Bildungsakademie NANO
Gibt es eine Wahrheit?

Wir können eine Tür von links oder rechts öffnen – je nachdem, auf welcher Seite der Tür wir stehen. So ähnlich ist es mit unterschiedlichen Blickwinkeln und Perspektiven. Dies gilt auch für die Interpretationen historischer Ereignisse und Quellen.
Und genau dies stellte das Goethe-Institut Kairo beim vierten Geschichtslehrertag im Oktober unter dem Titel „Meine Wahrheit! Deine Wahrheit! Multiperspektivität historischer Quellen“ in den Fokus. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer arbeiteten in acht Workshops praxisnah mit Quellen und konnten so anschließend das erworbene Wissen mit in den Unterricht nehmen.
Auftakt bildete ein Plenarvortrag von Dr. Dieter von Schrötter (Uni Freiburg), der die Zuhörerinnen und Zuhörer für das Thema „Gibt es eine Wahrheit?“ begeisterte. Danach diskutierten der ägyptische Schriftsteller Ahmed Morad, der Historiker Walid Fikry und der Didaktiker Dr. Christian Kuchler (RWTH Aachen) über die „Wahrheit“ und darüber, wie Lehrkräfte Schülerinnen und Schülern in diesen Rahmen für Geschichte begeistern können.
Im Anschluss an die Podiumsdiskussion begann das Arbeiten in den Workshops. Insgesamt 130 Geschichtslehrerinnen und Geschichtslehrer beteiligten sich und versuchten, die Problematik der Multiperspektivität historischer Quellen zu ergründen.
Kunst und Wirklichkeit
So stellte Dr. Muhamed Afifi, Leiter der Geschichtsabteilung an der Universität Kairo, beispielsweise den Einsatz von Filmen im Unterricht als Lehrmethode vor. Im Mittelpunkt stand das Thema „Saladin-Film der 70er- und 80er-Jahre“. Dabei sollte die Diskrepanz zwischen der historischen Realität und deren Fiktionalität in der Verfilmung und Dichtung deutlich werden. Denn diese künstlerische Freiheit beinhaltet oft politische Interessen und spiegelt sich in der Kunst wieder.Dies stellte auch Prof. Dr. Christian Kuchler am Beispiel unterschiedlicher Abbildungen „Karls des Großen“ heraus. In seinem Workshop “Gefälschte Bilder“ konnten die Teilnehmenden erkennen, wie Bilder für bestimmte politische Meinungen manipuliert werden. Gerade solche Bilder sind es, die Schülerinnen und Schülern zu Diskussionen und zur aktiven Auseinandersetzung mit Geschichte bewegen.
Wahrnehmung der eigenen Wahrheit
Um kritische Auseinandersetzung ging es ebenfalls bei Dr. Dieter von Schrötters Workshop über die „Kriegsschuldfrage“ des Ersten Weltkrieges. Dr. Dieter von Schrötter stellte ein Schulbuch vor, in dem diese Kriegsschuldfrage aus der Sicht französischer und deutscher Historiker – jeweils mit unterschiedlichen Sichtweisen – geschildert ist. Dies lässt den Schülerinnen und Schüler Raum zu eigenen Erkenntnissen und Interpretationen.Der vierte Geschichtslehrertag im Oktober war Teil des Projekts „Bildungsakademie NANO“ des Goethe-Instituts Kairo. Projektschwerpunkt ist einerseits die Entwicklung moderner Bildungsstandards im Maghreb sowie die Fortbildung von Multiplikatoren staatlicher Schulen Ägyptens im Schulfach Geschichte. Die Ergebnisse lassen sich in gemeinsam erarbeiteten Lehrmaterialien für das Geschichtsfach wiederfinden.