängern Radioprofis.
  • Manchmal bleibt „Radio Antika’s“ Beziehung zu seinen Hörern nicht auf deren Beteiligung über das Telefon beschränkt. Einige Hörer sind heute Moderatoren bei „Antika“, wie Ruaa Muhammad (21 Jahre; links). Sie hatte über Facebook vom Radiosender erfahren und präsentiert nun das Programm „Mugrid Hubb“ über Fragen der Liebe. ©Toka Belal & Ahmed el-Saadani
    Manchmal bleibt „Radio Antika’s“ Beziehung zu seinen Hörern nicht auf deren Beteiligung über das Telefon beschränkt. Einige Hörer sind heute Moderatoren bei „Antika“, wie Ruaa Muhammad (21 Jahre; links). Sie hatte über Facebook vom Radiosender erfahren und präsentiert nun das Programm „Mugrid Hubb“ über Fragen der Liebe.
  • Salem arbeitet derzeit daran, Werbepartner für Radio „Antika“ zu gewinnen. Er erklärt: „Wir hoffen, dass uns dieser Plan zumindest teilweise mit dem Problem der Finanzierung helfen wird, die im Moment fast vollständig aus eigener Tasche geschieht.“ ©Toka Belal & Ahmed el-Saadani
    Salem arbeitet derzeit daran, Werbepartner für Radio „Antika“ zu gewinnen. Er erklärt: „Wir hoffen, dass uns dieser Plan zumindest teilweise mit dem Problem der Finanzierung helfen wird, die im Moment fast vollständig aus eigener Tasche geschieht.“
Seit der Gründung von Radio Antika vor vier Jahren hatte Salem mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Es fehlte Personal: es gab zu wenig Moderatoren, Reporter und Entwickler. Deshalb konnte der Sender nicht viele Hörer vor das Radio locken. Dazu kamen Konflikte mit den Sicherheitsbehörden, da seine Reporter keine Genehmigungen besaßen. Zudem kämpfte das Projekt, wie so viele junge Unternehmen mit Finanzierungsproblemen.

Doch glücklicherweise gab es genügend junge motivierte Menschen, die Salem dabei halfen, die Schwierigkeiten zu überwinden. Er begann, junge Menschen ohne Medienerfahrung als Redakteure und Moderatoren für Radio Antika auszubilden. Zudem kam Salem der politische Wandel, der sich Ende Juni 2013 in Ägypten abzeichnete und die Regierung der Muslimbrüder unter Mohammed Mursi absetzte, bei der Arbeit zugute. Das politische Klima in Ägypten änderte sich, da der Vorsitzende des Obersten Verfassungsgerichts zum Interim-Präsidenten ernannt wurde und vorgezogene Wahlen durgeführt wurden. Aus der Abstimmung ging Abd al-Fattah as-Sisi als Gewinner hervor. Salem konnte schließlich den Status seines Radiosenders als integrierten Mediendienstleister legalisieren, wurde ins Handelsregister eintragen und erhielt eine Steuerkarte. Damit konnte er Genehmigungen für seine Reporter einholen. Nun war es ihnen erlaubt Straßenkampagnen zu veranstalten und von aktuellen Ereignissen zu berichten.

Um ein Finanzierungsmodell für Radio Antika kümmerte sich Salem auch: Er entwickelte einen Plan um Gelder von Sponsoren zu erhalten, Marketingkampagnen durchzuführen und Werbepartner zu gewinnen. „Wir hoffen“, so Salem „dass dieser Plan uns zumindest teilweise dabei hilft, das Problem der Finanzierung zu lösen. Im Moment bezahlen wir fast alles aus eigener Tasche.“
 

Vom Zuhörer zum Moderator

„Radio Antika möchte seine Zuhörer mit authentischen Erfahrungsberichten und der Expertise seiner Gäste, für bestimmte Themen und Probleme sensibilisieren. Zuhörer können ihre Fragen auch direkt an die Studiogäste richten. Doch manchmal stellen sich Zuhörer selbst hinter das Moderatorenmikrofon: „Stell dir vor, du hörst Radio und im nächsten Moment bist du es, dem alle zuhören“, berichtet Nuran Shawki. Die 24-jährige Studentin an der Handelsfakultät der Mansoura University fährt fort: „Ich war Zuhörerin bis ich Tarik Walid traf, den Redakteur und Moderator des Programms Manshit Fadi (leerer Banner). Das ist eine Talkshow die sich mit Geschehnissen und Nachrichten von der Straße befasst und sie bewertet. Tarik schlug vor, dass ich mit ihm das Programm moderiere. Nun arbeiten wir beide zusammen in der Redaktion.“

Ruaa Muhammad (21 Jahre) erzählt, dass sie von Antika über Facebook erfahren und versucht habe, mit den Organisatoren Kontakt aufzunehmen, weil sie eine Sendung präsentieren wollte. Sie war erfolgreich und konnte ohne große Umstände ihren Traum verwirklichen. Nun ist sie Moderatorin des Programms Mugrid Hubb (Nur Liebe), in der es um Liebe und Emotionen geht.

 
Dieser Artikel ist im Rahmen des Projekts „Future Perfect“ entstanden, einer Kooperation des Goethe-Instituts, der Stiftung „Futurzwei“ und der „Bashkatib“ GmbH.

Für mehr Informationen zum Projekt sowie für mehr Erfolgsgeschichten aus aller Welt: www.goethe.de/futureperfect

Für mehr Informationen zu Bashkatib: http://bashkatibnews.com/